Polizist des Freiburger Reviers wegen Volksverhetzung verurteilt!
Am 20.11.2024 verurteilte Richterin Garcia-Cejas den 45-jährigen Polizisten Michael K wegen Volksverhetzung und der Verwendung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe von 280 Tagessätzen zu jeweils 85 Euro, das heißt, der Angeklagte soll insgesamt 23.800 € zahlen, zuzüglich der Verfahrenskosten. In einem Fall wurde Michael K. freigesprochen.
Vorgeschichte
Das Verfahren geht auf einen ehemaligen Praktikanten bei der Polizei zurück, der 2021 an seinen Vorgesetzten meldete, von einem polizeiinternen Chat erfahren zu haben, in welchem rassistische, nationalsozialistische und ausländerfeindliche Inhalte geteilt wurden. In diesem Chat namens „Feierabend“ waren ausschließlich Polizist*innen des Freiburger Reviers und dazu nur solche einer bestimmten Dienstgruppe aktiv. Im Zuge der dann folgenden Ermittlungen stieß man auf Michael K., denn der hatte rassistische und nationalsozialistische Inhalte jenes Chats an zwei andere Chats weitergeleitet. Spreewald-Rock hießen die WhatsApp Gruppen. Darin organisiert waren Menschen die „Rock-Dein-Leben“ und eben „Spreewald-Rock“ Festivals besuchten.
Der letzte Prozesstag
Am nunmehr letzten Prozesstag überraschte die Verteidigerin Dr. Fuchs aus Müllheim mit zwei Beweisanträgen, mit denen sie die absehbare Verurteilung ihres Mandanten abwenden wollte. Die lud zum einen die Gründerin der WhatsApp Gruppen zu den Festivals. Franziska K. war aus Eisenach angereist. Als sie mit ihrem Kleinkind den mit rund zwanzig Prozessbesucher*innen gut gefüllten Saal betrat, fragt das Kind „Mama, was machen wir da“.
Auf Fragen des Gerichts, wie der Verteidigung, betonte sie, niemals etwas von ausländerfeindlichen Positionen des Angeklagten erfahren zu haben. Das Gericht legte ihr Chat-Auszüge vor und sie gab sich entsetzt über deren Inhalte. Diese seien ihr aber gar nicht erinnerlich. Man sei zu Festivals gegangen, habe zu Liedern, in denen es um Liebe und ums Feiern ging, selbst gefeiert. Ja, man sei sogar mit Menschen „anderer Herkunft zusammengestanden“, habe auch mal ein Bier mit diesen getrunken. Mit der Ladung dieser Zeugin zielt die Anwältin des Angeklagten auf einen kritischen Punkt der Anklage. Dass die ganzen rechtsextremen Inhalte von Michael K. stammten, war unstrittig. Aber strafbar wäre die Volksverhetzung wie auch die Verwendung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nur dann, wenn der Angeklagte die Inhalte „verbreitet“ hätte. Es genügt dafür nicht, sie einfach in einen Chat zu posten. Es muss schon ein Chat sein, in welchem die Personen nicht durch persönliche „Kennverhältnisse“, wie das laufend genannt wurde, verbunden und miteinander vertraut sind.
So hatte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe schon alle Ermittlungsverfahren gegen die „Feierabend-Gruppe“ eingestellt, denn das waren alles Polizist*innen einer Dienstgruppe des Polizeipräsidiums Freiburg. Anders nun im Fall der Spreewald-Gruppen: dort waren Menschen zusammengewürfelt, die wohl mal zusammen auf Festivals gingen, aber wie selbst die Zeugin einräumen musste, kamen auch mal Menschen dazu die sie selbst nicht schon kannte.
Zeugin mit Migrationsgeschichte soll Angeklagtem guten Leumund attestieren
Eine weitere Zeugin, die auf Wunsch der Verteidigung aussagte, ist selbst Polizistin.
Frau E., 36, wohnhaft in Müllheim. Türkischer Migrationshintergrund. Rechtsanwältin Dr. Fuchs wollte mit Hilfe dieser Zeugin herausarbeiten, dass ihr Mandant keine ausländerfeindliche Gesinnung haben könne, sich auch nie entsprechend geäußert habe, schließlich sei er mit der Zeugin E. kollegial umgegangen und mit ihr auch Streife gefahren. Wunschgemäß beteuerte Frau E., ihr gegenüber sei der Angeklagte als Kollege stets tadellos aufgetreten, zudem habe er mit ihr einen „Volkstanz“ getanzt, als sie selbst mit sechshundert Gästen eine türkisch-kurdische Hochzeit gefeiert habe. Die „problematischen“ Nachrichten der Feierabend Chatgruppe seien ihr selbst auch nicht mehr erinnerlich. Sie sei alevitische Muslimin und müsse sich zu 100% verlassen können und dies tue sie auch. Niemals hätte sie ausländerfeindliche Chatinhalte unwidersprochen hingenommen.
