[H] Haus auf dem Bumke-gelände besetzt - und geräumt
Am Samstag wurde in Hannover ein Haus auf dem Bumke Gelände besetzt. Nach anderthalb Stunden räumten dei Bullen mit großem Trara. Es war trotzdem eine gelungene Aktion
Besetzung des Bumke-Geländes
Am Samstag den 4. Dezember wurde das Bumke-Gelände von Aktivist*innen verschiedener Initiativen (u.a. Bumke selber machen und Nordstadt solidarisch) kurzzeitig besetzt, um gegen den Investor Gerlach und die weitere Gentrifizierung in unseren Stadtteilen zu protestieren. Damit wurde ein Zeichen gegen die investor*innenfreundliche Politik in Hannover gesetzt .
Am Ort des Geschehens öffneten wir den Raum für eine gemeinsame Diskussion der Menschen aus dem Stadtteil. Schnell kam vor dem Haus eine solidarisch interessierte Versammlung mehrerer hundert Menschen zusammen. Noch bevor es zu der für 14:30 geplanten Stadtteilversammlung auf dem Bumke-Gelände kommen konnte, fuhr eine massives Polizeiaufgebot inkl. dreier Wasserwerfer auf.
Direkt nach dem Eintreffen des Großaufgebotes der Polizei, wurden die Menschen vor der Eingangtüren des Bumke-Hauses angegriffen. Eine Person wurde zu Boden gebracht und über einen längeren Zeitraum von Polizeikräften mit dem Knie auf seinem Kopf fixiert. Dies führte zur Bewusstlosigikeit. Die Person musste ins Krankenhaus gebracht werden, ist aber noch am Samstag wieder entlassen worden. Es geht ihr gut. Weitere Demonstrierende wurden weggezerrt und tätlich angegriffen.
Diese Polizeigewalt ist symptomatisch für die Wohnungspolitik in Hannover. Investor*innen werden von Politik und Verwaltung hofiert. Steigende Mieten und Verdrängung sind die Folge. Sobald Mieter*innen
dies nicht kritiklos hinnehmen und sich mit einer solchen Aktion selbst ermächtigen wollen, stehen gewaltbereite Polizist*innen bereit.
Letztlich konnten die Besetzer*innen das Gelände unbemerkt von der Polizei verlassen, und Polizei und Feuerwehr fanden nur noch leere Räume vor. Dies war wegen der massiven Polizeigewalt entschieden worden.
Auch wenn die Besetzung nur von kurzer Dauer war, konnten wir einiges deutlich machen. Wenn der Investor im gesamten Verfahren eine öffentliche Begehung abgelehnt hat, dann nehmen wir uns das Recht zu
einer Begehung selbst. Wenn der Investor in den Wochen zuvor schon ein kleines Transparent am Nachbarhaus unterbindet, dann konnten wir heute die Gestaltung der Bumke-Fassade selber machen: So unter anderem ein 10m langes Transparent „Investor*innen stoppen. (Nord)Stadt für alle erkämpfen".
Während in Hannover der Klimaschutzaspekt beim Bauen von der Politik ignoriert wird, wollen wir eine Stadtentwicklung, die mit dem 1,5 Grad Ziel vereinbar ist. So war auch ein Transparent „Lützerath ist
überall" zu sehen.
Eine kleine Stadtteilversammlung wurde dann trotzdem noch an der Lutherkirche veranstaltet. Wir wollen uns für die Zukunft weiter in den Austausch mit den Menschen im Stadtteil begeben, um den weiteren
Ausverkauf der Nordstadt zu verhinden. Wir wollen gemeinsam Mittel und Wege finden, Investoren zu stoppen und Stadt für Alle zu erkämpfen.
Insgesamt werten alle Beteiligten die Aktion trotz der schnellen Räumung als Erfolg, weil mehere hundert Menschen beteiligt waren und verschiedene Gruppen gutbzusammengearbeitet haben. der Kampf geht weiter!
Eine Bemerkung: Die Besetzung war keine Aktion der IL-Hannover, obwohl ihre social-media- posts das suggerieren. Einzelne Mitglieder waren zwar solidarisch, aber es kotzt einige Teilnehmer_innen ganz schön an, dass die IL so tut als hätte sie die Aktion durchgeführt.
