Medienkritik: Radio CORAX und die Widersprüche des "Freien Radios"
Die Lizenzverlängerung für Radio CORAX bis 2035 wirft Fragen auf: Wie passt kapitalismuskritische Rhetorik zu einer beeindruckenden Liste von Fördergebern? Warum wird technische Innovation wie DAB+ abgelehnt, während die Reichweite schwindet? Ein kritischer Blick auf 25 Jahre Bürgerfunk zwischen Anspruch und Realität - und warum digitale Plattformen längst die bessere Alternative wären.
Die Verlängerung der Sendelizenz bis 2035 ist sicher eine gute Nachricht für Radio CORAX, immerhin handelt es sich um ein lokal ziemlich privilegiertes Projekt. Als Rundfunkbeitragszahler darf man aber durchaus kritische Fragen zur Entwicklung des Senders stellen.
Weniger verständlich ist, dass kritische Stimmen zu Struktur, Kultur und Inhalten des Senders oft reflexhaft als Nestbeschmutzung oder gar rechtlich angreifbare „Interna“ diffamiert werden.
Dabei ist das Prinzip eines zugangsoffenen Bürgerradios in einer Stadt wie Halle durchaus begrüßenswert.
Die Finanzierungsstruktur ist beeindruckend: Neben den Mitgliedsbeiträgen fließen Gelder von der Medienanstalt Sachsen-Anhalt, dem Fachbereich Kultur der Stadt Halle, dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, dem Landesjugendamt Sachsen-Anhalt, der Studierendenschaft der MLU, dem Fachbereich Bildung der Stadt Halle, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Halle, dem Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, der Postcode Lotterie, der Deutschen Fernsehlotterie, der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Aktion Mensch und dem Fonds Soziokultur.
Diese breite Förderkulisse ist bemerkenswert – gerade angesichts der oft kapitalismuskritischen Rhetorik des Senders. Wer marktwirtschaftliche Strukturen grundsätzlich ablehnt, sollte auch alternative, selbsttragende Modelle entwickeln. Die ständige Rückversicherung über staatliche oder öffentlich-rechtliche Geldquellen konterkariert jedenfalls das vielbeschworene Ideal von Unabhängigkeit.
2023 bot die Medienanstalt die Umrüstung auf DAB+ an – wurde natürlich ausgeschlagen, weil man es selbst hätte finanzieren müssen. Lieber bleibt man bei den alten Jingles von 2000 und dem unzuverlässigen Sendeablauf wie zu Anfangszeiten. Innovation sieht anders aus.
25 Jahre Sendebetrieb, aber die Reichweite stirbt vor sich hin. Während man sich in linkspopulistischen Nischendiskursen ergeht, nutzt kaum jemand das Angebot. Das Internet bietet heute viel bessere Partizipationsmöglichkeiten als ein Berieselungsmedium, das hauptsächlich die eigenen Mitglieder hört.
Wer unreflektierte Ansichten am Mikrofon rausposaunt, betreibt noch keinen Journalismus. Journalismus ist ein Handwerk, das Ausbildung und Standards erfordert – nicht irgendwelche therapiebedürftigen Monologe oder Podcasts von staatlich-geförderten Stiftungen.
Unter dem Label „Freies Radio“ agieren de facto abhängige Lokalradios mit klar ideologisch geprägter Agenda, ein intransparenter Apparat mit hoher moralischer Fallhöhe. Wer Fragen stellt, gilt schnell als Störenfried. Dabei wäre medienpolitische Selbstreflexion gerade im öffentlich geförderten Sektor dringend nötig.
Der Corax e. V. sollte ernsthaft über die Einführung transparenter Awareness-Strukturen nachdenken, wie sie bei anderen Freien Radios – etwa Radio Blau – längst etabliert sind. Fördermittel gäbe es dafür mit Sicherheit.
In Sachsen gehen die Bürgerradios bereits einen realistischeren Weg. Dort musste das Rundfunkkombinat seine Träumerei beenden, weil die Medienanstalt nicht mehr bereit war, Größenwahn zu finanzieren.
Solche Regulierungsansätze wären auch in Sachsen-Anhalt wünschenswert.
Blau, T und colo senden mittlerweile 5 Stunden zwischen 19 Stunden Stille und Leere täglich auf UKW, während der 24/7-DAB+ Simulcast von den Rundfunkbeitragszahlern finanziert wird.
Community Radio als lineares Berieselungsmedium eignet sich strukturell wenig für zielgruppenspezifische Botschaften, die primär die eigene Mitgliedschaft erreichen. Hörfunk wird bis 2035 ausbluten, UKW-Übertragung wird bis dahin längst Geschichte sein. Digitale Plattformen bieten heute erheblich bessere Partizipationsmöglichkeiten und direktere Interaktion. Statt am beitragsfinanzierten Rundfunk festzuhalten, der für stark politisierte Inhalte mediengattungsbedingt ungeeignet ist, könnten Freie Radios kooperative Web- und App-basierte Plattformen entwickeln. So ließe sich Minderheiten tatsächlich eine hörbare Stimme geben.
Statt an überholten Strukturen festzuhalten, sollten sich die „Freien Radios“ überlegen, wie sie zeitgemäße Medienplattformen schaffen. Wer wirklich Vielfalt und Partizipation will, muss mit der Zeit gehen – nicht gegen sie.
Ein bisschen mehr Selbstkritik und ein bisschen weniger Selbstinszenierung täten gut.
