Todgeweihter grüßt aus der Sicherungsverwahrung!

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Eine etwas plakative Überschrift, ich weiß, aber geht es nach der baden-württembergischen Justiz, ob nun der Verwaltung der Haftanstalt oder auch der Gerichte, werde ich in absehbarer Zeit wohl eher nicht frei gelassen werden.

 

Die Vorgeschichte

 

Ich wurde 1997 zu einer langjährigen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt, nachdem ich 1996 eine Bank überfallen hatte. Die sechs Menschen in der Sparkasse waren viele Stunden der Todesangst ausgesetzt, aber körperlich schwer verletzt wurde niemand, gestorben ist gleichfalls keiner.

 

Allerdings hatte ich in der damaligen Zeit, ich saß erst in Stuttgart-Stammheim in Isohaft, später im bayrischen Straubing und von 1998 bis 2013 dann im badischen Bruchsal, meiner Aversion gegen Staat, Justiz und Politik freimütig Ausdruck verschafft, so „freimütig“, dass das Gerichte als Beleidigung und Bedrohung im strafrechtlichen Sinne (§§ 185, 241 Strafgesetzbuch) werteten und mich in mehreren Verfahren zu insgesamt fünf Jahren drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilten.

 

Was übrigens, dies nur nebenbei, die heute vielfach geäußerte Behauptung, wenn rechte Trolle im Netz Menschen beleidigen und bedrohen, und dies unter voller Namensnennung, könne man da kaum was machen, Lügen straft. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz wirklich möchten, dann sind sie ohne weiteres in der Lage, wegen Beleidigungen und Bedrohungen massiv zu reagieren. Auch mit langen Haftstrafen!

 

 

Die Haltung von Justizvollzugsanstalt und Gericht

 

In den letzten Monaten kam es immer wieder zu Äußerungen durch die Justiz und nun schrieb Dr. K., JVA Freiburg, zusammenfassend in einem Schriftsatz, dass meine – Zitat - „innerste Gedankenwelt hermetisch abgeriegelt“ sei.

 

Zwar sei ich „im Umgang mit den Bediensteten nach außen hin freundlich“, jedoch sei „davon auszugehen, dass er über ein nach wie vor erhebliches Aggressionspotential verfügt. Dass er im Unterschied zu früheren Zeiten, in denen er nahezu sämtliche Justizbediensteten, die mit ihm zu tun hatten, massiv bedroht hat, nunmehr keine Drohungen äußert, ist wohl darauf zurückzuführen, dass er aufgrund seines langjährigen Aufenthalts im Vollzug gelernt hat zu differenzieren, welche Dinge man äußert und welche man besser für sich behält, jedoch wohl nicht Ausdruck einer geänderten inneren Einstellung“.

 

Es sei „eine Entlassung zum 10-Jahreszeitpunkt im Juni 2023 unwahrscheinlich“, sollte (er) nicht „grundlegend an seiner Persönlichkeitsproblematik arbeiten“. Es sei „nicht ausgeschlossen, dass er beabsichtigt, aus der Anstalt zu fliehen“. Im übrigen sei es „ebenso denkbar, dass er sich (…) in den Besitz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen bringen möchte, um Vollzugsbedienstete zu verletzen. Nicht auszuschließen ist auch, dass er verbotene Gegenstände wie Betäubungsmittel, Medikamente oder Handy (…) zu schmuggeln versucht“.

 

Diese Zitate stammen aus einem ingeniösen Schriftsatz eines Juristen der JVA, der im Alltag seine Schriftsätze mit der Dienstbezeichnung „Erster Staatsanwalt“ unterzeichnet. Im Zusammenhang mit der „Kuchentransport-Affäre‘“ vom Frühjahr 2019, als mir ein Insasse ein Stück Kuchen in den Gefängnishof hinabpendelte und ich dann dafür eine Woche lang in einem Stahlkäfig der Sicherheitsabteilung der Strafhaft meine Hofrunden alleine drehen musste, hatte Dr. K. sich zu äußern und dabei kam es zu den zitierten Aussagen.

 

 

Nicht auszuschließen, dass ….

 

Der Konjunktiv beherrscht die Wahrnehmung und Darstellung; nicht das tatsächlich beobachtete Verhalten wird zur Grundlage, sondern die Spekulation, die Vermutung, die Hypothese darüber was bloß schon denkbar und nicht sicher ausschließbar ist. Und was ist schon definitiv ausschließbar? Laut Presseberichten soll es eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen geben, welche nicht auszuschließen vermögen, dass Bundeskanzlerin Merkel in Wahrheit von Reptilien ferngesteuert wird. Bei anderen Verwahrten beobachte ich das selbe Vorgehen. Es wird zurückgegriffen auf Verhalten von vor 10, 15, 20 oder gerne auch 30 Jahren, welches dann als Beleg dafür zu dienen hat, was künftig denn alles „nicht auszuschließen“ sei, was jemand möglicherweise zu tun in der Lage sei.

