Panoramafreiheit im Internet

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Beim Urheberrecht im Internet fehlt eine Panoramafreiheit und Uploadfilter sind Täterschutz. Das muss nicht zwangsläufig so sein. Eine Panoramafreiheit im Internet ist möglich. Die Abschaffung der Uploadfilter ist möglich.

(Im Artikel gilt Genus und kein Sexus)

Das (deutsche) Urheberrechtsgesetz wurde in den letzten Jahren mehrmals angepasst, an das Internet. Viele werden sich an das "Neuland" von Angela Merkel erinnern. Auch wenn der Begriff eher skuril klang, ist er gar nicht so falsch. Es ist jedoch auszugehen, dass Merkel nicht wusste was da wahres dran ist. Domain-Namen wie indymedia.org sind virtuelle Adressen, ähnlich Briefkastenfirmen. Zu diesen virtuelle Adressen (können) virtuelle Grundstücke (Domäne) gehören, ähnlich wie beim Erbpachtrecht. Diese virtuellen Grundstücke werden Website genannt. Eine falsche Übersetzung ist "Webseite", was eine Webpage ist, also ein (meist) HTML Document, eine Hauptseite oder eine Unterseite (Ausnahmen stelle sogenannte One-Pager dar, bei der die Website aus einer einzigen Webpage besteht). Englisch "site" ist im Deutschen "Grundstück". Es wird wie folgt unterschieden:

unter der Domain = unter der Adresse.
auf der Website = auf dem Grundstück.
(auf der Webpage = auf der Webseite).

Das Internet ist ein modernes Kommunikationsmittel. Historische Kommunikationsmittel sind Straßen und Wege. Vor gar nicht all zu langer Zeit wurde bei Straßen noch von "communication" gesprochen. Einige wenige, meist Verbindungsstraßen, tragen heute noch den Namen "Kommunikation" (einfach mal in einer virtuellen Landkarte die Suche benutzen). Die ersten Handelsstraße (via regia, via imperii) waren dem Gemeingebrauch gewidmet. Noch heute ist diese Praxis in den Straßenordnungen der Bundesländer in Verwendung. Hiermit wird zugleich die Verbindung zwischen (deutschen) Urheberrechtsgesetz und (deutschen) Straßenordnungen hergestellt. Die im (deutschen) Urheberrechtsgesetz erwähnten "Straßen, Wege und Plätze" werden nicht in selbigen beschrieben, sondern in den Straßenordnungen der Bundesländer. Die "Straßen, Wege und Plätze" im (deutschen) Urheberrechtsgesetz sind die in den Straßenordnungen der Bundesländer dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen, Wege und Plätze. Die sogenannte Straßenwidmung. Diese ist gleich dem Begriff "gemeinfrei". Die dem Gemeingebrauch gewidmeten Straßen, Wege und Plätze sind gemeinfrei, also deren Benutzung ist für das gemeine Volk vorgesehen, mit sogar einem gewissen Zwang (zumindest historisch), sowie die Benutzung frei. Das änderte sich mit der Einführung von Chausseen (anfangs Staatschausseen, später Kreischausseen). Diese wurden mit Schlagbäumen versehen, an denen das Chausseegeld eingenommen wurde, also eine Benutzungsgebühr ähnlich der heutigen Maut. In Städten innerhalb der Stadtmauern gab es Pflasterzoll.

Lexikon 1788: "... lassen sich die Straßen⸗ und Wege in verschiedene Classen eintheilen. Sie gehn entweder von einem Acker oder Forst, von einem Dorfe oder auch kleinen Stadt zur andern. Das sind nun theils Feld, Wiesen, Dorf, Holz⸗ und Heyde, oder Gemeine Stadt, überhaupt Communications-Wege, welchen in den Städten die Gassen als die kleineren abgelegenen Passagen beykommen. Oder sie gehn von einer Manufactur⸗ und Marktstadt zur andern, so sind es Commercial⸗Straßen, wohin auch die Poststraßen gehören. Drittens, Haupt⸗ und Landes⸗ oder Heerstraßen, die durch und auf die Haupt⸗ oder vorzüglichste Handelsstädte durch die Kreise und Provinzien in die Haupt⸗Directionen geführt werden."
- Hauptstraße
- Landesstraße
- Heerstraße
- Poststraße
- Commercial-Straße
- Communications-Wege
- Communications-Straße
Quelle: Beyträge zur Finanz-Gelahrheit überhaupt, vorzüglich in den Preussischen Staaten. 1788. I. Ueber den Straßenbau und die Wegeordnung. Verglichen mit dem Chursächsischen Reglement, und angewendet auf einen Chaussee-Weg von Berlin nach Potsdam. (bei Google Books verfügbar)