Nachsatz: fast auf den Tag vor einem Jahr (5. Dezember) wurden in Hainholz die Häuser in der Roten Reihe besetzt. Die gehören der Stadt
Hannover. Ziel der Besetzung war gemeinsam mit Wohnungslosen selbstbestimmten Wohnraum zu schaffen. Die Häuser wurden damals binnen
weniger Stunden von einem Großaufgebot der Polizei geräumt. Sie stehen jetzt immer noch Leer.
Hier noch Hintergrundinformationen und O-Töne zum Bumke-Gelände und ein Artikel aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.
Auf dem Bumke-Gelände plant Theo Gerlach Wohnungsbau einen Mix aus exklusiven Eigentumswohnungen, Mietwohnungen für 15EUR/qm und BEFRISTET „preisgedämpften" Wohnungen. Für die befristete Preisdämpfung bekommt der Investor einen Millionenbetrag an Steuergeldern. Zunächst werden die "preisgedämpften" Wohnungen, auch für unsere "Alltagsheld*innen" wie Supermarktangestellte oder Altenpfleger*innen bezahlbar sein. Die Preisbindung endet aber nach 10 oder 15 Jahren. Dann wird frei vermarktet. Die Folge: Die Armen werden verdrängt. "_Befristete Preisbindungen sind doch ein Fehler im System. Die Armen dürfen dann zwar ab und zu wiederkommen, aber nur zum Bedienen, Putzen und an der Kasse sitzen - nicht mehr zum Wohnen in der Nordstadt." _fasst Mietrechtsaktivist Jan von Nordstadt Solidarisch zusammen.
Der Bau- und Gebäude Sektor ist für 40% des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, eine Forderung der Klimabewegung ist, dass die klimaschonende Umnutzung Vorrang vor Abriss/Neubau haben muss. Um Platz für seine Version der Stadt der Reichen zu schaffen, will Gerlach aber alle Gebäude und selbst das völlig intakte Bumke-Haus am E-Damm abreißen, wobei ein falscher Grundriss als Abrissargument dient. Mit solcher Kahlschlag-statt-Kreativität-Bauherrenmentalität kommen wir nicht auf den 1,5 Grad Pfad! Politik und Investor haben bisher einfachste Forderungen wie eine Klimabilanzierung oder die neutrale
Prüfung der Umnutzbarkeit verweigert. "_Ihr lasst uns keine Wahl. Für das 1,5 Grad-Ziel muss Umnutzung Vorrang haben - das Bumke-Haus muss bleiben!" _kommentiert Klimagerechtigkeitsaktivistin Ella.
Das Bumke-Gelände ist aber nur ein Beispiel dafür, wie Wohnen zur profitablen Ware gemacht wird. Immer mehr Menschen in der Nordstadt bangen um ihr Zuhause. Auch soziokulturellen Projekten (Schwule Sau,
Kopi, Lilienhöfe) droht das Aus. Von der Investor*innenfreundlichkeit von Politik und Verwaltung in Hannover fühlen sich weitere Immobilienfirmen ermuntert und kaufen die nächsten Häuser zur
Entmietung und Profitmaximierung. Ergebnis: Mietsteigerungen und Verdrängung gehen ungebremst weiter. Damit muss Schluss sein! "_Endlich wird wieder besetzt, wir sind doch nicht der nette Szene-Kiez der sich alles gefallen läßt_." sagt Nachbarin Liselotte zur Besetzung.
Das ganze "Beteiligungsverfahren" des Investors war von Beginn eine Farce, wie erwartet wurde immer wieder getrickst und Fakten vorenthalten. Die Arroganz gegenüber den Bewohner*innen in der Nordstadt und die Ignoranz gegenüber dem Klimaschutz ist nicht hinnehmbar! "_Bisher stande die Politik zahm und zahnlos an der Seite der Investor*innen. Dann heißt es jetzt 'selber machen'_!" meint Lina zum investorengesteuerten Beteiligungsverfahren.
