Musk vs. Breton: EU-Kommission bleibt trotz wüster Beschimpfungen auf X

<p>Die EU-Kommission wirft dem sozialen Netz X vor, gegen den Digital Services Act zu verstoßen. Dennoch bespielt sie den umstrittenen Online-Dienst von Elon Musk weiter mit Inhalten – auch mit bezahlten Anzeigen. Daran dürfte sich vorerst nichts ändern.</p>
<figure class="wp-caption entry-thumbnail"><img width="860" height="484" src="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... class="attachment-landscape-860 size-landscape-860 wp-post-image" alt="" decoding="async" loading="lazy" srcset="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 860w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 1200w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 380w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 1536w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 2048w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 660w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2024/08/imago479656842-scaled-e172... 160w" sizes="(max-width: 860px) 100vw, 860px" /><figcaption class="wp-caption-text">EU-Kommissar Thierry Breton legt sich immer wieder im Namen der EU mit Elon Musk an. <span class='media-license-caption'> &#8211; Alle Rechte vorbehalten <a href="https://www.imago-images.de/st/0479656842" >IMAGO / Andreas Franke</a></span></figcaption></figure><p>Die EU-Kommission hat offenbar keine Absichten, das soziale Netz X zu verlassen. Viele EU-Kommissar:innen pflegen dort ihren persönlichen Auftritt, zudem schaltet die Kommission auch bezahlte Anzeigen. &#8222;X ist eines der sozialen Netzwerke, das die Kommission in ihrer täglichen Kommunikation nutzt, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen&#8220;, teilt eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage mit.</p>
<p>Schon eine ganze Weile gibt es Reibereien zwischen Brüssel und dem sozialen Netz. Spätestens seit der US-Milliardär Elon Musk das früher <a href="https://netzpolitik.org/2022/elon-musk-twitter-uebernahme-wird-zum-praez... genannte Unternehmen übernommen</a> und die Kommission seit dem Digital Services Act (DSA) die <a href="https://netzpolitik.org/2023/liste-der-eu-kommission-das-sind-die-sehr-g... über den Online-Dienst</a> innehat, knirscht es gewaltig.</p>
<p>Der DSA macht insbesondere sehr großen Anbietern wie Facebook oder X <a href="https://netzpolitik.org/2024/digital-services-act-welche-regeln-fuer-onl... Reihe an Auflagen</a>. Das soll systemische Risiken abfedern helfen, die potenziell von den Online-Diensten ausgehen.</p>
<h3>Kommission untersucht Verstöße gegen DSA</h3>
<p>Gegen einige der Auflagen hat X der EU-Kommission zufolge verstoßen, schon seit Dezember läuft eine Untersuchung. Demnach habe der Anbieter die Vorgaben bezüglich irreführender &#8222;Dark Patterns&#8220;, Transparenz von Werbung sowie Datenzugang für Forschende nicht ausreichend oder gar nicht umgesetzt, heißt es in jüngst veröffentlichten <a href="https://netzpolitik.org/2024/vorlaeufiges-ergebnis-x-twitter-verstoesst-...äufigen Ergebnissen der Prüfung</a>.</p>
<p>&#8222;Wir haben ein formelles Verfahren gegen X gemäß dem Digital Services Act laufen, das jedoch nichts mit der Verwendung von X durch die Kommission zu tun hat&#8220;, sagt die Kommissionssprecherin.</p>
<p>Manche Kommissionsmitglieder, darunter der maßgeblich für die DSA-Durchsetzung verantwortliche Thierry Breton, machen keinen Hehl daraus, den Anbieter hochproblematisch zu finden – oder zumindest versuchen sie, das der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen. Wiederholt <a href="https://x.com/ThierryBreton/status/1811811489889517697">legte sich Breton mit Musk</a> an, immer wieder auch auf dem zur rechtsradikalen Spielwiese umgebauten Online-Dienst des US-Unternehmers.</p>
<h3>Weiter posten trotz Rechtsruck</h3>
<p>Vorläufiger Höhepunkt war ein offiziell wirkender Brief an Musk, den <a href="https://x.com/ThierryBreton/status/1823033048109367549">Breton am Montag ausgerechnet auf X</a> veröffentlichte. Im Vorfeld eines <a href="https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/usa-wahlkampf-trump-musk-100.h...ächs zwischen Musk und Donald Trump</a>, dem republikanischen Kandidaten für die US-Präsidentschaft, erinnerte der EU-Kommissar an die EU-Regeln: Das Recht auf Meinungsfreiheit sei abzuwägen gegen Gefahren, die von ungebremsten Aufrufen zu Gewalt oder Desinformation ausgehen würden.</p>
