Stadt Düsseldorf will kritischen Bericht über Schikane zensieren

Die Stadt Düsseldorf hat aktuell das Straßenmagazin fiftyfifty aufgefordert, einen Artikel zu löschen, in dem über die Machenschaften einer OSD-Streife berichtet wird. Wir dokumentieren den zensurbedrohten Text:

Am Donnerstag, 21.02.2019, organisierte fiftyfifty gemeinsam mit wohnungslosen und armen Menschen eine Protestkundgebung vor dem Rathaus. Anlass dafür sind vier von fiftyfifty dokumentierte Fälle zwischen November 2018 und Januar 2019, in denen obdachlose und arme Menschen auf unterschiedliche Art von immer der gleichen Streife schikaniert wurden. Namentlich handelt es sich dabei um Frau Brecko und Herrn Zimmermann.

Dabei sind Geldstrafen gegen wohnungslose und arme Menschen absurd, wir von fiftyfifty kritisieren dieses Vorgehen scharf. Obdachlosigkeit ist die extremste Form der Armut in einer Wohlstandsgesellschaft wie unserer. Betroffene haben nicht nur kein Dach mehr über dem Kopf, sie leiden auch an Hunger, medizinischer Unterversorgung, Kälte. Und das sieht man ihnen oftmals auch an. Gesellschaftliche Probleme können jedoch nicht mit drakonischen Strafen und Sanktionen gelöst werden. Wir fragen: Wer schützt die Ärmsten der Armen vor Menschen in Uniform? Brecko und Zimmermann bezeugen sich oftmals selbst, ohne weitere Zeugen. Das erzeugt Angst und Ohnmacht bei den Wohnungslosen.

Hinzu kommt das rechtswidrige Vorgehen, wenn der OSD Postadressen von Wohnungslosen nicht anerkennt: Normalerweise wird bei einer Ordnungswidrigkeit ein Verwarnungsgeld mit einem Anhörungsbogen verschickt. Das passiert bspw. dann, wenn Sie oder ich falsch parken. Dann bekommen wir einen Brief nach Hause und können das Verwarnungsgeld zahlen, oder eben anfechten. Wird unsere Anhörung abgelehnt, dann wird aus dem Verwarnungsgeld ein Bußgeld, und dieser Vorgang wird dann teurer. Wohnungslosen wird diese Möglichkeit jedoch gar nicht erst eingeräumt. Ihre Postadressen werden vom OSD nachweislich nicht anerkannt. Deshalb wird direkt eine Sicherheitsleistung einbehalten – mal in Form von Bargeld, mal in Form eines Handy, wie der Fall Sascha im Dezember 2016 zeigte. Bereits damals beauftragte fiftyfifty den Anwalt Jasper Prigge, um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim AG zu stellen. Da sich der OSD damals einsichtig zeigte, und wir von fifty zukünftig auf friedliche Lösungen setzten, zogen wir den Antrag zurück – was offensichtlich ein Fehler war, wie sich nun zeigt. Zudem hat u.a. die Bürgermeisterin Zepuntke, also auch die Politik, zugesichert, solche Beschlagnahmungen zukünftig zu unterlassen. Nochmal zur Verdeutlichung: Wenn mir vorgeworfen wird, dass ich falsch parke, und ich das nicht so sehe, wird bei mir auch nicht das Auto oder das Handy beschlagnahmt. Die Beschlagnahmung von Bargeld, und wenn es „nur“ 30 € sind, beläuft sich jedoch auf knapp fast 10 % des Monatseinkommens von ALG II – BezieherInnen – und ist damit völlig unverhältnismäßig. Von der Bedeutung eines Handys, insbesondere in einer so krassen Situation wie der Obdachlosigkeit, ganz zu schweigen.

In allen Fällen der Beschlagnahmung schreibt das Gesetz zudem verpflichtend einen Richtervorbehalt vor, dies wurde jedoch vom OSD ignoriert. In einem Gespräch mit Ordnungsdezernent Herrn Zaum im November 2017 wurde uns bereits zugesichert, dass Postadressen anerkannt werden; dies ist nachweislich nicht der Fall.

Die Wissenschaft beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Merkmalen von Sicherheit. Dabei ist das Gegenteil guter Sicherheitsarbeit eine exkludierende Sicherheitsarbeit. Dies meint bspw. die „Bestrafung der Armen“ (Wacquant 2009) durch Straßenordnungen mit Bettel- und Lagerverboten. Zudem weist die Verdrängung von Randgruppen zwei Probleme auf, denn Konflikte verschärfen sich durch eben diese Verdrängung, es ist somit ein Sicherheitsproblem. Zudem ist es ein ethisches Problem, denn sie schränkt Grundfreiheiten im öffentlichen Raum ein. Dabei steht Sicherheit allen zu!

