Auf geht’s, ab geht’s, entspannt militant - Zur Militanzdebatte in der Klimabewegung

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Stoppt das Bullshit Bingo!

Dass zurzeit in der Klimabewegung ständig der Begriff "Militanz" fällt, erinnert uns ein bisschen an das an Gerede über Blockchain oder AI. Ein Buzzword, das wichtig klingt, wenig bedeutet und vor allem beeindrucken soll. Diejenigen, die es verwenden, wirken automatisch effektiver und authentischer im Kampf gegen die Gesamtscheiße.

Militanz also.

Wenn es bei der Militanzdebatte nur um ein Label geht – als würden wir uns beim diskutieren um ein Bild von uns selbst drehen –, so ist das auch nur Teil des Protestspektakels; es hilft uns überhaupt nicht dabei, dem Kapitalismus Widerstand zu leisten, während er die Menschen und die Welt weiter in den Staub trampelt. Und wenn wir die Art und Weise unserer Kämpfe nicht ändern, sind das alles bloß hohle Phrasen!

Ehrlich gesagt, wir wollen nicht mit euch über Begriffsdefinitionen reden.

Zusammen mit euch wollen wir die fehlende Sprengkraft der Bewegung entwickeln, um unsere Gegner anzugreifen und ihre Maschinenlahmzulegen. Wir haben die ersten Schritte auf diesem Weg unternommen und sind noch lange nicht fertig. Weitermachen werden wir alle gemeinsam.

Handlungsmacht und Ende Gelände

Diese Praxis der Sabotage ist das Einzige, was für uns erträglich macht, täglich mit den Auswirkungen der Klima-Apokalypse fertig zu werden. Die Nachrichten über Flut- und Dürrekatastrophen und Waldbrände überall auf der welt zu lesen, durch sterbende Wälder zu laufen oder uns in Lützerath mitanzusehen wie sich der Kohlebagger immer weiter auf das Dorf zu frißt. Es tut gut, nicht mehr nur traurig und ohnmächtig, wütend und voller Hass zu sein.

Der Zerstörung gegenüberzustehen, die Unternehmen wie RWE, Uniper, Shell und Dow Chemical anrichten, erinnert uns jetzt nur an unsere Hoffnung, dass wir die ganze Scheiße irgendwann abschalten werden. Diese Hoffnung wird umso lebendiger, je mehr unser Wissen wächst und je mehr wir lernen, unserer Wut, unserer Frustration effektiv Ausdruck zu verleihen. Solidarität allen die überall verstreut mitmachen! Wenn wir hören, dass andere Gruppen Klimasabotage betreiben, freuen wir uns jedes Mal. Und an alle die noch überlegen: nur Mut, Freund*innen!

Auf dem Weg zu radikalem, selbstbestimmtem politischem Handeln brauchen die meisten Aktivist_innen Orientierungspunkte, an denen sie kollektives Handlungsvermögen erfahren können. Dass wir, zusammen, die Macht der Energiekonzerne brechen können, haben wir, erstmals bei Aktionen von Ende Gelände erfahren.

Gleichzeitig läuft EG Gefahr, bei kurzfristigen Störungen im Betriebsablauf und Symbolpolitik zu stehen zu bleiben. Wir fühlen uns immer noch mit EG verbunden, aber wir wollen etwas schmerzhafter sein. Wir wollen die Werkzeuge, mit denen unser unser aller Lebensgrundlage ausgebeutet wird, so dauerhaft wie möglich unschädlich machen.

Ein Vorschlag zur Organisierung

Wir denken dass große Plattformen und Gruppen wie EG zwar geeignet sind für niedrigschwellige Sabotage wie z.B. Schottern.

Jedoch können andere Formen der Zerstörung von fossiler Infrastruktur, die länger dauern oder geheim bleiben müssen um zu funktionieren, nicht angekündigt von einem Finger gemacht werden. In anderen Teilen der radikalen Linken hat es sich bewährt, als vernetzte Kleingruppen zu agieren.

Viele wissen nicht so recht wie und mit wem sie die Sache anfangen sollen.

Wahrscheinlich fallen euch in euren Gruppen und unter euren Freund_innen schon Einige ein mit denen ihr euch vorstellen könnt die Kampfansage ‘Investitionsriesiko’ in der Tat umzusetzen. Fangt einfach an, über eure Vorstellungen zu reden und euch regelmäßig zu treffen, denn ihr solltet euch kennenlernen, wenn ihr euch nicht schon länger kennt.

Diese gemeinsam verbrachte Zeit von 2-3 Stunden wöchentlich mag vielleicht auf den ersten Blick nicht notwendig erscheinen. Und trotzdem sollte ihre Bedeutung nicht unterschätzt werden.

Sichtbar wird nicht nur das Weltbild der anderen Personen, es ist nicht nur ihr Verhältnis zu Privateigentum, es geht nicht nur um einen Blick auf die Akteure der Klimakrise oder ihre Aktivitäten. Das reden über eure Erfahrungen oder Ängste ist ein wichtiges verbindendes Element welches den Grundstein legt für Vertrauen. Dieses ist wiederum notwendig in unsicheren oder unklaren Momenten und stellt die einzige richtige Absicherung gegen staatlichen Einfluss dar.