<p>Zuletzt hatten von Rechtsextremen gestreute <a href="https://taz.de/Rechte-Krawalle-in-Grossbritannien/!6029335/">Falschnachr... in sozialen Medien zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Asylsuchende</a> in Großbritannien beigetragen. Sowohl Trump als auch Musk hatten in der Vergangenheit bewiesen, sich ähnlicher Taktiken zu bedienen – Musk hatte etwa letzte Woche von einem <a href="https://x.com/elonmusk/status/1819933223536742771">&#8222;unvermeidlichen Bürgerkrieg&#8220;</a> gesprochen, als vermeintliche Folge von <a href="https://x.com/stclairashley/status/1819897308265214404">&#8222;Massenmig... und offenen Grenzen&#8220;</a> in Großbritannien und anderswo.</p>
<p>Aus dem offen zur Schau gestellten Rechtsruck von X, den Musk gleich nach seiner Übernahme des Unternehmens durch die <a href="https://netzpolitik.org/2022/twitter-amnestie-elon-musk-holt-die-rechtse... von zuvor gesperrten rechtsextremen Accounts</a> eingeleitet hatte, zogen viele <a href="https://netzpolitik.org/2023/twitter-x-wissenschaft-und-politik-wenden-s... und institutionelle Nutzer:innen</a> die Konsequenz, zu anderen Anbietern zu wechseln. Auch netzpolitik.org hatte sich <a href="https://netzpolitik.org/2024/x-odus-wir-verlassen-twitter/">im Frühjahr entschieden</a>, das soziale Netzwerk nicht weiter mit Inhalten zu versorgen.</p>
<h3>Kommission lässt Breton hängen</h3

Diesen Schritt haben die EU-Kommission sowie Thierry Breton offensichtlich immer noch nicht gesetzt – trotz teils wüster Beschimpfungen. So hatte Musk den Brief des EU-Kommissars <a href="https://x.com/elonmusk/status/1823076043017630114">mit einem Meme beantwortet</a> und ihn aufgefordert, sich &#8222;selbst ins Gesicht zu ficken&#8220;.</p>
<p>Darauf angesprochen, will sich die Kommission nicht dazu äußern. Ohnehin habe Breton mit seinem Brief auf eigene Faust gehandelt: &#8222;Der Zeitpunkt und Wortlaut des Schreibens wurden weder mit der Präsidentin [Ursula von der Leyen] noch mit dem Kollegium der Kommission abgestimmt oder vereinbart&#8220;, hieß es in einem <a href="https://audiovisual.ec.europa.eu/en/video/I-259955?lg=EN">gestrigen Presse-Briefing</a> – eine diplomatische Spitze gegen den jüngst <a href="https://netzpolitik.org/2024/eu-kommission-frankreich-schlaegt-thierry-b... zum EU-Kommissar nominierten Franzosen</a>.</p>
<p>Ob Breton nach diesem Affront weiter auf X bleiben und dem Anbieter so zu Relevanz verhelfen wird, bleibt vorerst offen. Seine Auftritte in anderen sozialen Netzen, darunter der Twitter-Alternative <a href="https://bsky.app/profile/thierrybreton.bsky.social">Bluesky</a> oder dem Karrierenetzwerk <a href="https://be.linkedin.com/in/thierrybreton/de">Linkedin</a>, bespielte er bislang nur unregelmäßig.</p>
<h3>Kommission finanziert X weiter mit</h3>
<p>Dabei geht es aber nicht nur um Postings auf bestimmten Diensten, sondern auch um Werbeanzeigen, mit denen sie sich finanzieren. Zahlreiche <a href="https://www.nytimes.com/2023/11/24/business/x-elon-musk-advertisers.html... haben sich schon längst von X zurückgezogen</a>, weil sie ihre Produkte nicht neben hetzerischen und rechtsradikalen Inhalten bewerben wollen.</p>
<p>Nicht so die EU-Kommission: Weiterhin schaltet sie regelmäßig europaweit Anzeigen auf X. In welchem Ausmaß, lässt sich derzeit nicht sagen: Das seit dem <a href="https://ads.twitter.com/ads-repository">DSA vorgeschriebene Werbearchiv</a> liefert keine Daten, mit denen sich das nachvollziehen ließe. Aus Kommissionskreisen heißt es lediglich, dass dies Teil der laufenden Untersuchung sei. Zuletzt habe die Behörde nach mehr Informationen verlangt und einen sogenannten &#8222;request for information (RFI)&#8220; an das Unternehmen verschickt, heißt es.</p>
<p>Die Untersuchung dürfte sich noch bis ins nächste Jahr hinziehen, erwarten Beobachter:innen. Was Musk davon hält, wissen wir aber jetzt schon: &#8222;Der DSA ist Desinformation&#8220;, <a href="https://x.com/elonmusk/status/1811782203547799743">pöbelte er im Juli auf X</a> in einer Antwort an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.<span class="vgwort"><img loading="lazy" decoding="async" src="https://vg03.met.vgwort.de/na/aa15194848384be1acef3ee08d19d7b0" width="1" height="1" alt="" /></span></p>
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webadresse: 
https://netzpolitik.org/2024/musk-vs-breton-eu-kommission-bleibt-trotz-wuester-beschimpfungen-auf-x/
Autor/Gruppe: 
Tomas Rudl
Themen: 
feed-date: 
Mittwoch, August 14, 2024 - 13:18