Antifaschistische Tanzdemonstration in Dresden Löbtau

Event Datum: 
Samstag, Juni 23, 2018 - 15:30
Stadt/Region: 
Wie im letzten Jahr organisiert die Löbtauer Nachtbarschaft wieder eine Tanzdemonstration. Nachdem im letzten Jahr das Motto "Los gehts" eher einen aktivierenden Charakter hatte, wollen wir dieses Jahr "Dran Bleiben" - Dran bleiben an Themen die den Stadtteil betreffen. Ein paar von ihnen möchten wir im Folgenden darlegen und ausführlicher beleuchten!

 

Wie im letzten Jahr organisiert die Löbtauer Nachtbarschaft wieder eine Tanzdemonstration. Nachdem im letzten Jahr das Motto "Los gehts" eher einen aktivierenden Charakter hatte, wollen wir dieses Jahr "Dran Bleiben" - Dran bleiben an Themen die den Stadtteil betreffen. Ein paar von diesen möchten wir im Folgenden darlegen und ausführlicher beleuchten!

 

DRAN BLEIBEN am Recht auf Stadt!

 Im Gegensatz zum ländlichen Raum ist Dresden eine wachsende Stadt. Durch den Verkauf der städtischen Wohnungsgenossenschaft und die damit einhergehende Privatisierung von Wohnraum steigen die Mieten schneller, als die Weißeritz bei Hochwasser fließt. Mit einer Steigerung um 6,8% auf 6,09 Euro war der Anstieg des Mietspiegels 2017 der höchste der letzten 10 Jahre*1. Bundesweit liegt die Landeshauptstadt bei Wohnungen über 100 m² mittlerweile sogar knapp über dem Durchschnitt*2.

 Auch die rot-rot-grüne Stadtregierung hat daran nicht viel geändert. Zwar wurde mit der Neugründung der WOBA die folgenschwere Entscheidung von 2006*3 teilweise rückgängig und ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Trotz dessen geht auch unter einer "linken" Stadtratsmehrheit die Mietschere immer weiter auseinander. In Dresden werden fast ausschließlich Großbauprojekte im höher klassigen Preissegment realisiert. Dies führte u.A. dazu, dass der Anteil von günstigem Wohnraum (von höchstens 4,50 €) im Zeitraum von 2010 bis 2016 von 21% auf 11% abstürzte *4. Neubauten befinden sich fast ausschließlich auf einem Preisniveau von über 10€ pro m².

 Ein Akteur, der diese Entwicklung massiv vorantreibt, ist die CG-Gruppe. Die Investmentgruppe tat sich in den letzten Jahren vor allem durch Bauprojekte in Berlin und Leipzig hervor. Die zynisch anmutende Eigenbeschreibung bringt die Herangehensweise der CG-Gruppe auf den Punkt: „Wir richten uns nicht nach Standards, wir setzen sie“*5. Dies trifft auch auf ihre Auswirkung auf die Mietpreisentwicklung zu.

 Im hart umkämpften Leipziger Immobilienmarkt baut die CG-Gruppe nach eigenen Angaben schon jede dritte Eigentumswohnung. In Berlin ist sie maßgeblich an der Umstrukturierung ganzer Kieze beteiligt. Auf der Rigaer Straße*6 wird mit massiver Gewalt gegen die Bewohner*innen ein Luxusprojekt durchgesetzt, dessen Mieten sich in einem eher prekär geprägten Stadtteil kaum jemand leisten kann. So beeinflussen die Bauprojekte erheblich den Mietspiegel der Quartiere.

 Eine ähnliche Entwicklung ist im Dresdner Westen zu beobachten. Auch hier investiert die CG-Gruppe strategisch in aufwertbare Stadtteile wie Friedrichstadt und Löbtau. Auf der Löbtauer Straße entstehen zur Zeit 148 neue Wohneinheiten. Das sogenannte "Löbtau Carre"*7 wird auf der Internetpräsenz als "Wohnen im grünen Viertel" angepriesen. Dass die angestrebte Miete mit 12,50 €/ m² fast doppelt so hoch ist wie die durchschnittliche Miete im Stadtteil*8, wird dabei nicht erwähnt. Bei den bestehenden Freiflächen in Löbtau wäre es nicht verwunderlich, wenn es nicht das letzte Projekt der CG-Gruppe wäre. Eine logische Konsequenz wird über kurz oder lang die Verdrängung von Menschen mit geringeren Einkommensmöglichkeiten aus dem Stadtteil sein, wie z.B. Hartz-VI-Empfänger*innen, Leiharbeiter*innen und Menschen, die im Niedriglohnsektor angestellt sind.