In Dortmund wurden Knöllchen gegen Obdachlose nach massiver öffentlicher Kritik eingestellt. Auch in Düsseldorf hagelte es bereits massive Kritik, als ein Rentner aus einer Bushaltestelle vertrieben wurde und zahlen sollte. Und mit dem Verbot gegen drei Kinder bzw. Jugendliche, die auf dem Weihnachtsmarkt mit Musik ihr Taschengeld aufbessern wollten, blamierte sich der OSD im Dezember 2018 öffentlich. Deshalb fordern wir: Weg mit den Bußgeldern gegen wohnungslose und arme Menschen, weg mit dem § 6 der DstO!

Nun zu den einzelnen Fällen: Im November 2018 wird ein Obdachloser im Hofgarten von einer OSD-Streife in zivil kontrolliert. Ihm wird ein Verwarnungsgeld i.H.v. 35 € ausgesprochen, weil er eine Plane zwischen zwei Äste gespannt hat, um sich vor der Witterung zu schützen. Dies sei ein Vergehen nach § 5 DstO. Die 35 € soll er sofort zahlen. Auf die Bitte hin, das Verwarnungsgeld an seine Postadresse zu schicken, wird ihm erläutert, dass das nicht ginge, er müsse direkt vor Ort zahlen. Sein Portemonnaie wird durchsucht, zusätzlich werden 28,50 € als Sicherheitsleistung einbehalten.

Ein weiterer Obdachloser schäft im Hofgarten, er wird regelmäßig von Herrn Zimmermann verbal bedroht. Mehrfach droht Herr Zimmermann ihm die Wegnahme seines Hundes an – am 4.01.19 macht Herr Zimmermann seine Drohung wahr und zieht den Hund ein, Attilas Ein und Alles in seinem Leben, der einzige Stützpunkt in seinem ohnehin sehr schwierigen Leben. Noch im November war Attila mit seinem Hund bei underdog, es hat uns viel Mühe gekostet, den Hund wieder aus dem Tierheim zu holen.

Nur einen Tag später wird ein Obdachloser morgens geweckt. Er ist an einem Magen-Darm-Virus erkrankt, schafft es kaum aus dem Schlafsack und in der Folge nicht rechtzeitig zu einer öffentlichen Toilette. Für sog. „Wildkoten“ soll er nun 100 € zahlen.

Nicht zuletzt verkauft Petru am 21.12.18 auf dem Weihnachtsmarkt die fiftyfifty. Er ist seit vielen Jahren Verkäufer, es gab nie Beschwerden über ihn. In das Weltbild von Frau Brecko und Herrn Zimmermann passt dies allerdings nicht, sie kontrollieren Petru und sprechen ihm ein Verwarnungsgeld i.H.v. 55 € wegen „aggressivem Betteln“ aus. Dieser Vorfall ist an Absurdität nicht zu überbieten, stellt man sich doch vor, dass jemand so arm ist, dass er eine Straßenzeitung verkauft, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dafür wird er mit 55 € bestraft. Da Petru sich keiner Schuld bewusst ist, füllt er zusammen mit der Sozialarbeiterin der Armenküche den Anhörungsbogen aus – mit dem Ergebnis, dass sein Einspruch abgelehnt wurde, da Frau Brecko und Herr Zimmermann den „Verstoß“ bezeugen könnten. Für diese „Antwort“ muss er nun 30 € zusätzlich zahlen.

Diese vier Fälle zeigen in aller Deutlichkeit die Sinnlosigkeit des Vorgehens: Denn niemand ist dadurch nicht mehr arm oder hat durch die Strafen von Frau Brecko und Herrn Zimmermann eine Wohnung gefunden. Es beweist lediglich das schikanöse Verhalten des OSD gegen wohnungslose und arme Menschen. Julia von Lindern, fiftyfifty Sozialarbeiterin

Rechtsgutachten attestiert: Straßensatzung ist rechtswidrig

(ho). Schon 1997, fiftyfifty war gerade 2 Jahre alt, hat der Wissenschaftler und Rechtsanwalt Dr. Michael Terwiesche, ein Rechtsgutachten zum Paragraphen 6 der Düsseldorfer Straßensatzung geschrieben, in dem er zu dem Schluss kommt, dass dieser rechtswidrig ist, da "störender Alkoholgenuss", "Lagern" und "Aggressives Betteln" unbestimmte Rechtsbegriffe sind. Das bedeutet: Wer dagegen verstößt, kann nicht genau wissen, was genau nun etwa am Alkoholgenuss "störend" ist. Hinzu kommt, dass sich bürgerliche Menschen etwa bei Fußballspielen oder im Karneval oder in einer Außenkneipe betrinken dürfen, ohne dass dies Konsequenzen hätte. Hier das Rechtsgutachten (bis zum Jahr 1997 scrollen) im Wortlaut: https://www.fiftyfifty-galerie.de/archiv

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