Der Kampf gegen den Krieg erfordert den Kampf gegen den Opportunismus!
Imperialismus bedeutet Krieg, Terror und Völkermord. Die blutige Spur des sich entwickelnden neuen Weltkrieges erstreckt sich inzwischen von der Ukraine über den Nahen Osten bis Afrika. Nur naive Gemüter oder gerissene Betrüger sehen in ihm das Potential für eine demokratische Entwicklung. Die bürgerlichen Friedensappelle und die Illusionsmalerei eines friedlichen Kapitalismus, die ihr Zerrbild aus der Bezugnahme auf die sozialdemokratische "Entspannungspolitik" der 70er Jahre gewinnt, sind nichts als Betrug. Die bürgerlichen Freiheitswerte der liberalen Demokratie, mit denen das aufstrebende Bürgertum der feudalen Reaktion entgegentrat, sind schon lange einer reaktionären Staatsräson gewichen. Der entwickelte Kapitalismus hat angesichts verstopfter Märkte (perverser "Überproduktion" mit mangelnder zahlungsfähiger Nachfrage der Bedürftigen) und fehlenden friedlichen Expansionsmöglichkeiten seinem Grundgesetz von Ausbeutung, Anhäufung und Ausdehnung noch die kriegerische Vernichtung hinzugefügt.
Der moderne Krieg hat einen systemischen und einen Klassencharakter. Er dient dem Erhalt der kapitalistischen Klassenherrschaft und wird auf Kosten der Lohnabhängigen geführt. Egal, mit welchen propagandistischen Phrasen die Eroberung neuer Einflussphären, Absatzmärkte und Rohstoffquellen, die Abwälzung der Krise auf die konkurrierenden Kapitalisten und die nationalistische Formierung und klassenmäßige Liquidierung der Arbeiterklasse "begründet" wird (zur Auswahl stehen demokratische Werte, nationales Selbstbestimmungsrecht, chauvinistische Auserwähltheit...), es ist der kapitalistische Inhalt, der ihr Wesen bestimmt.
Die internationale Arbeiterbewegung hatte vor dem Ersten Weltkrieg erkannt, dass die nationalen Kriege zur Durchsetzung der Demokratie in Europa der Vergangenheit angehören. In ihren internationalen Resolutionen (z.B. Basel 1912) erklärte sie die Notwendigkeit der Verhinderung des Krieges und beim Ausbruch das Ausnutzen der Kriegskrise für den Sturz des Kapitalismus. 1914 fielen die vom Opportunismus zerfressenen Parteien der Internationale massenweise um und unterstützten die Kriegspolitik der eigenen Regierungen. Eine internationale Opposition gegen diesen Verrat formierte sich erstmals im September 1915 im Schweizer Ort Zimmerwald. Lenin vertrat dort den linken Flügel, der auf den revolutionären Sturz des Kapitalismus als einziges Ziel einer wirklichen Friedenspolitik orientierte.
"Unter fremder Flagge" heißt ein Artikel, den Lenin 1915 im Schweizer Exil geschrieben hat. Er richtet sich gegen die opportunistischen Versuche, mit pseudo-marxistischen Argumenten einen positiven Bezug auf den imperialistischen Krieg herzustellen. Diese behaupteten, man müsse diejenige Seite unterstützen, die für die vom sozialistischen Standpunkt wünschenswerten Möglichkeiten den größten Spielraum schaffen würde und verwiesen auf Marx' Unterstützung von bürgerlichen Befreiungskriegen im 19. Jahrhundert. Lenin stellte fest: "Der empörende Sophismus, das unerträglich verlogene in der Argumentation [...] liegt nun gerade darin, daß sie an Stelle der Bedingungen der heutigen dritten [imperialistischen] Epoche die Bedingungen der vorgestrigen ersten [bürgerlich-revolutionären] Epoche schieben. [...] Die internationalen Konflikte sind auch in der dritten Epoche ihrer Form nach ebensolche internationalen Konflikte geblieben wie in der ersten Epoche, aber ihr sozialer und klassenmäßiger Inhalt hat sich von Grund auf geändert. Die objektive geschichtliche Lage ist eine völlig andere geworden." (LW Bd.21, S.135ff.)