 Somit führt die Politik privater Investoren zu Ausgrenzung, da sie eine massive soziale Ungleichheit fördert und die Chancen auf bezahlbarem Wohnraum im innerstädtischen Bereich und sozialer Teilhabe verringert. Städte wie Hamburg oder München zeigen, was mit einer Gesellschaft passiert, die nicht auf die Bedürfnisse jener Menschen eingehen kann, die nicht die nötigen finanziellen Mittel haben, um einem aufgeblähten Immobilienmarkt standzuhalten.
Für uns sieht eine Stadt für Alle anders aus! Für uns ist eine Stadt ein sozialer Raum, der auf die Bedürfnisse aller eingehen muss und nicht zur Profitmaximierung genutzt werden darf. Das Recht auf Wohnraum ist ein elementares Gut, das es zu erhalten gilt!

 Aus diesem Grund ist es wichtig, sich zusammenzuschließen, Mieter*innen-Initiativen zu gründen und sich für bezahlbaren und sozialen Wohnraum für alle einzusetzen!

 

 DRAN BLEIBEN an den Strukturen der extremen Rechten!

 Der Dresdner Westen ist weiterhin ein Ballungsort der rassistischen und menschenfeindlichen Aktivitäten der letzten Jahre in Dresden. Das starke Wahlergebnis der AFD zur BTW 2017 in Löbtau (durchschnittlich ca. 20%)*9, der Angriff*10 auf eine Eritreerin am Amalie-Dietrich-Platz Anfang diesen Jahres und rechte Propaganda in Form von Graffitis*11 sind dabei nur einige Beispiele einer längerwährenden Entwicklung im Stadtteil.

 Der gesellschaftliche Rechtsruck geht auch an Löbtau nicht vorbei. So konnten sich in den letzten Jahren verschiedene Strukturen der extremen Rechten herausbilden. Neben dem Thor Steinar - Laden*12 auf der Kesselsdorfer Straße versucht auch die neonazistische Kleinstpartei „Dritter Weg“ sich zu im Dresdner Westen zu etablieren. Gerade in Gorbitz, aber mittlerweile auch mehr nach Löbtau hinein, werden Plakate gehängt und Sticker geklebt. Auch die Identitäre Bewegung und die Junge Alternative versuchen immer wieder Präsenz im Straßenbild herzustellen. In Anbetracht der sächsischen Landtagswahlen 2019, bei denen die AFD auf einen historischen Wahlerfolg hinarbeitet, werden die rechten Aktivitäten eher zu- als abnehmen. Für uns bedeutet das, auch unsere Aktivitäten zu verstärken und eine antifaschistische und selbstorganisierte Perspektive im Dresdner Westen stark zu machen. Nicht erst zu reagieren, wenn etwas geschehen ist, sondern in die Offensive zu gehen, eigene Themen zu platzieren, die solidarischen Strukturen im Stadtteil sichtbar zu machen und für ein breiteres Spektrum zugänglich zu sein sowie Perspektiven jenseits von Ausgrenzung und Kapitalismus aufzuzeigen.

 Dafür müssen wir weiterhin die Strukturen der extremen Rechten im Auge behalten, diese offenlegen und diesen entgegenwirken. Eine solidarische Gesellschaft funktioniert nur ohne Ausgrenzung und Rassismus.

 

DRAN BLEIBEN am solidarischen Leben

  Die oben skizzierten Entwicklungen sind Teil eines gesellschaftlichen Umbaus, der sich mit der Wiedervereinigung Deutschlands enorm verschärft hat. Dies ist kein Dresden- oder Deutschland- spezifisches Problem. Weltweit sind Entwicklungen wie Verstädterung, enormer Konkurrenzkampf und aufkommender Rechtspopulismus zu beobachten. Durch die Finanzkrise 2007 sind diese Entwicklungen noch einmal beschleunigt worden und haben für Länder wie Griechenland oder Italien noch wesentlich stärkere Auswirkungen, als wir sie hier in Deutschland wahrnehmen.

