Rostock: Vorbereitungen zu Gegenaktionen gegen AfD-Aufmarsch nehmen Züge an

Dem Spuk ein Ende setzen!

Die Vorbereitungen für die Gegenaktionen gegen den AfD-Aufmarsch am 22. September in der Rostocker Innenstadt nehmen erste Züge an. Verschiedene Bündnisse haben Aktionskonzepte erarbeitet. Die Mobilisierung ist bereits angelaufen. Die antifaschistische Koordination Rostock veröffentlichte jüngst einen Aufruf. Unterdessen wurde in Wismar ein nicht-weißer Mensch von drei Rassisten zusammengeschlagen.

Kommt nach Rostock, geht auf die Straße und tretet dem Rechtsruck praktisch und konsequent entgegen!

 

So heißt es zum Abschluss des kürzlich auf der Seite der Antifakoordination Rostock veröffentlichten Aufruf gegen den AfD-Aufmarsch am 22. September. Die AfD will dann zum sechsten Mal in diesem Jahr in der Hansestadt aufmarschieren. Diesmal ist das erklärte Ziel die Innenstadt. Dabei wollen die Rassist*innen einmal um den Kern des Zentrums laufen und auf dem Marktplatz eine Kundgebung abhalten. Bei den bisherigen Märschen der Partei blieben die Teilnehmer*innenzahlen im mittleren dreistelligen Bereich. Gerade angesichts der Ereignisse in Chemnitz, muss auch in Rostock mit einem Mobilisierungsschub im rechten Lager gerechnet werden. Dazu heißt es im Aufruf:

 

Die Ereignisse von Chemnitz lehren uns erneut, dass wir rassistischen und faschistischen Bewegungen mit aller Entschlossenheit entgegentreten müssen. Ebenso wie der NSU-Komplex, zeigen sie uns, dass dabei in den Staat keinerlei Vertrauen gesetzt werden darf.

 

Das sich dafür am 22. September allerhand staatliche Ordnungsmacht in Rostock einfinden wird, die vermutlich wieder einmal den Fokus auf das antifaschistische Lager legt, damit ist zu rechnen.

Als Grund für die permanenten Aufmärsche macht die Antifa Koordination den Versuch der AfD aus, Rostock durch ihre andauernden Propagandaveranstaltungen zu schleifen. Sinn dahinter ist es laut der AKR, dass die AfD das Klima in der Stadt nach rechts drängen will und sich so zur lokalen Bewegung aufschwingen möchte. Das ist mit Sicherheit ein Ziel der Partei und dazu macht sie mit dem gesamten rechten Spektrum der Stadt und des Umlands gemeinsame Sache, wie es bereits die Verfasser*innen des Aufrufs erkannt haben. Bisher findet der Kampf der Rechten um die Straße in Rostock und Mecklenburg-Vorpommern auf einem geringen personellen Niveau statt. Umso mehr engagieren sich die Antifaschist*innen vor Ort dafür, dass sich dieses Niveau noch weiter mindert, wie dem Aufruf zu entnehmen ist. Das ist ein wichtiges Anliegen, denn so schwächt man einen strategischen Pfeiler rechter Mobilisierung vor Ort, der auch bundesweit von Bedeutung wäre. Zudem ist die Verantwortung in Rostock, in Hinblick auf die Pogrome von Lichtenhagen 1992, besonders groß, dass es zu Zuständen wie in Heidenau oder Chemnitz hier nicht kommt. Dieser Verantwortung sind sich die Antifaschist*innen aller Sepktren vor Ort sehr bewusst.

Das sich die Verhältnisse auch in Mecklenburg-Vorpommern nach den rechten Ausschreitungen von Chemnitz wieder zuspitzen, zeigt ein Fall aus Wismar, nahe Rostock. Dort wurde am Mittwochabend ein 20-jähriger von drei Männern rassistische beleidigt und unter anderem mit einer Eisenkette geschlagen. Es ist nicht abwegig, dass auch die Täter von Wismar bereits an rassistischen Aufmärschen teilgenommen haben. Der Wismarer Bürgermeister Beyer (SPD) spricht im Zusammenhang mit der Tat offen von einer "Pogromstimmung" in Deutschland.

