34C3 Solidarität mit den G20-Gefangenen

Event Datum: 
Samstag, Dezember 30, 2017 - 14:00
Stadt/Region: 
Am 30.12. 14:00 in der Glashalle schießen wir gemeinsam ein Solifoto und schicken es den Menschen in Haft. Kommt vorbei, bringt Banner mit! Lasst uns gemeinsam vom 34C3 ein starkes Signal der Solidarität in die Knäste schicken.

Erinnerst du dich noch?
Damals – 2008?

Die geplante Vorratsdatenspeicherung (VDS) brachte in Berlin 100.000 Menschen auf die Strasse – ein Jahr später wurde sie vom Verfassungsgericht aufgehoben. In dieser Zeit gab es eine riesige Kampagne gegen den Überwachungsstaat. Von autonomen Gruppen über Bürgerrechtsvereine bis hinein in das Parteienspektrum fand eine riesige Debatte „Freiheit stirbt mit Sicherheit“ statt....

Und dieses Jahr? War da was?
Also abseits der ganzen Panikmache vor dem G20, des Polizeistaats während dessen und der nachfolgenden Hetze?

Von der Öffentlichkeit unbeachtet brachte der Sommer diesen Jahres gleich eine ganze Reihe von neuen Gesetzen und Maßnahmen mit sich:

~ Es ist jetzt offiziell nicht mehr möglich anonyme SIM-Karten zu besitzen, sondern diese müssen per Perso freigeschaltet, also individualisiert werden.
~ Die Quellen-TKÜ (auch Online-Durchsuchung) erlaubt das Auslesen aller Vorgänge auf Rechnern und Smartphones.
~ Der Widerstandsparagraph wurde deutlich verschärft: Es reicht nun wenn Polizeibeamte behaupten, du hättest sie geschubst und du gehst für drei Monate ins Gefängnis.
~ Zugleich darf die Polizei ab nun Menschen einfach selbst als „Gefährder*innen“ definieren und ohne Gerichtsurteil einsperren.
~ Zudem wird die automatische Gesichtserkennung in Berlin getestet und die Bundesinnen-Pfeiffe Maizere träumt offen von einem flächendeckenden Einsatz.
~ Und immer noch lauert da die Vorratsdatenspeicherung, wieder ist es gerade an den Gerichten, sie zuzulassen oder auch nicht
~ Zustätzlich wurde mit linksunten.indymedia.org eine Open-Content-Plattform verboten, die verschiedenen widerständigen Gruppen und Projekten eine Plattform bot.

Und während es 2008 immerhin noch massenhafte Proteste gegen die Vorratsdatenspeicherung gab, blieben Proteste egal welcher Form dieses Jahr fast gänzlich aus. Keine bundesweiten Demos, kein Kopieren von Fingerabdrücken durch den CCC, kaum Glasbruch durch Anarchist*innen, wenige Stimmen, die den „liberalen Staat“ verteidigen in den führenden Meinungsblättern der Republik. Und das, obwohl die oben beschriebenen Maßnahmen viel weitreichendere Folgen haben als die VDS. Was sich hier herauskristallisiert, ist ein Wechsel im bürgerlichen Verständnis des Staates gegenüber den Bürger*innen. Früher gab es zumindest die Erzählung eines Staates, der durch die Bürger*innen kontrolliert werde. Mittlerweile wird ganz offen auf diese verzichtet und das Gegenteil wird Realtität. Die Polizei wird dabei immer weiter militarisiert und mit eigenen Rechten versehen, ihre ursprünglich postulierte Funktion als „Staatsdiener in Uniform“ weicht nach und nach der Position eines eigenständigen politischen Akteurs im Wahn um die „absolute Sicherheit“.

Wobei Sicherheit hier natürlich nicht meint, dass alle Menschen, die hier leben oder neu ankommen, die Sicherheit haben, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, gesellschaftliche Anerkennung und Teilhabe – kurzum ein gutes Leben zu genießen. Sicherheit heißt hier vor allem: Die existierenden gesellschaftlichen Spannungen nicht zu lösen, sondern die Momente zu unterdrücken, in denen sie sichtbar werden.

Wenn jeder Schritt überwacht wird, jedes Fehlverhalten gegenüber der Polizei immer härter bestraft, sie unantastbar werden soll, dann bewegen wir uns in einen Polizeistaat hinein, in dem kaum mehr der kleinste Regelbruch, geschweige denn ernsthafter Widerstand gegen gesellschaftliche Verhältnisse möglich sein soll.

