Anklage gegen zwei Sicherungsverwahrte wegen angeblichem Giftanschlag

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Im Frühjahr 2020 berichtete ich über einen angeblichen Mordversuch in der Abteilung Sicherungsverwahrung (SV) der Justizvollzugsanstalt Freiburg. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft tatsächlich Anklage zum Schwurgericht erhoben.

 

Die Vorgeschichte

 

Zur Osterzeit behauptete ein Insasse der SV, in seinem Tiefkühlgemüse, welches er in der Gemeinschafts-Eistruhe aufbewahrte, hätten sich blaue Klumpen befunden. Eingeleitete polizeiliche Ermittlungen ergaben, es soll sich um Rattengift gehandelt haben. Kurz vor dem angeblichen Giftanschlag war es zu einem körperlichen Angriff auf den Gemüsebesitzer und einen weiteren Verwahrten gekommen. Beide waren verprügelt worden. Von eben jenen zwei Tatverdächtigen, ebenfalls Sicherungsverwahrte, die nun in den Verdacht gerieten, das Gemüse des Mitverwahrten vergiftet zu haben.

 

Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Freiburg erließ Haftbefehl gegen Fenrir und Slim, wie ich die beiden in vorangegangenen Artikeln genannt habe. Sie kamen nach Offenburg, bzw. Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft.

 

Die polizeilichen Vernehmungen

 

Die Freiburger Polizei vernahm in den Folgewochen diverse Insassen. Lediglich ein potenzieller Zeuge verweigerte jede Aussage, alle übrigen Insassen sagten aus, und manche davon kamen offenbar regelrecht in einen Redefluss und dienten sich sogar als Hilfspolizisten an, versprachen den Kriminalbeamten, sie würde andere Insassen befragen, bzw. aushorchen. Ein Insasse wollte gar aus seiner Zelle im 4. Stock genau gehört haben, wie die beiden Tatverdächtigen im Gefängnishof Pläne schmiedeten hinsichtlich körperlicher Angriffe auf andere Insassen. Ein weiterer Insasse wusste der Polizei zu berichten, dass einer der nun Verdächtigen ihn schon im Vorfeld der angeblichen Tat von Vergiftungsabsichten berichtet und gewarnt habe. Er möge nichts bei dem späteren Tatopfer essen, da man seine Vergiftung plane, so sei ihm gesagt worden. Auch über das angebliche Gift wussten viele Insassen erstaunliche Details: Es sei wohl aus den Rattenfallen im Gefängnishof entnommen worden. Ein redefreudiger Insasse mutmaßte, es könnte jedoch durchaus auch eingeschmuggelt worden sein.

 

Jetzt erfolgt die Anklage

 

Wie nun die Badische Zeitung in ihrer Ausgabe vom 19.11.2020 berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Freiburg Anklage gegen die beiden tatverdächtigen Sicherungsverwahrten wegen versuchten Mordes erhoben, aber auch wegen Verdachts der gefährlichen Körperverletzung wegen der Schlägerei. Die Dosis des im Tiefkühlgemüse entdeckten Gifts sei potentiell tödlich gewesen, deshalb dann auch die Anklageerhebung zum Schwurgericht. Von anderer Seite wurde berichtet, beide Angeschuldigten sollen nun noch psychiatrisch begutachtet werden, da eine Verurteilung zur Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) in Betracht komme.

 

Der Ausblick

 

Sollten Fenrir und Slim verurteilt werden, droht ihnen neben einer längeren Haftstrafe die weitere Anordnung der Unterbringung in der SV, so dass eine Freilassung in noch weitere Ferne rücken dürfte. Zu einer eigentlich erforderlichen umfassenden Aufarbeitung der Geschehnisse gehört die Klärung der Frage, was es mit Menschen macht, die in der SV eintreffen und die letztlich nur einen langen, dunklen Tunnel ohne wirkliche Perspektive vor sich sehen. Die beiden Tatverdächtigen, sie sind gerade mal 36 bzw. 37 Jahre jung. Nun waren sie angekommen im zynisch als „Totenhaus“ verschrienen SV-Trakt! Aber hier müssen jährlich Insassen zu Grabe getragen werden, was in einer Gemeinschaft von rund 50 – 55 Menschen jedes Mal auch eine seelische Belastung darstellt. Nämlich zu erleben, dass mutmaßlich das eigene Ende genau so aussehen wird wie das der soeben Verstorbenen: Tod in der Zelle! Ohne jemals wieder die Chance bekommen zu haben, in Freiheit zu leben. Die Freiheit entzogen einzig auf Grund der Spekulation, man könnte ja vielleicht eines Tages erneut straffällig werden.

 

Es geht dabei nicht um Bagatellisierung von irgendwelchen Übergriffen oder ein Kleinreden der jeweiligen Vorgeschichten, sondern um die für viele Insassen intensiv erlebte Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit. Sie richten sich dann ein in den ihnen vertrauten dunklen Phantasien. Dabei erlebt eine Vielzahl der Insassen den Alltag tatsächlich nur noch als eine bloße Verwahrung. Als ein Warten auf das biologische Älterwerden und damit als ein Warten auf den Tod. Auch wenn die Todesstrafe in Deutschland abgeschafft ist, ist die Wahrnehmung, es handele sich letztlich um eine Todesstrafe auf Raten. Erst verkümmern die noch vorhandenen restlichen Gefühle, bzw. Gefühlswelten, und mit der Zeit dann auch der Leib. Da hilft dann auch nicht, dass sich die Anstaltsleitung bei jeder Gelegenheit rühmt, welch famose Therapieangebote sie den Insassen bereitstelle (über die Mängel aus Sicht der Insassen berichte ich seit Juli 2013 auf meinem Blog).

So gibt es dann vereinzelt Insassen, die sich gegen diesen Prozess auf die ihnen vertraute, wie so oft in ihrem Leben: destruktive, Weise auflehnen.

Und am Ende noch härter, mit noch längerer Freiheitsentziehung bestraft werden.

 

Thomas Meyer-Falk, z. Zt. Justizvollzugsanstalt (SV), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg

https://freedomforthomas.wordpress.com

http://www.freedom-for-thomas.de

 

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