Dass die Bezeichnung »Straßen, Wege und Plätze« im (deutschen) Urheberrechtsgesetz eine Verbindung zur Straßenwidmung in den Straßenordnungen der Bundesländer erfordert, ist nur wenigen bekannt. Denn die Straßenwidmung kann auch partiell und zeitlich begrenzt aufgehoben werden, wie das meist bei Bauarbeiten mit Vollsperrung der Fall ist. Dann gilt dort auch keine Panoramafreiheit mehr. Es ist zu beachten, dass es auch noch weitere Straßenwidmungen gibt, die den Gemeingebrauch ausschließen oder nur partiell und zeitlich begrenzt zulassen. Das ist unter anderem der Fall bei Friedhöfen, die zu Öffentlichen Grünanlagen gewidmet wurden. Dort gilt zudem eine eigenständige Park- oder Friedhofsordnung, anstatt die Straßenverkehrsordnung.

Was bisher bei der Gestaltung des (deutschen) Urheberrechtsgesetzes nicht beachtet wurde ist die Panoramafreiheit. Diese wurde vollkommen und grundlegend ausgeschlossen. Hingegen wurde ein Uploadfilter eingeführt. Uploadfilter bedeutet, dass User auf Plattformen weitestgehend anonym alles hochladen können, und eben auch urheberrechtlich geschützte Werke. Die Plattformen müssen nur einen Formular zur Meldung von Urheberrechtsverletzungen (Copyright infringement) bereitstellen. Sie sind im ersten Schritt nicht gezwungen Informationen über den Uploader mitzuteilen. Der Uploader bleibt anonym. Wenn gegen den Uploader vorgegangen werden will, muss die Plattform zur Herausgabe der Informationen des Uploaders dazu gerichtlich aufgefordert werden. Alternativ kann auch die Plattform direkt verklagt werden. Die Formular zur Meldung von Urheberrechtsverletzungen (Copyright infringement) sind diesbezüglich nur ein Gimmick, mit dem urheberrechtsverletzenter Content schnellstmöglich beseitigt wird (wobei meist nur die Veröffentlichung zurückgezogen, aber nicht gelöscht wird). Es müssen vorher auf jeden Fall durch einen Anwalt Screenshots und auch Quelltexte der Veröffentlichung gesichert werden.

Mit den Uploadfiltern und den Formularen zur Meldung von Urheberrechtsverletzungen (Copyright infringement) werden die Täter (Uploader) geschützt. Uploadfilter filtern nur den Content, also verhindern nur das Hochladen des Contents, der in den Uploadfiltern bereits vorhanden ist. Das bedeutet, dass Urheber ihre Werke bei den Plattformen, die Uploadfilter betreiben müssen, einreichen müssen, weil sie ansonsten nicht im Uploadfilter vorhanden sind und folglich nicht gefiltert werden können. Dieser Aufwand ist Betreibern von privaten Websites zu hoch. Die Plattformen antworten darauf: Dann bist du selbst schuld.

Aktuell wird medial gegen eine im Grunde korrekte Aussage gewettert, weil sie den Neuland-Regelungen der letzten Jahre widerspricht. Das macht sie deswegen nicht falsch. Vielmehr geht sie die Angelegenheit grundlegend an. Aber auch ihr fehlt es an einer Basis, von der plausibel ausgegangen werden kann. Die Aussage, gegen die gewettert wird, wurde allerdings falsch verstanden. Denn im Grunde verbirgt sie eine Internet-Piraterie, die schon längst nicht mehr von (illegalen) Filesharern betrieben wird, sondern eine Lobby der Großkonzerne wie Alphabet ist.