Um den Überblick über die geplanten Gegenaktionen zu behalten und immer informiert zu sein, empfiehlt es sich den Blog der AKR, die Seite des Bündnisses Rostock Nazifrei, sowie den Twitter Hashtag #HRO2209 im Blick zu behalten. Im Folgenden ist der Aufruf vollständig wiedergegeben.

 


 

Dem Spuk ein Ende setzen! – AfD-Aufmarsch in Rostock sabotieren, blockieren, angreifen!

Am 22. September will die faschistische Alternative für Deutschland einen Aufmarsch in Rostocks Innenstadt abhalten. Er ist Teil einer ganzen Serie von Demonstrationen durch die Partei in der Hansestadt. Verschiedene zivilgesellschaftliche Initiativen mobilisieren gegen dieses Vorhaben. Auch wir als Antifa-Gruppen werden Widerstand leisten. Macht mit!

 

 Von Toitenwinkel bis nach Lichtenhagen

 

Bereits fünfmal ist die AfD in Rostock in diesem Jahr aufmarschiert. Im März und April startete sie ihre Serie im Stadtteil Evershagen. Im Mai und Juni zog sie dann durch das Viertel Lütten Klein und Anfang August hielt sie eine Kundgebung im Ostseebad Warnemünde ab. Nun hat sich der rassistische Mob das nächste Ziel ausgewählt und will durch die Innenstadt laufen. Diesmal ist unter anderem Bernd Höcke als Redner angekündigt.

Die Strategie, die hinter der braun-blauen Wanderlust steckt, ist einfach zu durchschauen. Man will es dem Dresdner Pegida-Vorbild gleichtun und durch Aktivität auf der Straße das gesellschaftliche Klima beeinflussen, um regional zu einer relevanten Bewegung heran zu wachsen. Tatsächlich aber ist die Idee der rechten Quälgeister in der Hansestadt bisher nicht zum Selbstläufer nach sächsischem Vorbild mutiert. Und das, obwohl bereits mit allem paktiert wird, was das hiesige rechte Spektrum zu bieten hat. Auf den Märschen laufen deutsche Alltagsrassist*innen neben Saufnazis und Kameradschaftsmitgliedern. Vorneweg marschieren die Spitzen der Landes- und Lokal-AfD. Auf einen reibungslosen Ablauf achten unter anderem Ordner aus der Identitären „Bewegung“, deren Bundeszentrale nach wie vor in Rostock beheimatet ist. Und für Angriffe auf Journalist*innen und andere ist eine Mischszene aus rechten Hooligans und Neonazis zuständig. Dennoch nahmen selten mehr als 500 Menschen an den Veranstaltungen teil.

Zur Vergiftung des Klimas haben sie allerdings bereits beigetragen. So kam es seit Jahresbeginn immer wieder zu teils schweren rassistischen Gewalttaten. Mehrfach ereigneten sich körperliche Angriffe in Nahverkehrsmitteln, im Juli stachen zwei Rassisten auf einen Menschen aus Syrien ein und vor anderthalb Wochen schubste eine Gruppe von Rassisten eine Migrantin, die ein Baby im Arm hielt, in einen Teich. Die Aufmärsche, als kleiner Teil rassistischer Mobilmachung, zeigen also gefährliche Wirkung.

 

Die antifaschistische Basis ist vorhanden, bauen wir darauf auf

 

Stets begleitet wurden die AfD-Umzüge durch unseren lauten Gegenprotest. Immer wieder riefen bürgerliche Initiativen wie Rostock Nazifrei und Rostock Hilft zu Protesten auf, an denen regelmäßig um die 1000 Menschen teilnahmen. In der Nachbetrachtung der Märsche gingen wir üblicherweise als Gewinner*innen vom Feld. Diese Tatsache ist in der öffentlichen Wahrnehmung präsent und hilft dabei den angestrebten Drive in der rechten Mobilisierung abzuschwächen.

Als Antifa-Gruppen haben wir uns bisher an der Mobilisierung zu Aktionen gegen die Märsche beteiligt. Der Protest war stets lautstark und zumeist auch in Sichtweite zum Geschehen, einschränken konnten er die Aufmärsche aber nur anfangs. Wir beschränkten uns zu oft auf die angemeldeten Versammlungen und den guten Willen von Versammlungsbehörde und Polizei. Der passte dieser Burgfrieden ins Konzept. Immer wieder generierte sie sich als über allem stehende, demokratische Instanz, die das Recht aller auf freie Meinungsäußerung garantiert. Versuchte Übergriffe auf Journalist*innen, Hitlergrüße und ähnliches zählt sie zu diesem Recht scheinbar dazu. Das Verhalten gegenüber Antifaschist*innen dagegen ist nach wie vor rüde.

