Anarchistischer Aufruf für einen solidarischen Herbst

Event Datum: 
Samstag, Oktober 29, 2022 - 13:00
Stadt/Region: 
Wir melden uns mit einem eigenen Aufruf zur Demonstration „Solidarisch durch die Krise“ am 29.10. in Hamburg. Die Demo startet um 13 Uhr am Berliner Tor. Ihr findet den anarchistischen Block wie immer bei den schwarzen Fahnen. Unseren Aufruf und die Begründung, warum wir den Bünsnisaufruf nicht unterschrieben haben, lest ihr hier.

Warum ein anarchistischer Aufruf?

Am 29.10. findet in Hamburg mit der Demonstration „Solidarisch durch die Krise“ eine der größten Bündnisdemonstrationen aus dem (mit einigem guten Willen) linken Spektrum seit langem statt. Auch wir, der Schwarz-Rote 1. Mai, beteiligen uns an der Demo mit dem AnarchX-Block und sind an Organisation und Vorbereitung beteiligt.

Unseren Namen findet man jedoch nicht unter dem Aufruf des Bündnisses, vielmehr haben wir einen eigenen Aufruf verfasst, der weiter unten steht. Warum haben wir das getan?

Wir haben nicht vor, eine Bewegung, die solidarische Antworten auf die Krisen unserer Zeit sucht, zu spalten, vielmehr hoffen wir, dass eine solche Bewegung gerade im Entstehen ist. Dennoch haben wir einige Kritik am Inhalt des Aufrufs, seiner Entstehung und einigen Gruppen, die ihn unterzeichnet haben.

  • Der Aufruf wurde unserer Ansicht nach in einer Arbeitsatmosphäre verfasst, die keine Konsenskultur zuließ. Menschen mit ohnehin großem Redeanteil drückten ihre Ansichten durch und dominierten die Diskussion und den verfassten Text. Andere Stimmen kamen nicht oder zumindest nicht gleichberechtigt zur Geltung.

  • Die Forderungen des Aufrufs haben stark reformistischen Charakter. Natürlich begrüßen wir es, dass endlich eine Antwort von links auf die momentane Krise erfolgt und natürlich sehen wir ein, dass gewisse Kompromisse gemacht werden müssen. Jedoch geht unsere Kritik weiter als die des Bündnisses und wir werden unser Programm nicht dadurch entschärfen, dass wir einen Text unterschreiben, der Brotkrumen von denen verlangt, die an der Misere Schuld sind. Ursache für Armut, Krieg und Unterdrückung sind Regierungen, Nationalstaaten, das Kapital, Nationalismus, (Post-)Kolonialismus und Imperialismus. Dagegen gilt es zu kämpfen.

  • Viele der unterzeichnenden Gruppen leisten großartige Arbeit, in den Stadtteilen, in ihren Betrieben und anderswo. Es finden sich dort aber auch Jugendorganisationen von bürgerlichen Parteien, die in der aktuellen Regierung sitzen und von bürgerlichen Gewerkschaften, denen mehr an Klientelpolitik und sozialem Frieden liegt, als an sozialem Wandel. Wir sehen nicht ein, warum diesen Gruppen Gelegenheit gegeben wird, sich zu profilieren, wenn sie an Dachorganisationen hängen, die lediglich den Kapitalismus verwalten und das aktuelle System aus Eigennutz schützen.

Trotz aller Kritik stehen wir am 29.10. gemeinsam auf der Straße. Wir legen unsere Meinungsverschiedenheiten zur Seite und fordern einen wirklich solidarischen Weg durch die Krise und aus ihr heraus. Wer sich nicht mit Floskeln der Berufspolitiker*innen abspeisen lassen will, wer radikalen Wandel, ein Ende des Kapitals und eine herrschaftsfreie Gesellschaft will, in der das Wohl aller im Vordergrund steht, der*die schließt sich uns an. Wütend, energisch und unregierbar im AnarchX-Block.

Aufruf für den AnarchX-Block

Denn wir, die Arbeiter*innen, Studierenden, Schüler*innen, Rentner*innen und auch die Erwerbslosen halten diese Gesellschaft am Laufen. Wir gehen arbeiten, lernen, zahlen Steuern und schaffen Innovation und Kultur, nebenbei helfen wir uns gegenseitig in den Krisen solidarisch wo wir nur können. Seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten wird uns versprochen, dass wir uns mit „guter Arbeit“ ein „gutes Leben“ leisten können, dass irgendwann die Belohnung für alle Mühen winkt.

