Voran mit Scheitel und dem roten Büchlein! Dem Volke dienen bis die Schwarte kracht!

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Eine Darstellung der Problemchen mit geklonten Jungsauriern aus dem maoistischen Jurassic Park 2019 und ein Vorschlag zum Umgang damit.

Huhu, wir sind es, die degenerierten Volksfeinde, die Blutsauger, die Parasiten, die Schmarotzer, die blöden Schlampen, die antikommunistischen Szene-Zecken, die Zionistenfotzen (die sich nicht trauen, sich proletarischen Fäusten zu stellen); die natürlich auch Angst davor haben, dass es Schwanz gibt, wir sind - Ehrensache!, auch asoziale Hipster, deren Jutebeutel Schwuchtelbeutel sind; zudem lärmen wir rum und lassen arbeitende Familien sehr gerne nicht schlafen. Als unpolitische, verdrogte Hurensöhne und Trotzkistenfotzen lungern wir in unseren versifften AZs rum und sind so durchgegendert antikommunistisch-schwul, dass wir weder Ehre haben, noch nach Ruhm streben; im Gegenteil, benutzen wir unsere Szenezugehörigkeit als soziales Kapital, um uns ungestraft wie die größten Reaktionäre aufzuführen. Ach ja, gewisse Zeitabschnitte im Leben unserer Opas und Uropas finden wir auch nicht ganz so supi. Liegt wohl daran, dass die wenigsten von unseren Opas stolze deutsche Kommunisten waren. Zu guter Letzt sind wir mindestens Zionisten (oder Faschisten. Auch egal). Und Antideutsche sowieso. 

 

Ächz. Wer auch immer mit einer Kerze in den tiefen Keller gegangen ist, er oder sie hat eine Tür aufgemacht, die längst vergessen geglaubt war, und nun kocht der Kot: Mao ist zurück im Game. Seine zeitgenössischen Jünger sehen aus wie von viel zu viel Testosteron gebeutelte, handelsüblich aufgepumpte Macker und genau so führen sie sich auch auf. Gedreht werden u.a. unterdurchschnittlicheunterirdische Rap Videos mit Hündchen, Kettchen, Keule, Hasskappe und dem roten Büchlein.

 

Agitiert werden sollen so, in romantisch-verstaubtes Vokabular gewickelt, das “Proletariat“ und die “Massen“. Gepredigt und durchgeprügelt werden Konzepte aus den Untiefen der Geschichte; eben des oben erwähnten kulturrevolutionären Kinnwarzenlächlers, des eisernen Vaters aller Werktätigen, bzw. des Genickschuss-Schnauzers aus der Sowjetunion, und auch zeitgenössische Linienreiniger wie Abimael Guzmán, pardon -  natürlich Presidente Gonzalo, hängen in der Ruhmeshalle der leuchtenden Blüten des Proletariats. Allein Guzmán und seine Organisation Leuchtender Pfad haben eine so breite Schneise liquidierter Zivilist*innen durch Peru geschlagen, dass das Land immer noch vor Blut tropft; und er ist im Eiserner Besen-Team der kommunistischen Historie nur eine ganz kleine Nummer.

 

Wie ein befremdliches K-Gruppen-Echoaus den 70ern marschieren junge proletarische Speerspitzen (leider ohne die lustigen Frisuren von damals), gestählt durch Linientreue und Fitnessstudio, durchs linksradikale Universum und verteidigen die Reinheit ihrer Lehre. Zuerst mal, traditionell der eigenen Geschichte treu, untereinander, indem man sich gegenseitig als Sekte, Staatsschutzzuträger*innen, Trotzkist*innen oder mindestens liberales Bürgertum diffamiert. Relativ neu ist, dass mit revolutionärem Zorn auch auf alles andere losgegangen wird, was es so an Außer- und Antiparlamentarischem gibt. Und da wird nicht gekleckert, da wird, ganz der proletarischen Sache verpflichtet, geklotzt. Aus verschiedenen Landstrichen trudeln Nachrichten von der Neo-Avantgarde der Arbeiter*innen Klasse ein; da wird ein feministischer Block auf einer Demo in Berlin angegriffen (wegen des Transparents “Den antisemitischen Konsens brechen! Jugend gegen Antisemitismus und Rassismus!“ Geht ja gar nicht.), und in Neukölln die rote Viertelhoheit ausgerufen. Entsprechend werden nicht der Sache des Proletariats Verschriebene sowie Kippaträger oder sonst wie erkennbare Jüd*innen nicht nur verbal angegangen. Aus Flensburg hören wir u.a., dass ein Angriff auf ein linkes Wohnprojekt mit dem fröhlichen Ruf “Jetzt gibt es Schwanz, ihr Fotzen!“ eingeleitet wurde, (eingangs Zitiertes ist nur ein kleines best-of dessen, was die internationalistischen Volksfreund*innen der verweichlichten Konterrevolution bisher entgegengeschleudert haben.).