Im Fall des Bumke-Geländes wurde aus Politik und Verwaltung immer wieder gesagt, das sei nun mal Gerlachs Eigentum, da könnten wir nicht viel machen. Das bestätigt abermals: "Wenn es unmöglich ist, Lösungen im bestehenden System zu finden, sollten wir das System an sich ändern." (Greta Thunberg bereits 2018).
Mit dieser gemeinsame Aktion von Aktivist*innen aus verschiedenen Initiativen wie z.B. "Bumke selber machen" und "Nordstadt solidarisch" wollen wir deutlich machen: Es reicht! Um hier ein Stück solidarische
"Stadt für Alle" zu erkämpfen, müssen wir uns mit den Menschen im Stadtteil organisieren - denn die Politik hat sich bisher weitgehend an die Seite des Investors gestellt! „_Wir werden um jeden Euro, den der
Investor weniger an Profit kassiert, um jede Tonne CO2, die eingespart werden kann und um jeden Quadratmeter Wohnraum, der in gemeinwohlorientierte Hand kommt, kämpfen _!" fasst Mike von der
Initiative Bumke selber machen den künftigen Auftrag zusammen.
Sofortiger Abriss-Stop! Für den Erhalt des Bumke-Hauses! Investor*innen
stoppen! (Nord)Stadt für alle erkämpfen!---
Presse:
HAZ, 05.12.21
Polizei fährt Wasserwerfer auf: Aktivisten räumen besetztes Bumke-Gelände in der Nordstadt wieder
Exakt ein Jahr nach der Besetzung von Häusern an der Schulenburger Landstraße hat eine Initiative am Samstagmittag die Abrissimmobilien am Engelbosteler Damm in Hannover besetzt. Die Polizei kam mit zahlreichen Einsatzkräften und Wasserwerfern – die Besetzer räumten das Gebäude aber am frühen Nachmittag von selbst.
Am Samstagmittag haben Nordstädter Aktivisten das ehemalige Gewerbegelände der Firma Bumke am Engelbosteler Damm besetzt. Nach eigenen Angaben waren mehrere Dutzend Besetzerinnen und Besetzer im Gebäude. Die Polizei fuhr ein Großaufgebot an Wasserwerfern und Einsatzkräften auf, das wegen zweier Demonstrationen ohnehin in der Stadt war. Nach gut einer Stunde rückten die letzten Besetzer aus dem Haus ab, die Aktion ging friedlich zuende.
Bumke-Gelände in Hannover besetzt
Die Besetzung startete um 13 Uhr. Eine Viertelstunde später war ein erster Polizeiwagen vor Ort, die Besatzung verhielt sich aber zunächst abwartend. Gegen 13.45 Uhr fuhr die Polizei dann ein massives Aufgebot auf. Wegen einer Demonstration der AfD am Landtag und einer Gegendemonstration seien die Kräfte ohnehin im Einsatz gewesen, sagte Polizeisprecherin Janique Bohrmann. Der Engelbosteler Damm war ab etwa 13.30 Uhr komplett gesperrt.
Das Bumke-Gelände ist umstritten im Stadtteil. Nachdem das alteingesessene Unternehmen zum Weidendamm umgezogen ist, soll das Areal zu Wohnraum entwickelt werden. Das Unternehmen Theo Gerlach hat mit dem Abriss begonnen. Initiativen aus dem Stadtteil protestieren, dass dort zu teurer Wohnraum entstehe. Sie wollten das Gelände selbst weiternutzen und umbauen.
Deshalb ging es nach Angaben der Besetzerinnen und Besetzer auch am Samstag um selbstbestimmtes Wohnen und bezahlbare Mieten. Offenbar haben sich mehrere Initiativen für die Besetzung zusammengeschlossen, darunter „Nordstadt solidarisch“ und „Bumke selber machen“. Sie fordern den Stopp des Abrisses und eine gemeinschaftliche Entwicklung des Areals. Das Unternehmen Theo Gerlach dagegen argumentiert, bereits gut ein Jahr Bürgerbeteiligung veranstaltet zu haben. Zudem wolle man 45 Prozent des Wohnraums preisreduziert anbieten.