Wohin eine solche Dynamik führt ließ sich in Hamburg diesen Jahres beobachten:

Während Zehntausende sich aufmachten, um gegen die miesen gesellschaftlichen Verhältnisse unserer Zeit und für ein besseres Leben auf die Strasse zu gehen, kreierte die Polizei von Anfang an ein krasses Bedrohungsszenario: Tagelange Grenz- und Autobahnkontrollen, das Einrollen von Panzern in die Stadt und die Erklärung der gesamten Innenstadt zur demonstrationsfreien Zone zeigten uns plastisch wie ein polizeilicher Ausnahmezustand aussieht. Als eigener Akteur abseits der Gerichte setzte die Polizei mit Rückendeckung der Politik gewaltsam ein selbstausgesprochenes Campverbot durch. Schon ab Dienstag, spätestens jedoch ab Donnerstag Mittag begannen die Beamt*innen dann auf alles einzuprügeln, was ihnen nicht in den Kram passte. Hunderte von zum Teil Schwerverletzten und mehrere „zerschlagene“ Versammlungen prägten das Bild vom „Fest der Demokratie“, das Scholz und Merkel vorhergesagt hatten. Und wäre diese gesamte Brutalität uniformierter, vermummter und bewaffneter Banden, ausgestattet mit der vollen Rückendeckung durch ihre Führung nicht schon genug, drangen Freitag Abend mit Maschinengewehren Bewaffnete in Wohnviertel ein und bedrohten Anwohner*innen, Journalist*innen und Sanis.

Dass es trotzdem vielfältige Aktionen des Widerstandes – von kreativ bis militant – gab, dass es trotzdem den Menschen gelang, die Bilder aus der Elbphilharmonie mit brennenden Barrikaden zu stören, war ein schwerer Schlag für die Exekutive.

Und so kam was kommen musste:

In Erklärungsnot und Zugzwang begann eine zwar vorherseh- aber nicht hinnehmbare Hetze auf allen Kanälen. Das wirre Geschwafel, dass soweit reichte, die Schließung ganzer Viertel zu fordern, kulminierte in der Woche vor Weihnachten in einer in der BRD so noch nicht gekannten Hexenjagd. Nachdem die Polizei erst zur massenhaften Denunziation aufforderte und viel zu viele ihr bereitwillig folgten – veröffentlichte sie am 18.12. Fahndungsfotos von 104 Personen. Die Boulevardpresse nahm dies natürlich begeistert auf.

Und während einige Menschen schon mit absonderlichen Vorwürfen zu absurden Haftstrafen veruteilt sind, müssen nun 104 Menschen eine andere Facette der Repression spüren. Denn noch ohne, dass ihnen eine konkrete Straftat nachgewiesen wurde, sind sie nun zum Teil gut erkennbar im Internet, sind den Reaktionen von Arbeits-, Schul-, Familienumfeld ausgesetzt, werden noch lange Zeit mit diesem Stigma leben müssen. Das ist egal bei welchem Vorwurf nicht hinnehmbar! Und machen wir uns bewusst hier sind geht es teilweise um die Mitnahem einer Flasche Cola und fünf Bananen aus einem offenen REWE  – just saying.

 

Wir finden das Alles nicht richtig!

Wir lehnen die Idee eines Staates ab, in dem alle zu gläsernen Menschen werden und sich möglichst anpassen sollen.

Wir wollen ein freies, teilweise chaotisches und unkontrollierbares Leben führen. Dabei stellen wir uns entschieden gegen Überwachung, Denunziation und die Repression des Staates.

Und wir sind (nicht nur) solidarisch mit allen Menschen, die wegen des G20-Gipfels verfolgt werden.

Wenn du dies teilweise oder vollkommen auch so siehst, haben wir ein paar praktische Vorschläge für dich:

    Besuche und verbreite die Seite g20-doku.org

    Informiere dich und spende an: unitedwestand.blackblogs.org

Und abseits davon: Tue dich mit anderen zusamnen, beschäftige dich mit dem Zusammenhang zwischen Überwachung, Digitalisierung, Kapitalismus und Staat. Suche dir Leute in deiner Umgebung oder Stadt, die es ähnlich sehen und überlegt euch, wie ihr aktiv werden könnt.

Und last but not least:

Am 30.12. 14:00 in der Glashalle schießen wir gemeinsam ein Solifoto und schicken es den Menschen in Haft. Kommt vorbei, bringt Banner mit! Lasst uns gemeinsam vom 34C3 ein starkes Signal der Solidarität in die Knäste schicken.

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