 

Auf der Demo gegen die Merkel-muss-weg-Kundgebung am 07.11.2018 in Hamburg hielt es eine andere Handvoll dieses Mal altgedienter Fans irgendwelcher Volkskriege für angebracht, per Transparent Israel der Apartheid zu bezichtigen. Nur unter Ausblendung größerer Hirnbereiche lässt sich meinen, dass da ein paar Verwirrte am Demo-Thema (Zitat aus dem Aufruf: “gegen extrem rechte, rassistische und antisemitische Äußerungen, Gewalttaten und Anschläge.“ Ok, missverständlich formuliert und bestimmt auch sehr klein geschrieben) vorbeidemonstriert haben. Wenn die Verwirrten ihre Show ausgerechnet zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Reichspogromnacht legen, tja, dann sind es offensichtlich keine Verwirrten.  Die Teilnahme am Al-Quds Marsch ist eh‘ Pflicht. Steht der Jude an sich doch im Hass-Ranking der völkischen Internationalisten noch weit vor den Verräter*innen der Arbeiter*innen Klasse.

 

Nun ist die Existenz abstruser autoritär-kommunistischer Grüppchen, die sich der Unterstützung, der Wiederbelebung bzw. dem Andenken an allwissende, die Massen mit eiserner Faust dirigierende Diktatoren verschrieben haben, so brandneu nicht. Sie existieren seit Dekaden und genau so lange kann Mensch sich einen lustigen Abend machen, indem er sich durch ihre Propaganda klickt; da wird dem Volke gedient bis die Schwarte kracht und kein Auge trocken bleibt! Im echten Leben sind die strahlenden Funken der arbeitenden Klasse recht selten anzutreffen. Manchmal gibt es ein rotbefahntes, wie mit dem Lineal sauber ausgerichtetes Blöckchen auf einer Demo, dass dann wie ein Casting für “Berlin Babylon“ wirkt, aber meist ist es das dann schon. Das war lange ein sehr zu vernachlässigendes Problem fürs linksradikale, geschweige denn das anarchistische Universum. Die oben genannten auf der Demo gegen die MMW-Kundgebung (türlich, türlich, nur Antizionist*innen, ich schwör‘ auf meinen Großvater!) speisten sich noch aus den Traditionsvereinen der fortschrittlich-revolutionären Kräfte für den Fortschritt der revolutionären Kräfte.

 

Nun hat sich in den letzten Jahren, zumindest an den kommunistischen Außenbezirken was geändert - die Jugend, berauscht von revolutionärem Ungestüm und ganz Avantgarde fürs Proletariat, vors Proletariat, drängt es an den alten Haudegen vorbei. Ihre Organisationen passen immer noch in einen Kleinstwagen, sie sind aber der stahlmuckiharten Ansicht, ihre glasklare, totschlägergeprüfte Analyse gegen Linke, Linksradikale, Autonome, Anarchist*innen, Antifaschist*innen, also grundsätzlich emanzipatorisch denkende und agierende Menschen, physisch durchsetzen zu müssen.

 

Es hat in Hamburg eine Art stiller Hoffnung - eventuell auch eine Arroganz gegeben, dass dieser Kelch an uns vorüberziehen würde. Tat der Kelch aber nicht. Warum auch? Schnittige Scheitel, schnittiges Marschieren, eine tiefe Liebe für Volk, Nation und Heimat waren für Vollpfosten mit Allmachtphantasien schon immer reizvoll. Da erstaunt es auch nicht, dass im Spind von Club Mao ein Geschichtsbewusstsein hängt, dass Koalitionen mit Neonazis gar nicht mal soo abwegig findet. Heimat, Scheitel, eiserne Klöten, Marschformation und eine Bulldozer-Definition von politischer Arbeit sind eine große Schnittmenge, aus der sich bestimmt was machen lässt.

