In eigener Sache: Weitere Spaziergänge - es bleibt spannend!

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Wie vor einigen Wochen berichtet, sieht auch die JVA Freiburg die Möglichkeit einer Freilassung meiner Person im Sommer. Deshalb erhalte ich seit März monatlich eine Ausführung. Zuvor waren diese nur alle drei Monate möglich. Zudem sind sie nicht mehr von zwei Vollzugsbeamten bewacht, sondern einer geht mit und wird ergänzt von einer/einem Mitarbeiter/in des Sozialdienstes oder des psychologischen Dienstes. Beim Justizministerium hat die Anstalt zudem beantragt, auf eine Bewachung durch den Vollzugsbeamten ganz zu verzichten.

 

Ausflug am 30. März 2023

 

An einem etwas verhangenem Donnerstag ging es mit Amtsinspektor L. und Oberpsychologierätin W. per S-Bahn von Freiburg nach Riegel/am Kaiserstuhl, denn dort lebte ich von meinem 10. - 18. Lebensjahr und wollte mal schauen, was sich so verändert hat. Das Tagesticket schenkte mir ein Freiburger Freund und obwohl ich es nicht vor Fahrtantritt entwertet hatte (erstmals seit 1996 stand ich an einem Bahngleis und fand keinen Automaten vor, die beiden Bediensteten der Anstalt wussten auch nicht weiter), formal also mit einem ungültigen Ticket die Bahn betrat, war die Kontrolleurin, nachdem ich sie darauf hinwies, es sei meine erste Fahrt seit Jahrzehnten und die beiden Personen dort – dabei zeigte ich auf Frau W. und Herrn L. - würden mich als Gefängnisbedienstete bewachen, so freundlich, es zu entwerten und mich/uns aufzuklären, wo die kleinen roten Entwerterkästchen stünden – nämlich nicht in der Bahn, sondern überall an den Bahnhöfen.

Der Spaziergang durch den Ort gestaltete sich als entspannt, sehr angetan war ich von den vielen Störchen (mindestens 10 Nester auf der Kirche). Im örtlichen Café Rösch kehrten wir ein und während wir dort saßen, ging ein ordentlicher Schauer nieder.

Zuletzt ging ich noch im (für mich neuen) Gewerbegebiet in einen Supermarkt, bevor ich nach Freiburg zurück fahren musste.

Die Unterhaltung mit der Psychologin und dem Vollzugsbeamten verlief recht entspannt, was sich so dann auch im Ausführungsbericht der Anstalt wiederfand – wie auch die Episode mit der Fahrkarte am Anfang! Nichts bleibt unprotokolliert beim Staat.

 

Ausführung am 12. April 2023

 

Freiburg bietet in der Regel überdurchschnittlich viel Sonnenschein, aber auch an diesem Tag sollte es wieder recht bewölkt und teilweise regnerisch sein. Diesmal begleitete mich „erster Amtsinspektor“ W. und der Leiter der Abteilung Sicherungsverwahrung Herr G.
Der erste Weg führte zur Anlauf- und Beratungsstelle für Strafentlassene (https://www.bezirksverein-freiburg.de), wo ein Gesprächstermin vereinbart war, um – für den Fall der Entlassung im Sommer – eine mögliche Beratungsstelle kennen zu lernen. Der Sozialarbeiter Herr S. und sein Studi-Praktikant nahmen sich am Ende fast eine Stunde Zeit, um das Angebot des Vereins vorzustellen und uns auch das Haus zu zeigen, mit Café-Räumlichkeiten, WLAN, Billardtisch und eben die vielen Freizeitangebote zu erläutern.

Im Anschluss an diesen Gesprächstermin ging es in die Innenstadt zum Mittagessen in das Dachrestaurant eines Kaufhauses, wo wir dann rund eine Stunde zubrachten (währenddessen ging ein ordentlicher Regenschauer nieder). Abschließend ging es noch in einen REWE-Supermarkt und, wie es fast schon Tradition ist, zu einem türkischen Lebensmittelhändler unweit der Haftanstalt.

Zu dem SV-Leiter meinte ich, er könne ja richtig Humor entwickeln, denn es gab nicht wenig zu lachen während der rund fünf Stunden.

 

Ausblick

 

Letztlich hängt der weitere Fortgang von den beiden GutachterInnen des Zentrums für Psychiatrie (Emmendingen) ab, die das Landgericht beauftragt hat, sich erneut über den Fall zu beugen. Warum erzähle ich relativ ausführlich von den beiden Ausführungen? Im Grunde sind es ja banale Aktivitäten: Spazieren gehen, einkaufen, Mittag essen. Aber wenn mensch Jahrzehnte in Haft zugebracht hat, ist im Grunde erstmal nichts was außerhalb der Mauern geschieht, „banal“.
Zugleich erlebe ich jedoch keinen Zivilisationsschock, denn es gab ja früher ein Leben vor der Haft und wenn man freundlich auf Menschen, ob auf der Straße, im Aufzug, in der S-Bahn, im Laden zugeht, kommt nach wie vor in der Regel eine ebenso freundliche Reaktion.

 


Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

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