Podcaststudio besucht - Freiheit für Daniela!

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Als im Februar 2024 Daniela Klette nach über drei Jahrzehnten Flucht, mitten in Berlin Kreuzberg verhaftet wurde, staunten die Macher des Podcasts „Legion: Most Wanted“ nicht schlecht.
Der ebenfalls in Berlin Kreuzberg produzierte und Ende 2023 erschienene Podcast, beschäftigte sich doch noch genau mit diesem Thema.
Zwar blieb damals noch zum Ende des Podcasts hin offen, wo sich Daniela Klette nun aufhielt und als welche Person sie wohl leben würde. Jedoch wurden allerlei Spuren verfolgt, Interviews geführt, und Leute belästigt. Nicht zuletzt wurde sich in einem Tanzstudio anmeldet, um dort unter Legenden Leute nach Daniela auszufragen. Es wurde unter Verletzung des Datenschutzes auf die KI Bildsuchmaschine PimEyes zurückgegriffen, die dann letztendlich einen entscheidenden, aber rechtlich absolut fragwürdigen Hinweis gegeben zu haben scheint.
Und genau da liegt der springende Punkt, denn in der Herbsttagung 2024 des BKA, stürzte sich Holger Münch, Präsident des BKA, auf das offensichtliche „Befugnisdefizit“, was im Falle Klettes deutlich geworden ist.

Münch beschwerte sich, dass bestimmte Ermittlungsmethoden (gemeint ist die Bildsuche mit der Suchmaschine PimEyes, mit der ein Journalist von Bellingcat ein Foto Klettes auf einer Social-Media-Plattform ausfindig gemacht haben will) von den Behörden einfach nicht in Erwägung gezogen werden, weil sie illegal seien. Deshalb brauche es immer erst „kreative“ und „mutige“ Leute von außen, die auf entsprechenden rechtlichen Nachholbedarf hinweisen. Die Behörde solle selber „out of the Box“ denken, auf fehlende Rechtsgrundlagen  aufmerksam machen und sich letztendlich so die eigene rechtliche Grundlage schaffen.

Die Journalist*innen des Podcasts hätten sich wahrscheinlich nicht vorstellen können, dass ihre Recherche nicht nur einen Hinweis zum Aufenthalt Daniela Klettes bzw zur Aufnahme einer Spur führen würde und bestimmt auch nicht, dass ihre Recherche dem BKA eine Motivation geben würde ihre Ermittlungsbefugnisse zu erweitern.
Hat sie aber.
Und genau das ist unser Punkt. Auch wenn im Nachgang der Festnahme von den Macher*innen des Podcasts beteuert wurde, sie würden nicht mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten, steht am Ende die Festnahme von Daniela Klette, nach der ein fahndungswütiger Staat seit über 30 Jahren gesucht hat und eine Debatte darüber, ob und wie und in welchem Umfang das BKA dürfen muss, was Journalist*innen bereits machen.

Dass Journalist*innen in aller Welt auf alle möglichen Formen der Recherche angewiesen sind, liegt in der Natur ihres Berufs. In vielen Teilen der Welt ist Journalismus ein teils lebensgefährlicher, aber für viele Menschen auch überlebenswichtiger Beruf.

Denken wir dabei nur an Nazim Dashtan und Cihan Bilgin. Beide wurden am 19. Dezember 2024 durch einen Dronhenangriff des Erdogan-Regimes getötet. Nazim Dashtan hatte im Zuge seiner Arbeit Verbindungen des Erdogan-Regimes mit den Strukturen des IS aufgedeckt.
Cihan Bilgin hatte gesellschaftliche und politische Ereignisse in Rojava ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt. Ihr letztes Interview führte sie mit der Kommandantin Roj Engizek der YPJ.  
Der türkischen Regierung zufolge waren beide „Terroristen“ von der PKK.

Oder Menschen wie Ayman Al-Jadi, der als Kameramann die Verbrechen des israelischen Militärs während des Völkermords in Gaza dokumentiert hatte. Er wurde, zusammen mit vier seiner Kollegen, am 25.12.24 durch einen israelischen Luftschlag auf ihr Pressefahrzeug ermordet, während er vor dem Al-Awda Krankenhaus auf die Geburt seines ersten Kindes wartete.
Sie waren fünf von mindestens 217 Journalist*innen, die seit Beginn der genozidalen Kampagne gegen die Bevölkerung Gazas getötet wurden. Die IDF behauptete im Nachhinein „Terroristen“ des PIJ „eliminiert“ zu haben.

In beiden Fällen wird das Label „Terroristen“ benutzt, um staatliches Töten zu legitimieren.

Zu keinem Zeitpunkt der Recherche des Podcasts „Legion: Most Wanted“, wird das staatliche Narrativ der gefährlichen Terroristin in Frage gestellt. Stattdessen wird in berufsjugendlicher clickbaiting Manier eine spannende Story gewittert, Recherche um der Recherche willen betrieben, als würden Kinder Detektiv spielen und am Ende zählt, ob sich der Podcast nun gut gehört hat oder nicht.
Es interessiert uns nicht, ob bei der Recherche journalistische Standards eingehalten worden sind, genau so wenig interessiert es uns, dass mit dem Podcast ein weiteres Produkt in einer ganzen Sammlung bürgerlicher Publikationen zur RAF erscheint, von denen eine dümmer ist, als die nächste.
Auch andere Leute haben zur RAF recherchiert und auch andere „Journalist*innen“ haben sich selbstständig und ohne nachvollziehbaren Grund auf die Suche nach Daniela Klette gemacht. Nirgends findet sich auch nur ein einziger nachvollziehbarer kritischer journalistischer Ansatz. Scheinbar ist es so, dass es bürgerlichen Journalist*innen nur möglich sich dem Thema der RAF zu nähern, wenn sie nicht nur vollkommen unkritisch staatliche Narrative übernehmen, sondern sich noch aktiv zum Erfüllungsgehilfen der Ermittlungsbehörden machen, denn nichts anderes ist „die Suche nach Daniela Klette“.
Uns macht es wütend, dass hier Journalismus zu einem Selbstzweck verkommt, der nur auf Spannung und True Crime Blödsinn aus ist und am Ende Menschen aus dem Leben gerissen werden, die für eine bessere Welt eintreten.
Es macht uns auch wütend wenn man sich dann keiner Schuld bewusst ist und man sich ja auch irgendwie „kritisch“ den Ermittlungsbehörden gegenüber gibt, weil man sich jeder Verantwortung entziehen kann und sich selber womöglich noch für einen kritischen Journalisten hält.

Deshalb haben wir in der Nacht vom 4. auf den 5. Mai das Büro vom Studio Undone, die den podcast produziert haben, in der Manteuffelstraße 77 in Kreuzberg besucht, das Schloß verklebt und eine Nachricht hinterlassen.

Freiheit für Daniela! Freiheit für Alle!

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Ergänzungen

Good news for all us