 

Keine neue Erkenntnis: Macht und Autorität sind ein weltweites Grundübel, es gilt ihr überall und mit allen nötigen Mitteln, die Luft rauszulassen. Die  autoritären Kommie-Youngster sind hierbei eine spezielle Angelegenheit; halten sie sich doch laut Selbstaussage für die einzig wahren Kommunist*innen und sind zeitgleich sehr offen für Sexismus, Antisemitismus und “das Volk“.

 

Zugegeben: Wir lachen gerne und ausdauernd über die ortsansässigen Stalino-Hohlbratzen in ihren Bällebädern. Was aber tun mit der Handvoll geklonter Jungsaurier aus dem sozialistischen Jurassic Park, die stramm und in geschlossener Formation für Heimat und Vaterland marschieren wollen? Ignorieren, um die paar Opfer nicht größer, bzw., überhaupt wahrnehmbar zu machen? Oder nicht ignorieren, sie am Ende gar ernst nehmen? Wir denken weder noch. Das Ernstnehmen bekommen wir, auch wenn wir uns ganz doll Mühe geben, nicht hin; auf Demonstrationen, bei Veranstaltungen (insbesondere in den versifften AZs!), im Stadion, bei Kundgebungen, sozialen Zentren oder Konzerten haben sie aber definitiv nichts zu suchen. Insofern werden wir uns bemühen, dass das nicht vorkommt und fordern andere Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen auf, es genau so zu halten.

 

Keine Götter, keine Regierungen, keine Zentralkomitees – Freiheit weltweit. Für die Anarchie.

 

Eine persönliche Ansprache noch zum Schluss: Sucht euch doch bitte ein anderes Hobby. Wir haben wirklich wichtigeres zu tun. Und wenn die Suche nach den Massen zu sehr drückt, findet ihr viel Volk in den Massengräbern in China, Russland, Peru, Kambodscha, ach, ihr wisst doch selbst am Besten, wo ihr suchen müsst.

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Ergänzungen

Irgendwie hast du das mit der Anarchie noch nicht so richtig verstanden, sonst würdest du ja als Arnachist nicht kapitalistische Staaten bzw. den Apartheidstaat Israel mit seiner rassistischen Ideologie Zionismus hochjubeln. Die einen lassen die Volkskriege hoch leben, die anderen verteidigen einen Apartheidstaat. Beide völlig bekloppt und das unabhängig von der Ideologie.

Da du Hamburg erwähnt hast: Stellungsnahme zum Angriff auf den antiimperialistischen Block auf der Demo des »Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR)« am 07.November 201

 

Am 07. November 2018 beteiligte sich unter dem Motto »Hinter dem Faschismus steht das Kapital! Kampf dem Faschismus international!« ein antiimperialistischer Block an den Protesten gegen die rechte »Merkel-muss-weg«-Kundgebung. Wegen seiner Positionen wurde er von sogenannten Antideutschen mehrfach tätlich angegriffen, TeilnehmerInnen wurden unter anderem als »Antisemiten« beschimpft. Der Anlass für das verbal und physisch aggressive Verhalten war ein Transparent, das innerhalb des Blocks getragen wurde und die Aufschrift »Israel erklärt sich per Gesetz zum Apartheidsstaat« trug. Schon kurz nach Beginn der Demonstration starteten »Antideutsche« den ersten Versuch, das Transparent in ihre Gewalt zu bringen. Sie wiederholten den Versuch mehrmals vergeblich. Während der Abschlusskundgebung kam es mehrfach zu körperlichen Attacken gegen Mitglieder des Blocks.

 

Zu diesen Ereignissen veröffentlichte das »Hamburger Bündnis gegen Rechts (HBgR)« eine Stellungnahme, in der es diese gewalttätigen Angriffe unerwähnt lässt und den Antisemitismusvorwurf wiederholt. Seine Anschuldigung und die damit verbundene Aufforderung, in Zukunft den »Protestveranstaltungen fernzubleiben«, begründet das HBgR damit, dass, wer zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Pogromnacht den »Zufluchtsort von Jüdinnen und Juden« kritisiere, »Antisemit« sei.