Wenn im Übrigen einer negativ aufgefallen sei, dann sei das jener Praktikant gewesen, der 2021 die rassistischen aufgedeckt hatte. Dieser habe sich ihr gegenüber frauenverachtend verhalten. Hingegen sei das Auftreten des Angeklagten stets professionell und respektvoll gewesen, auch dann, wenn sie in einer Landeserstaufnahme-Einrichtung einen Einsatz hatten, wo man polizeilicherseits doch immer wisse, dass Messer im Spiel seien oder Körperverletzungen.
Letzter Zeuge- ein LKA-Beamter
Letzter Zeuge vor den Plädoyers war ein 34-jähriger Beamter des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg. Bastian G. hatte seit Anfang 2023 die Ermittlungen unterstützt, wusste aber unterm Strich auch nichts wirklich Wesentliches mitzuteilen. Die Verteidigerin versuchte herauszuarbeiten, dass ihr Mandant über sechshundert Chatnachrichten verschickt habe, aber nur 10 seien angeklagt, das zeige ihrer Ansicht nach die wirkliche „Dimension“, die zu vernachlässigen sei.
Staatsanwalt Graulich plädiert auf Haftstrafe
Nachdem auch dieser Zeuge entlassen und festgestellt wurde, dass der Angeklagte Michael K. nicht vorbestraft ist, konnte plädiert werden. Der aus Karlsruhe angereiste Staatsanwalt Graulich, zuletzt hatte er mit dem Verfahren gegen Radio Dreyeckland bundesweit Schlagzeilen gemacht, forderte eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung, sowie eine zu zahlende Geldauflage. Diese solle etwa der „Polizeistiftung“ zugutekommen.
Einleitend betonte Staatsanwalt Graulich, dass es ihm nicht darum gehe, an dem Angeklagten ein Exempel zu statuieren, er behandele diesen wie jeden anderen Tatverdächtigen auch. Ja, der Dienst auf der Straße sei hart, aber die hier angeklagten Inhalte seien rechtswidrig. Darunter Hitlergruß, Hakenkreuze, rassistische Memes und Videos, die Geflüchteten oder Migrant*innen die Menschenwürde absprächen.
Die Taten seien auch im rechtlichen Sinne „öffentlich“ begangen worden, denn im Gegensatz zu der polizeiinternen „Feierabend-Chatgruppe“, habe der Angeklagte in den beiden hier relevanten WhatsApp Gruppen nicht mit Diskretion rechnen können oder dürfen. Angemessen sei eine Haftstrafe von einem Jahr, auszusetzen zur Bewährung.
Verteidigerin fordert Freispruch in allen PunktenGanz anders die Verteidigerin. Sie forderte Freispruch. Und gleich zu Beginn ihres Plädoyers widersprach die dem Staatsanwalt: sehr wohl werde an ihrem Mandanten ein Exempel statuiert. Es sei absurd, eine Strafe von einem Jahr Haft zu fordern, das führe zu einer Entlassung aus dem Dienst, denn bei Volksverhetzung sei dies schon bei einer Strafe von Monaten vorgesehen. 40 Polizei-Kolleg*innen bekommen Einstellungsverfügungen oder kosmetische Disziplinarmaßnahmen. Eine strafrechtliche Verfolgung der „Spreewald-Gruppen“ sei nicht gerechtfertigt. Die Ehe ihres Mandanten sei zerbrochen, die Gesundheit beschädigt.
Strafrechtlich sei ihm nichts anzulasten: er habe zwar die Inhalte in die Chatgruppen gestellt, aber sich damit nicht strafbar gemacht. Denn es habe sich um geschlossene Chats gehandelt, von Menschen, die sich kennen und miteinander verbunden seien. In vielen Fällen habe es sich zudem lediglich um einen „derben Spaß“ gehandelt habe. Geschmacklos. Aber niemals „ernst gemeint“.
Angeklagter Polizist Michael K. im „Letzten Wort“
In seinem letzten Wort betonte der angeklagte Polizist, von leisen Schluchzern unterbrochen, er sei kein Extremist. Weder radikal noch rechts. Er habe gelernt, dass das Einstellen der Nachrichten in die Chats eine Dummheit gewesen sei und er bedaure zutiefst. Zudem hoffe er, seien Job bald wieder ausüben zu dürfen.
Das Urteil: keine Haft, sondern Geldstrafe
Nach einer 20-minütigen Unterbrechung verkündete die Amtsrichterin ihr Urteil. Freispruch in einem Fall und in den übrigen 9 Fällen eine Geldstrafe von zusammen 280 Tagessätzen zu jeweils 8 Euro. Es werde hier kein Exempel an dem Angeklagten vollstreckt. Und ja, es sei absurd, dass alle aus der polizeilichen Feierabend-WhatsApp Gruppe straflos davonkämen, aber so sei die Rechtslage nun mal. Der Angeklagte habe sich der Volksverhetzung und der Verwendung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen strafbar gemacht, er habe die Inhalte in rechtlichem Sinne „verbreitet“.