Der alternative Hoster Blogsport.de macht nach 13 Jahren dicht: „Wir sind erschöpft“
<img width="860" height="484" src="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end-860x484.jpg" class="attachment-landscape-860 size-landscape-860 wp-post-image" alt="" style="float:left; clear:both; margin:0 15px 15px 0;" srcset="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end-860x484.jpg 860w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end-380x214.jpg 380w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end-1200x675.jpg 1200w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end-660x372.jpg 660w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end-160x90.jpg 160w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/12/the-end.jpg 1600w" sizes="(max-width: 860px) 100vw, 860px" />Seit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke stagniere Blogsport. Die Idee, das alles an einem Ort zu versammeln, mache in Folge der sozialen Medien und ihrer Filter immer weniger Sinn, sagen die Macher der Plattform. (Symbol)<span class='media-license-caption'> <a class="" rel="license" target="_blank" href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de">CC-BY-NC 2.0</a> <a href="https://www.flickr.com/photos/colettestyves/6929725571/sizes/o/" >Colette Saint Yves</a></span><p>Der unabhängige Bloghoster <a href="https://twitter.com/blogsport_de/status/1072543519502413825">Blogsport.de hat über Twitter angekündigt</a>, dass er in etwa einem Jahr den Dienst schließen will. Die Plattform spielte in der Frühzeit der deutschen Blogosphere ab 2005 eine wichtige Rolle für meist linke Blogs und Webseiten von politischen Gruppen. Mit der besseren und einfacheren Verfügbarkeit von CMS-Systemen und vor allem dem Aufkommen von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter verringerte sich ab dem Jahr 2009 die Bedeutung des Hosters.</p>
<p>Blogsport.de startete 2005 als Freizeit-Projekt von zwei Studenten, das ursprünglich nur für deren Freunde gedacht war. Doch die Studenten ließen die Registrierungsfunktion offen und wurden schon bald vom Interesse anderer Linker überschwemmt. „Bis 2009 wuchs unsere Plattform exponentiell, und wir sahen uns gezwungen, das Ganze in eine etwas professionellere Struktur zu überführen“, sagt Georg Klauda, der heute Geschäftsführer der Blogsport UG ist, gegenüber netzpolitik.org. Allerdings konnte nie jemand von dem Projekt leben, es blieb immer ein Freizeitprojekt, das sehr viel Aufmerksamkeit und Zeit erforderte.</p>
<h3>Blogkultur: Verlinken und Kommentieren wurde immer unwichtiger</h3>
<p>„Um 2009 war Bloggen der absolute Hype. Damals wurden Blogs noch viel von Einzelpersonen betrieben, die sich gegenseitig verlinkten und kommentierten“, erzählt Klauda. Er schätzt, dass über 10.000 Blogs auf der Plattform registriert seien. Aktiv wären heute aber nur mehr einige Hundert.</p>
<p>Doch die engmaschigen Verflechtungen, die früher die Blog-Community trugen, hätten sich heute eher auf Twitter und Facebook verlagert. Auch um den Preis, dass die Leute heute keine langen Essays mehr schreiben würden, sondern ihre Meinung in 280 Zeichen quetschten. Seit dem Aufkommen der großen sozialen Netzwerke stagniere Blogsport. Die Idee, das alles an einem Ort zu versammeln, mache in Folge der sozialen Medien und ihrer Filterblasen immer weniger Sinn. „Letztlich spielt es heute keine Rolle mehr, wo ein Blog gehostet wird“, sagt Klauda.</p>