 

Hinter diesen Vorwürfen steht die grundfalsche, aber bei deutschen Nazi-GegnerInnen weit verbreitete Gleichsetzung von Israelkritik und Antisemitismus. Wie israelische Linke zu Recht bemerkt haben (s. die Erklärung »Kritik an israelischer Politik und Antisemitismus sind nicht das Gleiche«), sind Israelkritik und Antisemitismus nicht dasselbe und dürfen nicht gleichgesetzt werden. Auch nicht am Jahrestag der Pogromnacht, und auch nicht an allen anderen Tagen, an denen sich in Deutschland antisemitische Verbrechen jähren. »Antideutsche« instrumentalisieren das Leiden von Juden und Jüdinnen, um linke Kritik an Israels ultranationalistischer Regierung mundtot zu machen. Objektiv ist ein solches Verhalten darauf ausgerichtet, dass die Besatzungs- und Kriegspolitik gegenüber den PalästinenserInnen und die Autorisierung der israelischen Gesellschaft fortgesetzt werden kann, ohne dass sich international Widerstand dagegen regt. Mit seiner Stellungnahme unterstützt das HBgR diese Position.

 

Konkret versuchen die »Antideutschen« und das HBgR Kritik am Nationalitätengesetz zu unterbinden, mit dem die Mehrheit des israelischen Parlaments die palästinensische und andere Minderheiten in Israel im Juli per Beschluss zu BürgerInnen zweiter Klasse erklärt hat.

 

Zudem ist Israel für viele, insbesondere progressive und linke Juden, Jüdinnen und Israelis (Peace Now, Breaking the Silence, Anarchists Against the Wall, KriegsdienstverweigerInnen, KommunistInnen – um nur einige zu nennen) kein sicherer Zufluchtsort. Viele Oppositionelle verlassen Israel aufgrund ihrer politischen Überzeugungen. Unsere Solidarität gilt diesen und anderen GenossInnen, FreundInnen und fortschrittlichen Kräften, die gegen neoliberale Sozial- und Wirtschaftspolitik, staatlichen Rassismus und die autoritär-militaristische Kriegs- und Besatzungspolitik der israelischen Staatsapparate kämpfen.

 

Wir verurteilen die Übergriffe gegen den antiimperialistischen Block und das Vorgehen der AngreiferInnen, die mit ihrem Verhalten gezeigt haben, dass es ihnen wichtiger ist, linke AntifaschistInnen und PalästinenserInnen zu attackieren, als gegen die (neue) Rechte zu kämpfen. Wir lehnen die Positionierungen des HBgR, seine Unterstützung für »antideutsche« SchlägerInnen und die Übernahme »antideutscher« Positionen ab.

 

Diese Entwicklungen sind allerdings wenig überraschend. Große Teile der deutschen Linken haben sich über die letzten Jahrzehnte vom Kampf gegen den Faschismus als Form bürgerlicher Herrschaft abgewendet. Dabei brauchen wir einen solchen vor dem Hintergrund der erstarkenden (teils neofaschistischen) Rechten auf der ganzen Welt – zu denen nicht nur Bolsonaro und Trump, Weidel, Strache, Orbán und Co gehören, sondern auch Netanjahu – im Zuge der globalen Krise des Kapitalismus dringender denn je in der Nachkriegsgeschichte.

 

Stattdessen aber ist in der Bundesrepublik Antifaschismus weitgehend zu liberalem und selektivem Anti-Nazi-Aktivismus verkommen. An die Stelle kapitalismuskritischer Faschismusanalysen, internationaler Solidarität und des Kampfs gegen den wieder erstarkenden deutschen Imperialismus sind bürgerliche Ideologiekritik, »Aufstand der Anständigen« und Solidarität mit einer israelischen Rechtsregierung getreten. Alles drei ist mit der deutschen Staatsräson problemlos kompatibel. Mit Antifaschismus hat das nichts mehr zu tun.

 

Politik gegen »Rechts« muss den Widerstand gegen Krieg, Faschismus und Kapitalismus endlich wieder als untrennbare Einheit begreifen. Wer vom Faschismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Für einen linken Antifaschismus!

 

Nie wieder Krieg!
Nie wieder Faschismus!
Hoch die internationale Solidarität!

Bündnis »Bildung ohne Bundeswehr (BoB)