[HM] - Es marschiert nicht, sondern sickert ein.

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Am 2. Juli 2018 betrat das Satire-Kommando Kurt Tucholsky die Bühne, um sich mit einem bescheidenen Beitrag in die aktuelle Debatte um die Einrichtung eines Lern- und Dokumentationsortes am Bückeberg einzubringen. Am Bückeberg bei Emmerthal im Landkreis Hameln-Pyrmont fanden von 1933 bis 1937 die Reichserntedankfeste statt, wo bis zu 1 Mio. Zuschauer nicht nur "ihrem Führer" zujubelten, sondern auch explizit militärischen Übungen zuschauten - hier wurde ganz wesentlich zur Konstitution der Volks- und späteren Vernichtungsgemeinschaft beigetragen. Die Aktion beabsichtigt insbesondere, die Zusammenarbeit der lokalen CDU Emmerthal mit dem völkisch-autoritären AfD Kreisverband Weserbergland und "besorgten Bürgern" zu denunzieren. Dass diese Zusammenarbeit gerade in einer Frage der Erinnerung an den Nationalsozialismus erfolgt, halten wir dabei für besonders brisant.

Pressemitteilung des Satire-Kommando Kurt Tucholsky vom 2. Juli 2018 Anlässlich des bevorstehenden Besuches unserer Volksfreunde vom AfD Landesverband Niedersachsen haben wir uns als gefühlte Speerspitze der Emmerthaler Volksgemeinschaft (Anmerkung zur Güte: Wer sich dieser nicht zugehörig fühlt, muss sich diesen Text auch nicht zu Herzen nehmen.) heute Abend am Veranstaltungsort der Reichserntedankfeste von 1933-1937 eingefunden, um eine nach unseren Vorstellungen angemessene Erinnerung an die damaligen Ereignisse zu ermöglichen, indem wir ein eigenes Denkmal errichtet haben. Wir betrachten diese Form der Erinnerung als absolut ausreichend und äußerst ökonomisch zugleich, da wir das Schild sowieso nicht mehr gebrauchen konnten und das gesparte Geld jetzt direkt in neue Straßen, Schulen, Kindergärten und den Weltfrieden investiert werden kann (und wird!). Mit dieser gelungenen Aktion beenden wir unsere erfolgreiche Zusammenarbeit, die wir – nach dem je individuellem Maß an Schamgefühl, Restvernunft und ökonomischer Risikoabwägung – in der Wortwahl sowie in den Mitteln getrennt, doch in der Sache vereint durchgeführt haben. Um hier nur einige Aspekte unserer Füchschen-schlauen Vorgehensweise gegen die – eigentlich allmächtigen – antideutschen Schuldkultanhänger zu nennen: o Unser bürgerliches Gesicht, Timo Schriegel, sammelte als im Ort bekannter Fahrradfreund ganz fleißig Unterschriften gegen die Pläne zur Einrichtung eines Gedenk- und Lernortes am Bückeberg und war bei vielen Veranstaltungen als (natürlich) konstruktiver Kritiker anwesend. Auch in vielen Interviews für Funk und Fernsehen wusste er stets herauszustellen, dass die Erinnerung wichtig sei – aber eben nicht so. Dass niemand auf die Idee kam, einen tatsächlich durchdachten Gegenvorschlag einzufordern, amüsiert uns bis heute. o Unsere geschichtsrevisionistische Instanz, Karl-Otto Gericke, war auch bei vielen Veranstaltungen zugegen, schrieb fleißig Leserbriefe und war ebenfalls bemüht, im Beisein von Kameras ein freundliches Gesicht aufzulegen. Immer wieder gelang es ihm dabei den Umstand herauszustellen, dass die Bewertung des NS nicht ohne die Jahrzehnte davor erfolgen sollte. Im Gegensatz zur verbreiteten Meinung unter den Historikern weiß unser Kiesdealer des Vertrauens nämlich, dass die Deutschen nach Versailles ja gar nicht anders konnten, als den NS samt Holocaust ins Werk zu setzen. Während andere vor dieser großen Erkenntnis noch zurückschrecken, haben wir stets zusammengehalten und unserem Kieshistoriker damit den Rücken gestärkt – so wie er den unseren. o Das umtriebige Höcke-Fanclub-Mitglied, Delia Klages, war nicht nur durch die zurückliegenden Treffen des völkischen Flügels der AfD geschult in der sukzessiven Umsetzung einer „Erinnerungspolitischen Wende um 180°“, sondern durch ihren Sitz im Emmerthaler Rat auch dazu befähigt, unserem Anliegen auf politischer Ebene Gehör zu verschaffen. Dieser Einsatz gipfelte in einem Antrag auf eine Bürgerbefragung zur Einrichtung eines Lern- und Dokumentationsortes am Bückeberg, der – wissend, dass die Gemeinde in dieser Frage nicht entscheidungsbefugt ist – gemeinsam mit den Kameraden von der Emmerthaler CDU durchgebracht werden konnte. Wichtig ist er, um im Falle einer Mehrheit gegen den Gedenkort, die böse Missachtung des Volkswillens beklagen zu können und hinterher noch mehr Menschen für die Agitation der AfD empfänglich zu machen. o Insbesondere dieser große Wurf wäre nicht möglich gewesen, ohne die tatkräftige Unterstützung der Emmerthaler CDU, die sich nicht erst beim Thema Bückeberg mit der AfD angefreundet hat: Bereits zuvor konnte eine unangenehme Situation für Delia Klages abgewandt werden, die zwar bei der Weitergabe vertraulicher Ratsdokumente ertappt wurde, jedoch mit den Stimmen der CDU ohne Konsequenzen aus der Nummer rausgekommen ist. Hier kann auf kommunaler Ebene schon salonfähig gemacht werden, was bei einer weiteren Zuspitzung der gesellschaftlichen Verhältnisse auch auf Landes- und Bundesebene diskutiert werden wird. o Zuletzt sei auch noch unser Freund, Jürgen Lohmann, erwähnt, der als direkter Anwohner des Bückebergs, sowie als Unternehmer und in behaglichem Benehmen geschulter Kritiker des Projekts natürlich auf Fragen des demokratischen Prozederes hinweist, sich nach der Barrierefreiheit des geplanten Erinnerungsortes erkundigt und sich doch trotzdem – so geschehen bei einer Veranstaltung in der Sumpfblume – am Ende ganz Wohl in unserer Runde fühlt (auch wenn er leider aus terminlichen Gründen an unserem Fototermin unpässlich war). Schließlich haben wir doch alle ein gemeinsames Interesse! Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, was wir aber – in Ermangelung eines damit verbundenen Erkenntnisgewinns – unterbleiben lassen. Wichtig wäre einzig noch zu erwähnen, dass diese erfolgreiche Zusammenarbeit ganz wesentlich dadurch ermöglicht wurde, dass unsere Gegnerinnen und Gegner (insbesondere aus Emmerthal selbst) weitgehend fassungslos zugeschaut haben und uns nichts Wahrnehmbares entgegengesetzt haben. Ihr tosendes Schweigen hat uns immer wieder darin bestärkt, uns als legitime Vertreter der Emmerthaler Volksgemeinschaft zu begreifen und den Volkswillen – das heißt: Die Verhinderung eines weiteren „Denkmals der Schande“ (gemeint ist hier nicht das AKW Grohnde!) – zum Sieg zu verhelfen. Björn Höcke wäre sicher stolz auf uns!

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