 

Gemessen daran, brauche ich mir für 2023 keine Unterkunft außerhalb der Mauern suchen, denn selbstverständlich ist niemals irgendeine dieser Befürchtungen, die die Anstalt und Gerichte in den Raum werfen, „sicher auszuschließen“ - denn um einen solchen Schluss sicher ziehen zu können, muss der Insasse schon tot sein. Erst dann wären all die Befürchtungen empirisch „sicher“ auszuschließen!

 

In meinem Fall genügen auch zwanzig Jahre halbwegs angepasstes Verhalten nicht für eine günstige Prognose. So wird an anderer Stelle bemängelt, ich würde mich nicht von meinem strafrechtlichen Vorleben distanzieren. Ich zeigte keine Reue. Es genüge mitnichten, dass ich die körperlichen und seelischen Belastungen der sechs Menschen in der Bank anerkennen würde. Reue sei etwas „gänzlich anderes“.

 

Zudem seien doch in den letzten 20 Jahren, wie mein Beschwerdeverhalten nachdrücklich belege, sicherlich viele Punkte hinzugekommen, die meine damals geäußerte Aversion gegen den Staat geradezu verstärkt haben müssten. Auch dies sei nicht hinreichend sicher ausschließbar.

 

 

Was hülfe Solidarität durch Forderung meiner Freilassung von „draußen“?

 

Für die Moral und das seelische, wie auch das materielle Überleben in der Gefangenschaft ist Solidarität ungemein wertvoll und hilfreich. Andererseits bin ich Pragmatiker, andere würden sagen Pessimist. Nach meinen Erfahrungen mit der Justiz halte ich deshalb etwaige Proteste für wenig Erfolg versprechend, dann zu groß scheint die Sorge in der Justizverwaltung zu sein, ich könnte so was wie ein „Schläfer“ sein. Oder wie ein Beamter vor wenigen Wochen zu mir meinte, unter Hinweis auf die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten durch einen Rechtsextremen: Wer weiß denn schon, ob ich nicht ein ähnlicher Typ sei, nur eben von der „anderen politischen Richtung“. Klar! Was ist schon „sicher ausschließbar“ solange der gefangene Körper noch selbst atmet und denkt!? Man würde es sicherlich in der Justiz als Zumutung erleben, wenn es Protestbriefe oder Forderungen nach Freilassung geben würde, aber man würde dies vermutlich einfach aushalten, denn dieser Preis erschiene ihnen geringer, als das beschriebene Risiko. Mag dieses auch noch so gering sein, die persönlichen und politischen Folgen, sollte sich das Restrisiko dann doch verwirklichen, wären ihnen ungleich unerträglicher.

 

Das erleben auch andere Insassen hier. Mit fast jeder Entscheidung über deren Fortdauer der Sicherungsverwahrung erleben sie, wie sie festgehalten werden an Verhalten, das mitunter Jahrzehnte zurück liegt und als Beleg für künftige Taten herhalten muss. Zuletzt beantragten hier deshalb mehrere Verwahrte die Genehmigung für die Versorgung mit Pentobarbitural, eines in Überdosis tödlichen Medikaments. Denn ihnen kommt die Haftsituation unerträglich vor. Zu dem Mituntergebrachten Herrn B. kam dann immerhin nach rund einer Woche dessen Stationspsychologe G. und befragte diesen, ob er denn Suizidgedanken hege (Psychologe G. ist vielleicht manchen noch bekannt aus „Der alltägliche Vollzugswahnsinn in der Freiburger Sicherungsverwahrung“ von Juni 2019, als er und eine Kollegin einen Insassen über Stunden beim Grillen betreuten).

 

 

Ausblick

 

Und so werde ich weiterhin aus dem geschlossenen Vollzug der Sicherungsverwahrung in Freiburg über die kleinen und großen Dramen, Begebenheiten und Geschehnisse berichten können und müssen, anstatt vor den Mauern in den Alltag zurückfinden zu dürfen. Letzteres wäre schon schöner und ich werde darum streiten und kämpfen, auch wenn die Aussichten bescheiden sein mögen; aber die Wirkmacht zu überschätzen, das ist nicht (mehr) mein Ding.

 

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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