Prozess gegen eine psychiatriekritische Aktivistin wegen "übler Nachrede"
Die Beschuldigte soll (laut Anklageschrift) am 13. Dezember 2016 zusammen mit anderen Menschen die Vorlesung „Basiswissen Psychiatrie“ des Dr. med. Rainer Jung in der Ostfalia Hochschule in Wolfenbüttel betreten haben. Dem „gemeinsam gefassten Tatplan entsprechend“ (Zitat aus der Anklageschrift) sollen dort Flyer verteilt, eine Rede verlesen und ein Transparent in die Höhe gehalten worden sein. In dem verteilten Handzettel soll angeblich „wahrheitswidrig“ behauptet worden sein „Dr. Jung begehe Straftaten der Körperverletzung“ (Zitat aus der Anklageschrift).
Nun flatterte letzte Woche eine Ladung zum Prozess am 27.2. bei der Angeklagten ein.
Klar ist, dass im AWO Psychiatriezentrum, in dem Dr. Rainer Jung leitender Oberarzt war, - wie in anderen Psychiatrien auch – Zwangsmaßnahmen stattfinden, die aus der Sicht von Betroffenen, von Aktivist*innen (der Initiative Zwangbefreit) und dem UN-Sonderberichterstatter über Folter Juan Ernesto Méndez Menschenrechtsverletzungen sind. Und kein Gericht der Welt kann diese Missstände wegurteilen. Derzeit werden diese verharmlost, verheimlicht und an den Rand der öffentlichen Diskussionen gedrängt – das bedeutet aber nicht, dass es immer so bleiben muss.
Die Aktivist*innen der Initiative Zwangbefreit hoffen, dass das Gericht zu Gunsten der Angeklagten urteilt, um so dem Thema (Zwangs)Psychiatriekritik, als ein solches, das noch mehr in den öffentlichen Diskurs gehört, ein Zugeständnis zu machen. Weiter fordern wir, dass das Gericht, die Staatsanwaltschaft und andere Akteur*innen Kritik an der (Zwangs)Psychiatrie und den Protest für Menschenrechte nicht (weiter) kriminalisieren.
„Die menschenverachtenden Zustände in der Zwangspsychiatrie bedürfen einer Abschaffung; und die „Hilfe“*systeme für Menschen, von denen derzeit -viele auch gegen den Willen- in psychopathologische Schubladen gesteckt werden, bedürfen einer kompletten Neuordnung. Menschen müssen über ihren Aufenthaltsort, ihre medizinischen Behandlungen, ihre Freizeitgestaltung, ihre (beruflichen) Perspektiven und allgemein über ihre Zukunft und Gegenwart selbst entscheiden dürfen“ (Zitat Angeklagte). Die Anklage gegen die beschuldigte Aktivistin macht deutlich, wie viel sich mit der Gewalt und struktureller Diskriminierung in der Psychiatrie von Seiten psychiatrischer Akteur*innen auseinandergesetzt wird: Offensichtlich sehr wenig bis gar nicht. Statt sich mit der eigenen Position kritisch auseinanderzusetzen nutzt Jung mit der Anzeige eine sich ihm bietende Chance der Machtausübung durch die Repressionskeule und verschiebt das Täter*innen-Opfer-Verhältnis (macht sich zum Opfer „dieser ungerechten Aktivist*innen“, statt seine Rolle als Zwangsausübender zu hinterfragen).
Angeklagt ist eine - aber gemeint sind wir alle.
Liebe Menschen, die ihr euch mit der Sache und der Angeklagten solidarisch seht, ihr seid herzlich eingeladen diesem Prozess beizuwohnen und die Angeklagte zu unterstützen – mit eurer Anwesenheit z.B. :-) !
Zitat Angeklagte: „Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn sich Leute an dem Tag für den Prozess Zeit nehmen.“
Hier der Link zu einem Aktionsbericht vom 13.12.2016 von der Initiative Zwangbefreit.
Die Vorwürfe, die gemacht werden, sollen laut Akte im Rahmen dieser Aktion stattgefunden haben:
https://initiative-zwangbefreit.jimdo.com/2018/02/19/27-februar-2018-pro...
Auf einen Blick:
Wann?:
Dienstag, der 27. Februar 2018 um 13 Uhr
Wo?:
Amtsgericht Wolfenbüttel
Rosenwall 1A
38300 Wolfenbüttel
Raum/Saal 32