Wenn der Leitfaden versagt. Habt Mut, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen!

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In Düsseldorf/Köln aktualisiert sich auf traurige Weise unsere Moralbroschüre. Alles begann mit dem Outing eines ihrer Mitglieder durch die IL, mit der Begründung, dass er Teil eines sexistischen Männernetzwerks in Köln gewesen sei und Bilder vom Sex mit einer Betroffenen ins Netz gestellt habe. Mittlerweile bestehen so große Zweifel an den Inhalten des Outings und den konkreten Vorwürfen, dass die IL es zurücknehmen musste. Es laufen Strafverfahren wegen Verleumdung und es sind Vorwürfe gegen einen anderen Mann in Düsseldorf im Raum, er habe die Existenz des Männernetzwerks erfunden.

In die verfahrene Situation in Düsseldorf wollen wir mit unserer Intervention nicht noch mehr Dreck hineinwerfen, aber wir finden, dass es Zeit ist, einen politischen Umgang mit dem Geschehen zu finden und sich nicht wegzuducken, wenn es um relevante Fragen für uns alle geht: Wie gehen wir mit sexualisierter Gewalt um? Wie wichtig ist Aufklärung dabei? Was wäre eine echte Option für die Frauen und wie kommen sie aus dem Opferstatus raus und hinein ins Handeln? Nach unserer Erfahrung in der linken Szene wiederholen sich bestimmte Muster, so auch hier in Düsseldorf.

Dabei haben wir eigene politische sowie ethische Ansprüche, die wir hiermit geltend machen und verlagern nicht die Verantwortung auf die Betroffene. Deshalb haben wir sie nicht gefragt, wie sie das findet und was ihre Ideen dazu sind.

Insbesondere zwei Punkte stechen uns ins Auge. Zum einen gibt es einen nervösen Finger beim Outen und zum anderen fühlt man sich nicht in der Lage, die Wahrheit herauszufinden. Es ist bis heute nicht klar, ob es dieses Männernetzwerk wirklich gibt. Dabei geht es uns nicht darum eine sachliche Untersuchung zu machen, um der Untersuchung willen, sondern darum, dass es für Frauen notwendig ist zu wissen, ob sie von ihren Genossen hintergangen werden. Ebenso wichtig ist es zu wissen, ob der Verfassungsschutz (VS) involviert ist. Schließlich ist doch unsere Handlungsmacht davon abhängig, dass der VS oder gewalttätige Männer nicht in unseren Reihen sind. Es ist für Frauen, sowie für die ganze linke Szene nötig das Wissen zu erlangen, um Schritte dagegen unternehmen zu können. Nicht daran zu glauben, dass man es aufklären kann, ist eine inakzeptable Resignation und grenzt an Kapitulation vor den machistischen Verhältnissen sowie dem Polizeistaat.

Wir fragen uns, ob die Tendenz durch die Entwicklung eines Leitfadens zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, basierend auf der Definitionsmacht, vielleicht zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Dabei wollen wir nicht die positive Intention des Leitfadens in Frage stellen, sondern die Entwicklung kritisch ins Auge fassen. Wir sehen, dass sexualisierte Gewalt zu einer Glaubensfrage oder noch viel mehr zu einem Geschmacksurteil verkommen ist. Die Betroffene muss sich selten erklären, sodass es häufig auf einer Ebene der Gerüchte bleibt. Dann kann man sich auf die Seite der Betroffenen stellen oder auf die Seite des Täters, oder die bequemste Seite wählen, nämlich keine. Dabei kann man sich immer auf den Leitfaden berufen, der einem schließlich die Verantwortung abnimmt. Getreu nach dem Motto: Durch gute Regeln besiegen wir das Patriarchat. Wenn man bei der Aufklärung versagt, dann ist der Leitfaden schuld, der einem schließlich kein Tool dazu bereitgestellt hat. Somit führt diese Technokratie des Leitfadens zu einer kollektiven Ohnmacht.

Auch wenn die Betroffene sich nicht in einem ständigen Kreuzverhör wiederfinden sollte, so sind wir doch davon überzeugt, dass Ausschlüsse, Outings etc. auf einer irgendwie gearteten, objektiven Basis stehen sollten und nicht auf moralisch aufgeladenen Gerüchten. Insbesondere in diesem Fall, in dem der VS seine Finger im Spiel haben könnte und so viele Frauen überregional davon betroffen sein könnten, fragen wir uns, wieso noch keiner auf die Idee gekommen ist, die Computer zu beschlagnahmen, um der Sache auf den Grund zu gehen. Dass in Düsseldorf sowohl nichts Handfestes passiert als auch nichts politisch diskutiert wird, kann einem auf den Gedanken bringen, dass es darum geht, nur Zeit zu schinden, bis die ganze Sache in Vergessenheit gerät. Das stinkt doch gewaltig nach Parteilogik. Alles muss der Gruppe, dem Linken Zentrum, der Partei untergeordnet werden, selbst wenn es so bedrohlich ist, wie der VS. Es gibt kein weiter so. Kein Zurück zu der Tagesordnung bis nicht geklärt ist, was da passiert ist.

 

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