<p>Auch habe sich die Blogkultur selbst verändert. Die Kommentarfunktion werde heute kaum noch genutzt. Diskutiert würden die Artikel nun eher in den Freundesnetzwerken auf sozialen Netzwerken, während die Blogs unter sich zunehmend isoliert seien. Blogsport hat versucht, die Vernetzung der Community mit dem Meta-Blog <a href="http://planet.blogsport.de">planet.blogsport.de</a> zu fördern, jedoch ohne großen Erfolg, wie Klauda sagt.</p>
<h3>400 Mal mit juristischen Anfragen beschäftigt</h3>
<p>Nun soll also Schluss sein. „Nach 13 Jahren sind wir zunehmend erschöpft. Wir müssen uns um Technik, Support, Buchhaltung und das Beantworten von rechtlichen Beschwerden kümmern, obwohl wir selbst gar nicht mehr bloggen“, erklärt Klauda. „Wir haben das jahrelang aus Verantwortung für den Erhalt einer linken Szenekultur gemacht“.</p>
<p>In den 13 Jahren hat Blogsport ungefähr 400 anwaltliche Beschwerden, polizeiliche Ermittlungen, Klagedrohungen und Schreiben von Ordnungsämtern beantwortet. Zwar seien davon nur etwa drei Fälle vor Gericht gelandet, erinnert sich Klauda. Aber trotzdem. Er wolle auch mal Urlaub in Urlaub fahren, ohne sich Gedanken zu machen, ob gerade das nächste Anwaltsschreiben ins Haus flattert.</p>
<h3>Ein Jahrzehnt linke Protest- und Bewegungsgeschichte</h3>
<p>Eine der großen Fragen zum Ende von Blogsport.de lautet, was mit den Inhalten, die mehr als ein Jahrzehnt linke Bewegungs- und Protestgeschichte beinhalten, in Zukunft passiert. Schaltet Blogsport.de die Plattform im nächsten Jahr ab, gehen all die Artikel, Demonstrationsaufrufe und innerlinken Debatten unweigerlich verloren.</p>
<p>Klauda ist der Meinung, dass soziale Medien von ihrer ganzen Struktur her nicht auf Dauer angelegt sind. Aber es gebe im Blog-Bereich auch Ausnahmen, beispielsweise ein Archiv mit Vorträgen oder Recherchen über rechte Netzwerke, die noch heute von Aktivist:innen genutzt würden. „Letztlich ist es jedoch so, dass die Idee eines digitalen Archivs daran scheitert, dass jemand dauerhaft rechtliche Verantwortung dafür übernehmen muss“, sagt Klauda. „Schließlich enthalten Blog-Einträge potentiell auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen, die zeitnah gelöscht werden müssen. Manchmal will auch jemand seine Jugendsünden vom Netz genommen wissen“.</p>
<p>Sollte also ein digitales Archiv von Blogsport.de online weiter bestehen, müssten die Macher auf niedrigem Level weitermachen. Das wiederum bringe eben auch eine rechtliche Verantwortung mit sich, die sich die Macher in Zukunft nicht mehr aufhalsen möchten. „Als Kompromiss können wir uns vorstellen, Blogsport offline zu archivieren und irgendwie auf anderem Wege zugänglich zu machen“ sagt Klauda.</p>
<p>Blogsport.de sei für weitergehende Vorschläge in Sachen Archivierung offen. In Frage kommt etwa auch die <a href="https://twitter.com/blogsport_de/status/1072814590935920640">Wayback Machine von archive.org</a>. Bis dahin sei der Dienst weiterhin online verfügbar und die Nutzer:innen könnten ihre Inhalte über eine Export-Funktion in eine XML-Datei speichern. Diese lässt sich bei anderen WordPress-Bloghostern oder eigenen WordPress-Instanzen einspielen. Auch für die hochgeladenen Bilder soll eine Lösung gefunden werden.</p>
<p>Insgesamt reiht sich das angekündigte Ende des Underground-Hosters in den Trend zur Zentralisierung des Netzes ein. Mit Blogsport verschwindet ein weiterer alternativer Ort, der es Menschen ohne große Technikkenntnisse erlaubt hatte, einen eigenen Publizierungskanal zu öffnen – und dabei den großen Datenkonzerne und Plattformen und deren intransparente Regeln aus dem Weg zu gehen.</p>
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