Fotos: Justice for Vitali Novacov

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Trauer und Wut über den Tod von Vitali Novacov. Er erstickte nach einem Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen.
Auf einer Kundgebung am Sonntag auf dem Oranienplatz in Kreuzberg forderten antirassistische Initiativen Gerechtigkeit für Vitali Novacov und das die Verantwortlichen für seinen Tod zur Rechenschaft gezogen werden.

In der Nacht des 11. Aprils wurde Vitali Novacov in das Klinikum Berlin-Neukölln eingeliefert. Keine 24 Stunden später wird er dort für tot erklärt. Er erstickt nach einem Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen, mit Unterstützung von Anwohnern fixiert und gefesselt. Berliner Ärzte stellten Erde sowohl im Mund als auch in der Lunge des 45-Jährigen fest. Es sei denkbar, dass der Mann „gewaltsam“ und für mehrere Minuten mit dem Gesicht in matschige Erde gedrückt wurde und so die Erde eingeatmet haben könnte. Im Polizeibericht findet sich dazu kein Wort.

Nach dem vorläufigen Ergebnis der Obduktion „seien bisher keine Spuren von Erde und Schlamm in den Atemwegen und in der Lunge gefunden worden“ teilt ein Sprecher der  Berliner Staatsanwaltschaft dem tagesspiegel mit. „Jetzt würden noch feingewebliche und toxikologische Untersuchungen vorgenommen, etwa um möglicherweise doch Erdspuren zu finden.“
Nach taz-Recherchen gibt es allerdings erhebliche Zweifel an der Schilderung der Polizei zum Ablauf der Festnahme. Der taz liegen interne Unterlagen vor, Teile der Patientenakte, ein Durchsuchungsprotokoll der Polizei sowie der Einsatzbericht des Notarztes, der Vitali N. in Königs Wusterhausen erstversorgt hat.

Der Notarzt wird um 21.45 Uhr alarmiert – wegen „Atemstillstand in polizeilicher Fixierung“, steht in seinem Einsatzprotokoll, das der taz vorliegt. Als er eintrifft, wird Vitali N. bereits durch die Polizei reanimiert. „Handschellen liegen noch an“, heißt es in dem Bericht. Das widerspricht der Darstellung der Polizei, die behauptet hatte, die Handschellen des Mannes seien gelöst worden, nachdem er in Ohnmacht gefallen sei. Ohnmächtige zu fixieren, gilt unter Not­ärz­t*in­nen als gefährlich. Die Reanimation wird erschwert, das Erstickungsrisiko steigt. Der Notarzt notiert außerdem, dass Vitali N. feuchte Erde in Mund und Nase hatte.

Vitali Novacov stirbt am frühen Mittwochabend, um 17.57 Uhr. Der Totenschein, den der behandelnde Arzt ausstellt, ist deutlich: Vitali N. ist erstickt. „Schwerste anoxische Hirnschädigung“, steht darin. Sauerstoffmangel im Gehirn, „durch gewaltsames zu Boden drücken von Gesicht und Thorax in Bauchlage“. Vitali Novakov wurde in Moldawien geboren und war bulgarischer Staatsbürger. Er wurde 45 Jahre alt.

Gestern versammelten sich viele Menschen in Berlin, um ihre Wut und Trauer über den brutalen Polizeimord an Vitali Novacov zum Ausdruck zu bringen. Auch wir waren mit einem kurzen Redebeitrag dabei, um auf die Parallelen zwischen den Morden an Mouhamed und Vitali aufmerksam zu machen: In den 8 Monaten, die die Polizeimorde an Mouhamed und Vitali trennen, hat die Polizei in ganz Deutschland mindestens 20 Menschen getötet. Viele der Toten waren migrantisch gelesen und von Rassismus betroffen. Die Mehrheit befand sich in psychischen Ausnahmesituationen. Bei Mouhamed und bei Vitali kamen beide Risikofaktoren zusammen.

Was folgt für uns daraus?

Lasst uns in unserer Wut und in unserer Trauer zusammenstehen. Uns gegenseitig Halt geben. Unsere Solidarität soll stärker sein als ihr Hass, ihre Gewalt! Lasst uns gemeinsam überlegen, wie wir Strukturen aufbauen können, die uns vor der Polizei schützen. Wir brauchen in unseren Vierteln Strukturen, die wir aktivieren können, wenn Menschen in psychischen Ausnahmesituationen sind und die auf solidarische Weise, auf Augenhöhe, Konflikte lösen können. Wir brauchen Strukturen, die die Polizei in ihre Schranken weisen, sie beobachten, ihre Gewalt dokumentieren und öffentlich machen.“
Solidaritätskreis Mouhamed

Mehr Infos:

Gerechtigkeit für Vitali Novacov! (Aufruf zur Kundgebung bei romatrial.org/)
Wie starb Vitali N.? (taz 18.4.23)
Ein Tod, viele Fragen (taz 21.4.23)
Dossier über den Tod von Vitali N. im labournet
Bulgare nach Polizeieinsatz gestorben, Obduktion ergibt vorerst keinen Hinweis auf Gewalttat (tagesspiegel 25.4.2023)

 

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