Die Aussage stammt von Mustafa Suleyman (KI-Chef bei Microsofts). Gegen was gewettert wird ist seine Aussage, dass seit den 1990ern jeglicher Content im frei einsehbaren Internet eine Art Freeware ("fair use") sei, die von jeder Person frei genutzt werden kann. Aber diese Aussage wurde aus dem Kontext gerissen, um gegen sie zu wettern. Denn die tatsächliche Aussage verbindet diese Teil-Aussage mit der Indexierung von Websites/Webpages/Content für Suchmaschinen, sowie dem Scrapen und Crawlen derselben. Heutzutage werden Websites und ihr Content nicht nur zur Suchmaschinen-Indexierung von Robos aufgerufen, sondern auch von vielerei weiteren Firmen, die zum Beispiel die Sicherheit einer Website überprüfen und sie danach in einem Ranking einstufen. Und es gibt auch jede Menge Hacker, die per Robots Websites nach Schwachstellen durchsuchen.

Bei der Indexierung des Contents von Websites gab es in den letzten Jahren immer weitere Anmaßungen seitens der Suchmaschinen-Betreiber. Bei Google Images/Bilder werden Images/Bilder nicht mehr indexiert (also eine kleiner Version bei Google gespeichert), sondern die Content-Anbieter müssen diese per Hotlinking zur Verfügung stellen. Damit wurde Google Images/Bilder selbst zu einem Content-Anbieter, der Dritt-Content verwendet. Dagegen gab es bisher keinerlei Widerstand. Wer Hotlinking untersagt, der erscheint nicht mehr in den Suchergebnissen. Ohne Indexierung ist es keine Suchmaschine mehr, sondern ein Content-Anbieter.

Exakt dies, dass Website-Betreiber, eine Indexierung oder auch nur ein Hotlinking — oder wie zuletzt vorgehabt, dass jeglicher Content von Suchmaschinen und anderen Crawlern und dergleichen direkt verwendet werden darf — untersagen, wurde mit der Aussage verknüpft, dass davon ausgegangen wird, dass jeglicher Content Freeware sei, bzw. Maßnahmen dagegen eine Grauzone wären, die es gerichtlich anzufechten gelte. Das ist ein Angriff gegen das (deutsche) Urheberrechtsgesetz.

Im (deutschen) Urheberrechtsgesetz wird geregelt, wie Content frei verwendet werden darf. Das betrifft die Regelungen für Bildung und Wissenschaft sowie das Zitaterecht und auch die künstlerische Verwendung. Diesbezüglich ist bereits alles geregelt. Betreffend Suchmaschinen sowie Crawlern für AI/KI gilt dies ebenso, dass diese nur Teile von einzelnen Content, aber nicht den gesamten Content verwenden dürfen. Dies ist in der Regelung zu Datenbanken verfasst. Datenbanken dürfen nicht ohne Genehmigung des Urhebers komplett verwendet / kopiert / veröffentlicht werden. Ausnahme: Zur Indexierung (Suchmaschinen).

Die global Player im Internet haben mittlerweile so viel Macht, dass sie ihre Ziele offen mitteilen können. Die meisten verstehen sie sowieso nicht, oder nehmen sie nicht ernst, weil sie ihnen zu utopisch klingen. Es ist geplant, dass das gesamte Internet unter der Domain google . com erreichbar ist, so dass die Domain nicht mehr verlassen wird / werden muss. Das ermöglich, dass das Surfverhalten der Internetuser von dieser Firma komplett überwacht werden kann. Bei Facebook ist es in einigen Ländern schon ähnlich, dass dieser Firmenname als Synonym für Internet verwendet und begriffen wird. Die Domain facebook . com wird nicht mehr verlassen. Das ist ähnlich den um das Jahr 2000 weit verbreiteten AOL-CD Software. Mit der Software konnte das Internet genutzt werden, aber nur innerhalb dieser Software. AOL stand somit als Synonym zu Internet. Damals gab es eine Kampagne "No More AOL CDs".