Die geringe Wirksamkeit unserer kommunistischen, anarchistischen und antifaschistisch-revolutionären Strukturen in den Gegenprotesten macht sich auch in ihrer inhaltlichen Ausrichtung bemerkbar. Oft prägten die großen Proteste inhaltsarme Anti-Naziparolen. Den Verweis auf Ideen, die über den gemeinsamen antifaschistischen Nenner hinausgehen und die AfD als Teilproblem eines falschen Ganzen betrachten, müssen wir wieder einbringen. Wir haben es aber in der Hand diese Dinge zu ändern. Die Basis, die wirksame antifaschistische Aktionen neben dem bunten Protest ermöglicht, ist auf jedenfall vorhanden. Nun gilt es die Fehler zu erkennen und zu beheben.

 

An Erfolge anknüpfen

 

Mit ihrem Vorhaben in der Rostocker Innenstadt zu marschieren, setzt die AfD bei uns und anderen Antifaschist*innen neue Kräfte frei. Denn wir sehen es als Affront an, dass nun das Zentrum der Stadt unter rassistischen Beschuss genommen wird. Rechte Strukturen gibt es auch hier allerhand. Schlagende Verbindungen wie die Obotritia oder die antisemitische Redaria-Alemania und die Bundeszentrale der Identitären „Bewegung“ in der Graf-Schack-Straße. Ebenso die Wohnung und Galerie des AfD-Landtagsabgeordneten Holger Arppe, der mit Verbindungen zu mutmaßlichen Rechtsterroristen und Mord- und Vergewaltigungsphantasien auffiel.

Bisher haben wir uns hier aber stets vehement gegen rechte Propagandaveranstaltungen gewehrt und es Neonazis und anderen Menschenfeinden schwer gemacht in diesen Vierteln einen Fuß auf den Boden zu kriegen. Dabei konnten wir uns auf viele Menschen verlassen und auf eine erfolgreiche Aktionsgeschichte blicken. Ein rechtes Bekleidungsgeschäft wurde achtkantig aus dem Kiez geschmissen, Neonazis von den Straßen gejagt und rechte Kundgebungen im Gemüsehagel versenkt. Erst vor wenigen Tagen verhinderten rund 300 Aktivist*innen eine spontane AfD-Kundgbung in Rostock.

Daran müssen wir anknüpfen. Die Zeiten der Zurückhaltung müssen angesichts des aufkeimenden Faschismus vorbei sein. Es gilt zu kämpfen!

 

Antifa heißt Angriff!

 

Die Ereignisse von Chemnitz lehren uns erneut, dass wir rassistischen und faschistischen Bewegungen mit aller Entschlossenheit entgegentreten müssen. Ebenso wie der NSU-Komplex, zeigen sie uns, dass dabei in den Staat keinerlei Vertrauen gesetzt werden darf. Wir müssen dafür sorge tragen, dass sich lokale rechte Strukturen nicht zu Bewegungen aufschwingen können indem wir intervenieren wo immer sie auftreten. Bisher operiert die örtliche AfD mit ihren Veranstaltungen auf einem gleichbleibend schwachen Niveau. Sorgen wir dafür, dass das noch schwächer wird.

Deshalb wird es am 22. September zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen gegen die AfD und ihre Versammlung geben. Zusätzlich wird die Innenstadt am Samstagnachmittag voll sein mit Bummelnden, die eine unübersichtliche Lage verursachen. Die Rahmenbedingungen sind also gut. Deshalb rufen wir euch auf: Informiert euch über Termine und Orte. Verschafft euch einen Überblick über die Gegebenheiten in der Rostocker Innenstadt und macht euch Gedanken, wie ihr dem Rassist*innenmob wirkungsvoll begegnen könnt. Achtet darauf wehrhaft und reaktionsschnell zu sein. Seid solidarisch, beteiligt euch an Aktionen, wenn ihr sie entstehen seht und nutzt das Durcheinander, um eigene Nadelstiche zu setzen. Kommt nach Rostock, geht auf die Straße und tretet dem Rechtsruck praktisch und konsequent entgegen!

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