Jetzt herrscht aber, wie alle Jahre wieder, die nächste Krise. Nach Bankenkrise, Pandemie und Krieg nun Inflation, Energiekrise und Rezession.
Unser Lohn wird immer weniger, unser Leben immer teurer, Freiräume, die wir uns erkämpft haben, stehen nicht mehr nur im Fokus der Repression, sondern sind auch finanziell bedroht. Denn nicht nur privat, sondern auch in unseren politischen und kulturellen Räumen schlägt die Inflation hart zu. Ganz zu schweigen vom medizinischen Bereich, der seit Jahren unter steigendem Druck des Kapitalismus leidet. Sowohl die dort tätigen, als auch die auf gesundheitliche Versorgung angewiesenen Menschen zahlen die Zeche für ein profitorientiertes Gesundheitssystem.
Unsere Politiker*innen, Mächtigen, Reichen geizen mit allem, außer „guten“ Ratschlägen wie wir durch diese Zeiten kommen. Aber immer ohne die grundlegenden, relevanten Fragen zu stellen. Der Kern der Krise wird von den Entscheidungsträger*innen dieses Systems nicht angetastet – wir sollen dann Waschlappen benutzen, um uns zu waschen, wenn wir das Gas nicht mehr bezahlen können.

Denn dieses System ist nicht reformierbar, dieses System ist das Problem!
Das, was sie Demokratie nennen, ein Deckmantel für den Kapitalismus, hat nur ein Ziel: Umverteilung. Allerdings wird von unten genommen und oben an die Kapitalist*innen verteilt. Wie schon immer wird uns das, was wir mit unserer Arbeit erwirtschaften gestohlen und als sogenanntes Kapitalerzeugnis an die ausgeschüttet, die nichts dafür tun.
Wir sollen doch „einfach mal solidarisch sein“ und dabei zusehen, wie Milliarden in die Banken und Bundeswehr gesteckt werden und die Reichen immer reicher werden.

Während alle Lohnabhängigen ihre Gürtel enger schnallen müssen, im Winter frieren, immer mehr arbeiten sollen, während wir Angst haben müssen, uns unsere Mieten nicht mehr leisten zu können, rüstet der Staat auf. Die Bullen tasern Menschen „reanimationspflichtig“, wie sie selbst schreiben. Eine schöne Beschreibung für einen Polizeimord. Menschen, die vor Krieg und Elend fliehen, werden in autoritäre Länder abgeschoben, wo ihr Leben in Gefahr ist. „Sichere Herkunftsländer“ nennt sich das. Oder sie werden direkt an den EU-Außengrenzen durch Push-Backs oder unterlassene Hilfe ermordet. Gleichzeitig wird unsere Zukunft weggebaggert und verbrannt, alles für den Profit weniger und die Ausbeutung vieler.

Denn so verschieden unsere Kämpfe auch sein mögen: Als lohnabhängige Klasse, die kein Kapital außer ihrer Arbeitskraft oder eben ihrem bloßen Leben hat, können wir uns nur selbst helfen. Die Antwort auf die Repression, das Morden und die Ausbeutung kann nur Solidarität sein - grenzenlose Solidarität mit allen Unterdrückten dieser Welt, mit allen emanzipatorischen Kämpfen und mit unseren Nachbar*innen, Freund*innen und Kolleg*innen.

Deshalb reicht es nicht, einfach nur bei den Machthabenden um Almosen zu betteln. Wir geben uns nicht mit ein paar Reformen zufrieden, die uns möglicherweise gnädig gewährt werden. Bürgerliche Gewerkschaften und Parteien gehen zwar am 29.10. auf die Straße, um Solidarität zu fordern. Aber sie erkennen nicht, wo das eigentliche Problem liegt. Natürlich nicht, denn sie sind Teil dieses ausbeuterischen Systems. Sie treffen die Entscheidungen, die uns belasten und tragen mit der Sicherung des „sozialen Friedens“ dazu bei, uns ruhig und sie wohlhabend zu halten. Wir aber müssen das System stürzen. Nur selbstverwaltet und gleichberechtigt führt ein Weg heraus aus der andauernden Abfolge von Krisen. Wir streiten für eine Wirtschaft, in der das Wohl und die Bedürfnisse aller im Fokus stehen. Dafür brauchen wir keine Regierung und keine Partei. Dafür brauchen wir selbstbewusste, engagierte Menschen. Dann erschaffen wir die Utopie – Anarchie.

In diesem System gibt es nur eine Verwendung für Waschlappen und andere Stofffetzen! Kommt alle zusammen zur Demo „Solidarisch aus der Krise“ - natürlich in den AnarchX-Block, für revolutionären und fortschrittlichen Wandel! Am 29.10.22 um 13 Uhr am Berliner Tor – wie immer, dort wo die schwarzen Fahnen sind.
Lasst uns zusammen halten in diesen Zeiten, wie ein Waschlappen, eine Flasche Benzin und ein Feuerzeug um ein Feuer der Solidarität zu entfachen und diese Welt zu einer besseren zu machen!

Das Plenum des Schwarz-Roten 1. Mai

 

 

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