 Nichtsdestotrotz gibt es weltweit Bewegungen, die sich dem totalitären kapitalistischen Umbau widersetzen und Alternativen aufbauen, die auf eine solidarische Gesellschaft hinwirken: die Proteste gegen den Bau eines Einkaufszentrums anstelle des Gezi-Parks in Istanbul/ Türkei, die sich schnell zu landesweiten Protesten gegen das Erdgoan- Regime entwickelten, die Proteste gegen die EU-Sparpolitik in Griechenland oder auch die immer stärker werdenden "RechtAufStadt"- Initiativen in Berlin, die sich gegen die nicht mehr zu bezahlenden Mieten einsetzen. Dies sind nur einige Beispiele für eine positive Entwicklung fernab von Ausgrenzung und rechter Stimmungsmache.

 In kaum einer anderen deutschen Stadt aber ist der rechte Rollback so stark zutage getreten wie in Dresden. Das Pegida u.a. auch eine Reaktion auf eine zunehmend konkurrenz- und druckbasierte Gesellschaft ist, in der viele nicht ihre Rolle finden, ist offensichtlich. Die gezogenen Konsequenzen sind leider die falschen. Das Treten nach unten, Ausgrenzung von sozial Schwächeren und die Rückbesinnung auf autoritäre Strukturen sind kein Lösungsansatz. Damit ist Pegida nur eine reaktionäre Antwort auf ein reaktionäres System und keinen Deut besser.

 Unser Ansatz ist ein anderer: Wir wollen eine solidarische Gesellschaft von unten. Was bedeutet das für uns? Wir wollen versuchen, die Selbstverwaltung in den Stadtteilen von unten her zu organisieren, Projekte aufzubauen, die ein anderes Miteinander lebhaft spürbar machen, eine aktive Nachbarschaftshilfe aufzubauen, in der ein Miteinander anstatt eine Gegeneinander möglich ist, Kollektive organisieren, die ihre Möglichkeiten fernab von staatlichen Strukturen verwirklichen, Kollektive, in denen die Stimme und Bedürfnisse des Einzelnen Gehör finden und jeder unabhängig von Einkommen und sozialer Stellung seinen Platz findet.

 Wir finden, dass Löbtau dafür ein gutes Pflaster ist. Hier hat sich in den letzten Jahren abseits der Dresdner Neustadt eine aktive Nachbarschaft entwickelt. Projekte wie das „Platz Da“*13 bieten den Raum, als Nachbarschaft in Austausch zu treten und über Wünsche, Bedürfnisse und Organisationsformen zu diskutieren oder auch einfach nur sich kennen- und unterstützen zu lernen. Die vielfältigen Angebote an Selbsthilfewerkstätten wie dem "Nähwerk"*14 oder die "Werkstattpiraten"*15 laden dazu ein, Ressourcen und Fähigkeiten zu teilen. Auch Menschen ohne großes Einkommen bekommen hier die Möglichkeit, Projekte zu verwirklichen. Dies ist ein wichtiger Schritt zu einer unkommerziellen und gesellschaftlichen Teilhabe. Und auch im Kleinen bewegt sich etwas in unserem Stadtteil. So ist z.B. mit der Aktion "Eine Bücherzelle für Löbtau"*15 ein Stückchen öffentlicher Raum für die Gemeinschaft zurückgewonnen worden. Darüber hinaus wurde im Rahmen eines vielfältigen Vortragsprogramms über verschiedene Themen diskutiert, wie z.B. solidarische Ökonomie innerhalb der Vortragsreihe "An Otter World is possible".

 Natürlich soll neben all den positiven Aspekten auch Selbstkritik nicht zu kurz kommen. Viel zu oft drehen sich unsere Politikansätze um eigene Bequemlichkeit und Selbstverwirklichung. Nicht die Veränderung der Gesellschaft, sondern das „bessere“ Leben im falschen steht im Vordergrund. Gehetzt von Individualisierung und Selbstoptimierung vergessen wir die eigene Position im kapitalistischen Verwertungssystem und den darauf aufbauenden gesellschaftlichen Strukturen.

 Wir müssen von unserem „Szene“- Selbstbezug wegkommen und fernab von „Sozialarbeit“ der gesellschaftlich vorherrschenden Segregation entgegenwirken. Wir müssen wieder in Stadtteilen präsent werden, die für uns verloren scheinen, wieder mit Selbstbewusstsein auf die Menschen zugehen und gemeinsam mit ihnen Alternativen entwickeln.

