Neuaufstellung in Hamburg (Antifa Waterkant)

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»Waterkant-Antifa« im Aufbau: Arbeit über Viertel- und Stadtgrenzen hinaus und vernetzt mit bestehenden Gruppen

In Hamburg kommt es in diesen Tagen zu einer Umstrukturierung und Neuaufstellung unter antifaschistischen Aktivisten, die aufhorchen lässt. Unter dem Namen »Waterkant-Antifa« wird derzeit eine Gruppe aufgebaut, die neue Wege gehen und sich dabei bewusst von althergebrachten Konzepten absetzen will. »Die Welt wandelt sich und die Zeit der autonomen Antifagruppen, wie man sie aus den 90er kennt, die gegen Bomberjacke- und Springerstiefelnazis kämpfen, scheint vorbei«, erklärte Nikita Henning, Aktivist der Gruppe, am Montag gegenüber junge Welt.

In einem Text über ihr Selbstverständnis fasst die Waterkant-Antifa ihre Orientierung so zusammen: »Wir verstehen unser Engagement als explizit dezentral ausgerichtet, nicht auf unser Viertel oder unsere Stadt bezogen, um dort zu sein, wo antifaschistische Arbeit nötig und unterrepräsentiert ist.« Vernetzung, Unterstützung und Solidarisierung mit bestehenden Gruppen sei von großer Bedeutung für aktive und effektive antifaschistische Arbeit über Viertel- und Stadtgrenzen hinaus.

Raus aus dem Szenekiez

Die Gefahr von rechts sei keineswegs kleiner geworden, im Gegenteil, wie etwa die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zeigten. Rechtes Gedankengut greife immer weiter aus in die bürgerliche Mitte. Dabei würden »die Schwächsten in unserer Gesellschaft« von der Politik immer wieder »als Sündenböcke missbraucht«, tagtäglich würden Geflüchtete oder Linke von Neonazis angegriffen. Die neue Gruppe will deshalb »einen klassenbewussten und revolutionären Antifaschismus auf die Straße tragen«, wie Henning betonte: »Wir wollen den Faschisten aktiv die Straße nehmen.«

Deutliche Kritik übte der Aktivist an einem Antifaschismus, der sich in »einem reinen Lifestyle« erschöpft, »bei dem es ausreicht, das korrekte Shirt zu tragen oder die richtige Musik zu hören«. Leider registriere man »gerade in Blasen, wie sie in Hamburg existieren«, diese Haltung immer mehr. Aber schaue man dann in die Randbezirke, sehe man, wie sich Faschisten in Fußballvereinen, an Bahnhöfen, Kiosken oder in Kleingärten breit machten. Weil sie kaum Gegenwehr bekämen, würden sich Neonazis zunehmend organisieren. Die Waterkant-Antifa wolle versuchen, »den Szenekiez zu verlassen« und da aktiv werden, wo die Probleme »wirklich real« sind, erklärte der Aktivist weiter – in den Vororten, im Speckgürtel von Hamburg und in den ländlichen Regionen. Es gelte, »raus aus der Komfortzone zu kommen und die Problem anzupacken«. Dazu gehöre, Neonazis ihre Rückzugsorte streitig zu machen.

Organisieren und politisieren

Die neue Gruppe deckt ein breites Spektrum der Gesellschaft ab, Schüler und Studenten finden sich dort ebenso wie Fabrikarbeiter und Büroangestellte. Die meisten hätten bereits Erfahrungen in politischer Arbeit, zum Beispiel in der Gruppe »G 20 entern«, gesammelt, sagte Henning. Aber natürlich seien auch Politneulinge willkommen. Wichtig sei, »die Menschen aus den Arbeitervierteln, Vororten oder ländlichen Regionen zu organisieren und sie zu politisieren«, also diejenigen, die »tagtäglich von diesem System ausgebeutet und an den Rand gedrängt werden«. Diese hätten ein wirkliches Interesse, »sich gegen dieses System und seine Kampfhunde« zur Wehr zu setzen.

Erste Aktionen hat die Waterkant-Gruppe bereits geplant. So will man zeitig auf eine Demonstration aufmerksam machen, die von der faschistischen Kleinpartei »Die Rechte« für den 1. Mai 2020 im Stadtteil Nettelnburg im Bezirk Bergedorf angemeldet wurde. Dazu soll es regelmäßige Kundgebungen im Bezirk geben, die erste findet am 5. Oktober am S-Bahnhof Nettelnburg statt. Die Flugblätter dafür will die Gruppe nicht nur in deutsch erstellen, sondern auch in russisch, türkisch und englisch, da Bergedorf migrantisch geprägt ist.

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