Ausländerzentralregister: Mehr Daten für effizienteres Abschieben
<img width="860" height="484" src="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/11/abschiebung_demo_flughafen... class="attachment-landscape-860 size-landscape-860 wp-post-image" alt="" style="float:left; clear:both; margin:0 15px 15px 0;" srcset="https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/11/abschiebung_demo_flughafen... 860w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/11/abschiebung_demo_flughafen... 380w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/11/abschiebung_demo_flughafen... 1200w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/11/abschiebung_demo_flughafen... 660w, https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2018/11/abschiebung_demo_flughafen... 160w" sizes="(max-width: 860px) 100vw, 860px" />Demonstration gegen eine Sammelabschiebung am Flughafen Frankfurt.<span class='media-license-caption'> <a class="" rel="license" target="_blank" href="http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/deed.de">CC-BY-NC-ND 2.0</a> <a href="https://www.flickr.com/photos/cmdr/31676862623/in/photolist-HU8uyX-26bm3... >Sebastian Scholl</a></span><p>Mit dem Anfang 2016 in Kraft getretenen <a href="https://netzpolitik.org/2016/nach-sprengstofffund-in-chemnitz-forderung-... wurde ein „Kerndatensystem“ geschaffen, das die Datensammlung im Ausländerzentralregister <a href="https://netzpolitik.org/2016/gefluechtete-als-datenmasse-riesiger-datenp... erweiterte</a>. Es sollte Übersicht über eingereiste Personen geben, noch bevor sie einen Asylantrag stellen und so etwa Doppelregistrierungen vermeiden. Doch von der erweiterten Datensammlung sind auch Menschen betroffen, die sich unbefristet in Deutschland aufhalten dürfen.</p>
<p>Neben Grunddaten wie Namen, Lichtbild und Ausweisinformationen sind im sogenannten erweiterten Datenkranz zusätzliche Informationen gespeichert, etwa Fingerabdrücke oder Angaben zum Gesundheitszustand und zu Impfungen. Die <a href="https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/057/1905791.pdf">Antwort der Bundesregierung</a> auf eine Kleine Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke zeigt, dass auch von über 190.000 Personen mit unbefristeter Aufenthaltsgenehmigung mehr als ihre Grunddaten gespeichert werden.</p>
<p>Fragestellerin Jelpke findet das inakzeptabel und sagt gegenüber netzpolitik.org:</p>
<blockquote><p>Diese Menschen haben sich nichts zuschulden kommen lassen, der einzige Grund für ihre Erfassung liegt darin, dass sie ‚Ausländer‘ sind.</p></blockquote>
<p>Zudem sind im Ausländerzentralregister auch erweiterte Daten über Personen gespeichert, die sich längst nicht mehr in Deutschland aufhalten. Von etwa 2,2 Millionen bis Ende September registrierten Asylsuchenden oder sogenannten unerlaubt eingereisten Ausländern befinden sich laut Angaben der Bundesregierung circa 1,6 Millionen Personen in Deutschland.</p>
<h3>Verantwortung für Datenaktualisierung ist über viele Behörden verstreut</h3>
<p>Laut der <a href="https://www.gesetze-im-internet.de/azrg-dv/__18.html">Durchführungsverordnung für das Datenaustauschverbeserungsgesetz</a> werden Daten zu Ausländern, die Deutschland verlassen haben, nach zehn Jahren entfernt. Bestimmte Datenkategorien wie Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen sollen nach einem Jahr entfernt werden. Zuständig für das AZR ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das BAMF. Die Aktualisierung von Daten wird jedoch denjenigen Behörden überlassen, die die Daten zugeliefert haben, da nur sie „über die erforderliche Sachnähe“ verfügten, so die Bundesregierung.</p>
<h3>Kosten für das erweiterte AZR sind viel höher als geplant</h3>
<p>Die Kosten für das Kerndatensystem haben <a href="http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/070/1807043.pdf">die Schätzungen</a>, die im Gesetzentwurf gemacht wurden, bisher deutlich übertroffen. Die Implementierung des System kostete bisher über 24 Millionen Euro, vorgesehen waren mindestens 15,5 Millionen für die Einrichtung. Darüber hinaus ging die Bundesregierung 2016 von zusätzlichen jährlichen Kosten in Höhe von 4,5 Millionen Euro aus. Wie viel es tatsächlich sind, ist derzeit noch nicht absehbar, antwortete die Regierung auf Jelpkes Frage.</p>
<p>Ähnlich sieht es mit den Kosten für die Ankunftsnachweise aus, die zusammen mit dem Datenaustauschverbesserungsgesetz eingeführt wurden. Derartige Nachweise bekommen eingereiste Personen schon vor einem offiziellen Asylantrag, Über einen integrierten QR-Code können Behörden dann gespeicherte Informationen über die Eingereisten abrufen.</p>
<p>Ursprünglich waren dafür 35 Millionen Ausgaben im Jahr 2016 vorgesehen, doch bereits im September des betreffenden Jahres <a href="https://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/097/1809765.pdf">kamen 47 Millionen zusammen</a>. Auch die laufenden Kosten lagen bisher 50 Prozent höher als geschätzt. Statt 6 Millionen veranschlagte die Regierung kurze Zeit nach Einführung 9 Millionen pro Jahr.</p>
<h3>Im AZR sollen sich in Zukunft noch mehr Daten sammeln</h3>
<p>Die Pläne für das AZR sind längst nicht abgeschlossen. Derzeit erarbeitet die Bundesregierung einen Gesetzentwurf, demzufolge geflüchtete Kinder <a href="https://netzpolitik.org/2018/gesetzentwurf-innenministerium-will-fingera... ab einem Alter von 6 statt 14 Jahren</a> Fingerabdrücke abgeben sollen.</p>
<p>Mit einer <a href="https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2018/0501-0600/508-18.pd...Änderung der AZR-Gesetz-Durchführungsverordnung</a> sind außerdem weitere Datenerhebungen geplant, einen Entwurf dieser Verordnung diskutiert der Bundesrat am 23. November. Damit sollen beispielsweise zusätzliche Informationen über Ausweise und eventuelle Wohnsitzauflagen der betroffenen Personen in die erweiterten AZR-Daten aufgenommen werden.</p>
<h3>Eigentlich geht es um effizientere Abschiebungen</h3>
<p>Außerdem sollen weitere Behörden Daten automatisiert aus dem AZR abrufen können. Schon heute nutzen <a href="https://www.bva.bund.de/DE/Das-BVA/Aufgaben/A/Auslaenderzentralregister/... Bundesverwaltungsamt</a> „14.000 Partnerbehörden und Organisationen mit weit über 100.000 Nutzerinnen und Nutzern“ das AZR. Insgesamt 3.677 davon können nach Angaben der Bundesregierung auch automatisiert Daten aus dem AZR abrufen – ohne jedes Mal eine explizite Nachfrage zu stellen. Dazu gehören neben den Asylbehörden vor allen Jobcenter mit 408 berechtigten Stellen und Arbeitsagenturen mit 699 registrierten Ämtern.</p>
<p>„Das AZR soll perspektivisch zu einem zentralen Ausländerdateisystem weiterentwickelt werden“, schreibt die Bundesregierung. Was die Hintergründe dafür sind, verrät sie auch – eine erhoffte bessere Steuerung der „Rückführung und freiwilligen Ausreise“. Oder ohne Euphemismen ausgedrückt: effizientere Abschiebungen.</p>
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