Zur Demonstration „Burn down all prisons“ in Berlin
Es sind harte Zeiten, wenn mensch sich freut, dass zu einer Demonstration gegen Repression und Knäste nur wenige Dutzend Menschen kommen. Eine kleine Analyse.
Gestern, am 6.7., fand in Berlin die Demonstration „Burn down all Prisons“ statt. Aufgerufen hatte v.a. das Netzwerk „Freiheit für alle politischen Gefangenen“. Warum finden wir gut, dass nur wenige Menschen diesem Aufruf gefolgt sind?
Neben einem allgemeinen Aufruf (https://political-prisoners.net/2025-07-06-demo-brennt-alle-knaeste-nied...) gibt es einen eigenen Aufruf des „Netzwerkes Freiheit für alle politischen Gefangenen“ (https://political-prisoners.net/beitrag-und-aufruf-zur-demonstration-am-...). Und dieser hat es in sich.
Der Aufruf stellt sich direkt und bewußt in eine Tradition mit dem übelsten, weil antisemitischen Teil der RAF bzw. der bewaffneten Linken in der BRD. Ausführlich wird etwa Ulrike Meinhof zitiert. Die Schlussfolgerungen können dann kaum überraschen. So heißt es in dem Aufruf u.a. zustimmend und vorbildhaft: „Es wurde 1972 in München während der Olympiade interveniert, um auf die Unterdrückung Palästinas und der palästinensischen Gefangenen in den zionistischen Knästen hinzuweisen.“
So schwurbelt der Text lange im antisemitischen Jargon vor sich hin und kommt dann zu dem Schluss: „Gewiss waren diesen Kämpfe damals (zu RAF-Zeiten) quantitativer und qualitativ stärker verankert, doch seit dem 7. Oktober 2023 haben die anti-imperialistischen Kämpfe politisch und militärisch wieder an Stärke gewonnen.“ Die antisemitischen Massaker des 7. Oktober waren also für die Autor*innen keine Zäsur, sondern Beginn eines neuen Aufbruchs.
Nicht nur der Aufruf des „Netzwerkes Freiheit für alle politischen Gefangenen“, sondern auch der allgemeine Aufruf schwurbelt zwar ausführlich vom „heldenhaften palästinensischen Widerstand“, erwähnt die aktuelle krasse Repression gegen Antifaschist*innen in der BRD, von denen nicht wenige im Knast sitzen, aber mit keinem Wort.
// Disclaimer: Dieser Text hat nichts mit „antideutschen“ Positionen zu tun. Natürlich ist Kritik am rechten israelischen Regime und am Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte in Gaza und Westjordanland notwendig (und möglich). Das heisst aber noch lange nicht, antisemitische Massaker zu feiern.//
Textempfehlung zur Geschichte der radikalen Linken und Antisemitismus: https://taz.de/Antisemitismus-in-der-RAF/!5193915/

Ergänzungen
Rückblick aus Knofos Sicht
Der Verweis auf "Bauchschmerzen" reichte ihm damals aus, eine klare Erklärung fehlt.
"Die olympischen Sommerspiele 1972 in München. Das Palästinenserkommando "Schwarzer September" nimmt die israelische Mannschaft als Geiseln. Das anschließende Massaker auf dem Flughafen von Fürstenfeldbruck hat die westdeutsche Polizei zu verantworten. Unser Versuch der Solidarisierung mit dem Kommando misslingt: Bauchschmerzen. Die RAF sieht das anders. In immer schwerer verständlichen Traktaten versucht die RAF ihr Konzept zu erklären und voranzutreiben."
https://anarchistischebibliothek.org/library/knofo-abscheu-und-empoerung
zu "Antideutsch, aber sowas von"
"Sich gegen politische Gefangene zu stellen. Die RAF als "übelsten antisemitischen" Teil zu bezeichnen", steht im Kommentar.
Genau hinschauen hilft (nicht nur bei Indy-Texten und -Kommentaren): Im Text ist keinesfalls die Rede von der RAF als übelstem antisemitischen Teil, sondern vielmehr vom "übelsten, weil antisemitischen Teil der RAF bzw. der bewaffneten Linken in der BRD". D.h. es wird ein bestimmter Teil der RAF bzw. der bewaffneten Linken kritisiert (sowohl in Bezug auf Theorie als auch auf Praxis), und keinesfalls die RAF bzw. die bewaffnete Linke als solche. Das wäre auch eine andere Debatte. Der im ersten Kommentar verlinkte Text ist auf jeden Fall lesenswert.