Auch heute finden sich noch etliche Opportunisten und Pseudo-Kommunisten, die aus der Epoche des Imperialismus eine Epoche der demokratischen Entwicklung konstruieren und behaupten, der Sozialismus würde evolutionär aus der demokratischen Entwicklung hervorgehen. Statt der Notwendigkeit des revolutionären Defätismus, der Verteidigung der internationalen proletarischen Klassenposition und des Bruchs mit der Bourgeoisie, predigen sie eine "differenzierte Sicht auf die Kriege". Sie sehen wahlweise in der multipolaren Konkurrenz zum US-Imperialismus oder im demokratischen Kampf gegen den Autoritarismus oder im antikolonialen Kampf für Eigenstaatlichkeit oder in konföderalistisch-demokratischen Projekten im Windschatten des Imperialismus positive Entwicklungsmomente.
Während Lenin in der oben zitierten Schrift feststellte, dass es damals keine "feudalen Hochburgen von gesamteuropäischer Bedeutung" mehr gab, an deren Schleifung bezüglich der revolutionären Entwicklung ein besonderes Interesse bestehen würde und vom Reifegrad der kapitalistischen Entwicklung ausgehend ein imperialistisches Weltsystem konstatierte, blieb es dem Antifaschismus vorbehalten, eine solche anachronistische Sichtweise wieder in der "kommunistischen" Bewegung zu etablieren und damit die Argumente für den Sozialchauvinismus im Zweiten Weltkrieg zu liefern. Für uns ist der imperialistische Krieg ein Ausdruck dafür, das der Kapitalismus historisch überholt ist, dass sich unter seinem Kommando die Produktivkräfte in Destruktivkräfte verwandelt haben und dass die Demokratie als politische Form der kapitalistischen Warengesellschaft an ihr Ende gekommen ist. Gleichzeitig ist mit der weltweit vorherrschenden Existenz der lohnabhängigen Klasse, die sich nur befreien kann, indem sie jegliches Privateigentum an Produktionsmitteln abschafft, die Grundlage für die Beseitigung dieser verkommenen Gesellschaftsordnung vorhanden. Eine Beseitigung, die revolutionär und nicht evolutionär stattfinden wird!
Angesichts eines neuen imperialistischen Weltgemetzels lehnen wir – wie schon Lenin während des Ersten Weltkrieges – jegliche Kollaboration mit der Bourgeoisie ab: "Die grundlegende Idee des Opportunismus ist das Bündnis oder die Annäherung (zuweilen Vereinbarung, Blockbildung usw.) zwischen der Bourgeoisie und ihrem Antipoden. [...] Ein Anhänger der Internationalität, der nicht zugleich der konsequenteste und entschlossenste Gegner des Opportunismus ist – das wäre ein bloßes Trugbild, nicht mehr." (LW Bd. 21, S.143ff.) Heute, wo angesichts der brutalen Konsequenzen und wirtschaftlichen Folgen des sich ausdehnenden Kriegsgeschehens wieder eine zunehmende Antikriegsstimmung sichtbar und auch von der Linken des Kapitals (mit oberflächlichen Bezügen auf Zimmerwald) artikuliert wird, sind die Lehren der Zimmerwalder Linken für den Kampf gegen den Opportunismus und gegen die Apologetik des imperialistischen Friedens besonders wichtig.
Veranstaltung:
100 Jahre "Zimmerwalder Konferenz" und der Kampf Lenins gegen den Opportunismus
am 10. Januar 2025 um 19 Uhr im RAUM, Rungestr. 20, 10179 Berlin