Sobald fest steht, dass ihr personell und politisch gut zusammenpasst könnt ihr erste Aktionen mit geringem Risiko zusammen machen. So lässt sich heraus finden, wie sich die anderen in einer Aktion verhalten und gutes Zusammenarbeiten auch unter Druck kann geübt werden. Aktionsideen findet ihr zum Beispiel im Prisma.

Möglicherweise müsst ihr diesen Prozess der Gruppenbildung mehrmals von vorne anfangen. Dennoch, schließlich wirds für euch möglich sein, Angriffe auf die Infrastruktur der Verursacher:innen der Klimakrise zu planen um sie, mit einem größeren aber immer noch kalkulierbaren Risiko für euch selbst, effektiv zu treffen.

Überlegt euch an diesem Punkt: Wollt ihr überprüfen ob alles, was die anderen über ihre Biografie erzählt haben, auch stimmt? Wir sind der Ansicht, daß ein Backgroundcheck sinnvoll sein kann um sich vor Spitzeln zu schützen... Aber sicher haben manche Leute auch gute Gründe, nicht alles über ihre Herkunft und Vergangenheit zu erzählen. Verlangt es nicht von anderen gegen deren Willen – gebt euch Mühe, euch nicht zu Verdächtigungen, zu übertriebener Angst hinreißen zu lassen.

Dem Gesetz nicht mehr zu gehorchen, etwas zu wagen, ist mit viel Unsicherheiten, und belastenden Ausnahmezuständen verbunden. Angst und Freude – miteinander zu teilen ist für uns selbstverständlich.

Fragt euch auch: Wie könnt ihr euch gegenseitig nach der Aktion emotional unterstützen? Die Gefühle, die entstehen, wenn ihr von eurer Aktion in der Zeitung lest oder andere Leute von eurer Aktion reden hört, sind Ziemlich heftig und kommen manchmal unerwartet! Deshalb denken wir dass es zwar schon möglich ist, reine Zweckgemeinschaften ohne emotionale Verbindung zu bilden, aber das kann nicht lange halten kann und Einigen den Schlaf rauben wird.

Der Verfassungsschutz und die Bullen skizzieren das Bild von hochprofessionellen Militanten, die dem Rest der Bewegung an Wissen und “Beziehungen” überlegen sind. Unserer Erfahrung nach ist das absoluter Quatsch, denn wir mussten zwar Einiges recherchieren, aber im Vergleich zum Stress war Planung und Durchführung ungeheuer leicht. Mensch muss sich im Wesentlichen trauen und es einfach tun! Die erhofften militanten Aktionen werden nicht von anderen für uns gemacht werden. Diejenigen, die das Notwendige tun werden, sind du und ich.

wir wollen weiter mit euch reden!

Dies ist jedoch nicht nur ein Versuch, euchzur Klimasabotage aufzurufen. Wir sehen die Gefahr, ohne die Kritik anderer politische und strategische Fehler zu machen. Der Schritt hin zu illegalen Aktionsformen ist automatisch einer in die Geheimnistuerei, denn die Repression zwingt uns dazu, über die Dinge die wir tun nur mit denjenigen zu sprechen die direkt damit zu tun haben. Dadurch bekommen wir kaum Feedback von unseren Freund*innen und dem Rest der Bewegung. Deswegen suchen wir das Gespräch mit anderen Bezugsgruppen.

Liebe anonyme Militante, vielen dank für den Anfang, den ihr gemacht habt! Die Veröffentlichung "Keine Militanz ist auch keine Lösung" kam genau richtig kam.

Wer sich radikal für den Klimaschutz einsetzt und darüber schreiben will, der sollte darauf achten der Polizei die Ermittlungsarbeit nicht allzu leicht zu machen. Benutzt Tails, und habt im Blick, daß teilweise auch der Schreibstil unter die Lupe genommen wird. Das ist vor allem wichtig wenn ihr Aktionserklärungen oder Anleitungen veröffentlicht. Weil es nicht so leicht ist anonyme Email-Accounts zu bekommen kann schlagen wir vor über Indymedia oder Mastodon zu kommunizieren. Diesen Text haben wir auch mit dem Profil https://kolektiva.social/@somefriends unter dem Hashtag #ClimateDirectAction veröffentlicht.

Wir sind gespannt auf Eure Antworten.

für die Freiheit, für das leben

Einige Freund*innen

Hilfreiche Anleitungen:

Prisma:

https://militanz.blackblogs.org/42/

A Field Guide to Monkeywrenching: https://archive.org/details/EcodefenseAFieldGuideToMonkeywrenching_201802

Umgang mit DNA in der Praxis

https://archive.org/details/dna_comic_web

Trainstopping

https://anarchistsworldwide.noblogs.org/files/2019/10/brosch%C3%BCre-DE_web.pdf

Anleitung zur Nutzung des Tails-Live-Betriebssystems für sichere Kommunikation, Recherche, Bearbeitung und Veröffentlichung sensibler Dokumente

https://capulcu.blackblogs.org/wp-content/uploads/sites/54/2018/12/Tails2018-12-23-A4.pdf

Sicherheitskultur

https://archive.org/details/sicherheitskulturweb

Schöner leben ohne Spitzel

https://archive.org/details/alb_schoener_leben_ohne_spitzel_2011

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