„Stoppzeichen gegen investorenfreundliche Politik“
Die Besetzungsszene hingegen bezeichnet die Bürgerbeteiligung in einer Stellungnahme als „Farce“. Gerlach schaffe teure Eigentumswohnungen und Mietwohnungen mit 15 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, heißt es in einer Stellungnahme. Die preisreduzierten Wohnungen würden mit Millionenaufwand aus Steuergeld gegenfinanziert, trotzdem laufe die Preisbindung nach zehn bis 15 Jahren aus. Die Besetzung solle daher „ein Stoppzeichen gegen die investorenfreundliche Politik in Hannover setzen“.
Tatsächlich muss die Politik der endgültigen Planung für das Gelände noch zustimmen. Der Abriss aber hat bereits begonnen. Der rückwärtige Teil des Areals ist ein Trümmerhaufen. Die Nordstädter Aktivisten fordern, dass zumindest die jetzt noch stehenden Gebäude erhalten werden. Das sei allein schon aus Klimagründen besser als ein Abriss und Neubau.
Während der Besetzung war die Stimmung vor Ort gereizt. Als die ersten Polizeiwagen eintrafen, flogen Pflastersteine und Baustellenabsperrungen auf die Straße. Die Besetzer betonen, dass damit nur die Straße blockiert werden sollte, dies stelle keine Gewalt dar. Die Polizei hingegen bezeichnete das in Durchsagen als Gewalt gegen Polizeifahrzeuge.
Vor dem Gittertor des Bumke-Geländes, das die Besetzerinnen und Besetzer am Mittag aufgebrochen hatten, kam es zwischenzeitlich zu Gerangel mit Polizeikräften in voller Einsatzmontur. „Wir sind friedlich, was seid ihr?“, skandierten die untergehakten Besetzer. Auf beiden Seiten kam es zu Verletzungen.
Nach Angaben der Besetzer wurde einer ihre Aktivisten verletzt, als er angeblich „über längeren Zeitraum von Polizeikräften mit dem Knie auf seinem Kopf fixiert“ wurde. Die Person sei bewusstlos und ins Krankenhaus gebracht geworden. Die Polizei bestätigte, dass ein Besetzer ins Krankenhaus kam, nach ihren Angaben aber nur leicht verletzt. Umgekehrt wurde nach Angaben der Polizei auch ein Beamter bei dem Einsatz schwer verletzt.
Gegen 14.10 Uhr führten die Beamten unter Applaus einiger Hundert Schaulustiger fünf Besetzer ab, die das Tor blockiert hatten. Die Polizei schrieb Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs, zudem leitete sie nach Angaben von Sprecherin Bohrmann Ermittlungen wegen Widerstandes, Landfriedensbruchs und Hausfriedensbruchs ein.
Um 14.48 Uhr ist die Polizei im Haus
Um 14.48 Uhr ging die Polizei ins Gebäude. Einsatzkräfte mussten verschlossene Bereiche aufbrechen, auf der Straße waren laute Rammgeräusche zu hören. Zu dem Zeitpunkt befanden sich allerdings keine Besetzerinnen und Besetzer mehr darin. Zuvor waren zwei Mitglieder der Berufsfeuerwehr ins Haus gegangen, weil Rauchentwicklung zu sehen war. Dort wurde aber nichts festgestellt. Gegen 15 Uhr zogen die Wasserwerfer ab.
So war die Besetzung vor einem Jahr
Erst nach Stunden geräumt: Besetzung der Häuser Schulenburger Landstraße 197 in Hannover von der Initiative "Sonst besetzen wir" im Dezember 2020. Quelle: Conrad von Meding (Archiv)
Zuletzt war vor exakt einem Jahr ein Ensemble leerstehender Häuser an der Schulenburger Landstraße besetzt worden, um gegen Wohnungslosigkeit und den Leerstand nutzbarer Gebäude zu demonstrieren. Die Besetzung war noch am gleichen Abend geräumt worden.
Von Conrad von Meding
Ergänzungen
Weitere Presse
https://taz.de/Nach-Hausbesetzung-in-Hannover/!5817206/