 Die außerparlamentarische Linke hat es lange Zeit verpasst zu analysieren, was die vorherrschenden gesellschaftlichen Probleme sind und wie diesen entgegenzuwirken ist. Gerade in Dresden wurde es zum Beispiel nicht geschafft, einen „rot-rot-grünen-Stadtrat“ vor sich herzutreiben und sich gerade in Sachen Wohnungsmarktpolitik als Alternative zu präsentieren. Wo waren wir, als das Hochhaus auf der Grunaer Straße*17 zwangsgeräumt wurde und wochenlang durch die Medien geisterte? Wo sind wir, wenn die Stadt Millionen für Großevents wie den Ski-Weltcup*18 ausgibt, nur damit die pittoreske Altstadtkullise für drei Tage über die Bildschirme der Republik flimmert, während Tausende in derselben Stadt perpektivlos unter der Armutsgrenze leben?

 Wir müssen neue Ideen und Perspektiven entwickeln, die die gefühlte Ohnmacht der außerparlamentarischen Linken in der Stadt überwinden. Gerade drei Jahre nach Pegida sollten wir versuchen, eigene Inhalte zu setzen und nicht nur den Rassist*innen hinterher laufen. Antifaschismus darf darüber natürlich nicht vergessen werden, sondern muss gezielt mit anderen Themen verbunden werden.

 Wir sind uns bewusst, das wir mit einer Tanzdemonstration keine große gesellschaftliche Perspektive entwickeln werden. Wir hoffen trotzdem gemeinsam mit vielen Menschen aus den Stadtteilen auf die Straße zu gehen, Anstöße für neue Ideen zu liefern und Antifaschismus wieder attraktiver zu machen.

 Wir würden uns freuen, euch am 23.06.2018 um 15:30 am Bahnhof Mitte begrüßen zu dürfen. Wir hoffen, dass ihr mit uns gemeinsam auf die Straße gehen wollt und euch gegen den europäischen Rechtsruck und städtische Aufwertung und für Selbstbestimmung positioniert!

 

*1 http://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Neuer-Mietspiegel-Staerkster-Mietanstieg-in-Dresden-seit-zehn-Jahren

 *2 https://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Dresden/7351

 *3 http://www.spiegel.de/wirtschaft/milliardendeal-dresden-verkauft-wohnungsbestand-und-wird-schuldenfrei-a-405194.html

 *4 https://lichdi.blog.datenkollektiv.net/2017/03/12/neue-woba-dresden-gegruendet/

 *5 https://www.cg-gruppe.de/Innovationen/Innovationsstandards

 *6 https://samariga.noblogs.org/wer-ist-cg-gruppe/

 *7 https://www.cg-gruppe.de/Standorte/Dresden/Carre-Loebtau?sortBy=date&sortOrder=DESC

 *8 https://www.immobilienscout24.de/wohnen/sachsen,dresden,loebtau-sued/immobilien.html

 *9 http://wahlen.dresden.de/2017/btw/uebersicht_wahlbezirk-92300-loebtau-nord_grumbacher_str_gesamt.html

 *10 https://www.addn.me/nazis/junge-frau-bei-rassistischer-attacke-in-gorbitz-durch-hundebiss-verletzt/

 *11 http://www.dnn.de/Dresden/Polizeiticker/Polizei-nimmt-Hakenkreuz-Schmierer-fest

 *12 https://www.sz-online.de/nachrichten/ein-stadtteil-wehrt-sich-3591420.html

 *13 https://www.platzda.pl/

 *14 http://naehwerk.org/

 *15 http://werkstadtpiraten.blogsport.de/

 *16 https://konglomerat.org/projekte/buecherzelle.html

 *17 https://www.sz-online.de/nachrichten/zwangsraeumung-im-hochhaus-am-pirnaischen-platz-3782854.html?desktop=true

 *18 https://www.tag24.de/nachrichten/dresden-ski-weltcup-elbe-sport-veranstaltung-wintersport-schnee-kosten-energie-420045

 

Weiterführende Links:

https://twitter.com/AntifaLoebtau

https://www.facebook.com/events/173604750013165/

https://twitter.com/lobtau_stadt

https://twitter.com/PlatzDa_DD

 

 

 

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