Der frei einsehbare Content wird "offenes Web" genannt und ist all der Content, der ohne Login und ohne Hack einsehbar ist. Also der Content, der in frei einsehbare Web-Documents eingebunden ist.
Das "offenen Web" ist hier zu verstehen als die Straßen, Wege und Plätze im (deutschen) Urheberrechtsgesetz.
Das "offenen Web" ist hier zu verstehen als dem Gemeingebrauch gewidmet (gemeinfrei).
Aber, auch auf öffentlichen Straße gibt es eine Straßenordnung und eine Straßenverkehrsordnung, sowie in Parks Parkordnungen. Und so gibt es auch bei der "Kommunikation" im Internet Ordnungen. Diese sind jedoch bisher nur mehr oder minder ein Selbstverständnis und kein Gesetz. Weil nur Selbstverständnis, wird versucht, dies zum eigenen Gunsten zu verändern.

Content, der erst nach einem Login einsehbar ist, ist nicht dem Gemeingebrauch gewidmet (gemeinfrei). Nach einem Login einsehbarer Content ist gleich den Räumen und Werken »in« einem Museum. In einem Museum gilt die Panoramafreiheit nicht.

Wenn über ein Urheberrechtsgesetz über das Internet nachgedacht wird, muss auch über eine Panoramafreiheit im Internet nachgedacht werden. Erst damit werden die tatsächlichen Probleme ersichtlich, die möglich nicht lösbar sind.

In Deutschland muss jede Person, die eine private Website betreibt, die gesellschaftlich relevanten Content beinhaltet, Kontaktdaten, also Name, Adresse, Email und Telefonnummer in einer sogenannten "Anbieterkennzeichung" (meist im Impressum) angeben. Betreiber von privaten Websites, die ebenso eine Art Uploader sind, sind nicht anonym. Uploader auf Plattformen können anonym aggieren. Was es also benötigt ist nicht eine Uploadfilter-Regel, sondern eine Anbieterkennzeichnung von Uploadern. Wer Content nicht nur empfängt, sondern auch bereitstellt (uploaded), muss seine Daten preisgeben. Das beruht auf dem Prinzip von Radio und Fernsehen. Sender müssen ihre Daten preisgeben. Empfänger nicht. Uploader sind eine Art Sender.

Bei der Panoramafreiheit und dem Upload ist das (deutsche) Urheberrechtsgesetz insoweit zu beachten, was die Nennung des Urhebers und der Quelle betrifft. Quellenangabe ist immer Pflicht. Nennung des Urhebers ist rechtlich (leider) eine Auslegungssache. Ein Urheber kann die Nennung verneinen. Ob dieser das aktiv oder passiv tun kann/muss, ist ein ungeschriebenes Gesetz. Einige legen dies so aus, dass der Urheber nur dann erwähnt werden muss, wenn dieser dies aktiv wünscht, ansonsten nicht. Die Beseitigung von Urheber-Angaben (zB als Wasserzeichen in einem Foto) ist hingegen rechtswidrig.

Erst mit dieser Denkweise kann über ein anonymes aggieren im Internet nachgedacht werden. Das Recht auf Anonymität gilt uneingeschränkt für reine Empfänger. Dies ist zumindest in Deutschland bereits gesetzlich festgelegt. Das Recht auf Anonymität von Sendern, also Uploadern, gilt nur über den Weg des Quellenschutzes im Presserecht. Dieses müsste dementsprechend an das Internet angepasst werden, was Plattformen betrifft. Allerdings sollte dies nicht zu einer Ausweitung/Aushöhlung des Presserechts führen.

Eine Panoramafreiheit im Internet gilt nur für direkt einsehbaren Content. Dazu zählt auch der Quelltext. Nicht dazu zählt der Content, der nur nach einem Login sichtbar ist.

Es ist an der Zeit, dass das Internet dem Gemeingebrauch gewidmet wird.

Eine Panoramafreiheit im Internet ist möglich.
Die Abschaffung der Uploadfilter ist möglich.

(gemeinfrei)

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