Twitter- die Geschichte der eigenen Niederlage?

Twitter: Ein Erfolgsmodell, um die eigene Meinung schnell, aktuell zu streuen? Als Beispiel für ein soziales Medium, das breit genutzt werden sollte? Oder steht es für die Aufgabe eigener Informationsstrukturen aus Bequemlichkeit und letztendlich dann auch für die Entsolidarisierung von unabhängigen Medien?

 Vorangestellt werden sollte, dass sich diejenigen, die innerhalb ihrer anarchistischen, libertären, antiautoritären Strukturen, um den Aufbau unabhängiger Medien kümmern, leider auch nicht auf Angebote der Konzerne verzichten können.  Wir sind wohl kaum in der Lage die Hardware und jegliche Software selbst zu entwickeln und zu produzieren. Für die eigene, aktuelle Berichterstattung auf der Straße sind technische Hilfsmittel sinnvoll, wenn in der Vergangenheit auch vieles, ohne sie funktioniert hat. Es immer abzuwägen, was notwendig für die eigene Medienarbeit ist und auf was verzichtet werden kann.

Aktionen und Veranstaltungen, über die eine schnellstmögliche Weiterverbreitung in Wort (und Bild) erwünscht ist, sind entsprechend zu begleiten. Aber hier wäre eine Koordination und Organisierung vorab sinnvoll. Nicht alle müssen für individuelle Reportagen mit ihren Handys auf Demos erscheinen. Mobiltelefone zu Hause zu lassen, wäre im Jahre 2020 für einen Großteil möglicherweise eine gute Variante, auch um sich den eigentlichen Anlass widmen zu können.

Die meisten Gruppen nutzen inzwischen Twitter. Viele informieren nur noch halbherzig auf den eigenen Kanälen, d.h. dass die Inhalte dort seltener aktualisiert werden oder sogar ganz auf sie verzichtet werden. Menschen, die, mit höchstem Einsatz, die Infrastruktur für unabhängige Medien bereithalten, werden regelrecht in Stich gelassen, bis sie vielleicht entnervt aufgeben. Es scheint um die Quote zu gehen. Mit möglichst einfachen Mitteln, viele zu erreichen? *****

Reicht das als Grund, um in den Sumpf von Verschwörungstheoretiker*innen, Nazis, Antisemit*innen, LBGT-Feindlichen und all diesem Pack einzutauchen? Das, was z.B. auf Indymedia noch zu Empörung führt, wenn Moderator*innen ihre Inhalte nicht in Sekundenschnelle löschen, wird auf Twitter höchstens geblockt, oder, alternativ, sogar stehen bleib kann. Die Menschen, die es erreichen soll, werden die Inhalte schon selber filtern. Woher kommt urplötzlich solch eine Gelassenheit gegenüber Menschenfeinden?

Zudem ist zu bedenken, dass Twitter auch großes Gefährdungspotential bietet. Dass die Datensicherheit nicht gewährleistet ist, dürfte bekannt sein, wird aber bedenkenlos in Kauf genommen. Natürlich würde es hier vernünftigere Alternativen geben.

In diesem Text soll es aber auch um die Gefahr durch die selbst verbreiten Inhalte gehen. Auch von den „eigenen Leuten“ wird dort erfahrungsgemäß häufig drauflos „schwadroniert“, vorschnell   eingeordnet und „analysiert“. Twittern, die deutsche Übersetzung lautet „zwitschern“, trifft es schon ganz gut. Alleine aufgrund der Spontanität und dem fehlenden Überblick kann es zu Fehleinschätzungen kommen. Richtigstellungen im Nachhinein würden keinen Sinn ergeben.  

Eine ernsthafte, aktuelle Berichterstattung sollte über Qualitätskriterien erfolgen, die im Vorfeld gemeinsam abzuklären sind.

Natürlich gibt es auch Bedrohungsszenarien, die Feinde zu verantworten haben. Erst letzte Woche werden Bilder von Antifas auf Twitter gezeigt und kommentiert, die angeblich „brutale Gewalt“ gegen eine rechte Youtuberin ausgeübt hätte, ohne dass der gezeigte Filmausschnitte (mit gewisser Suggestivkraft) zeigen würde, was genau passiert ist.  Das ist natürlich nur ein Beispiel.

Und hier sei daran erinnert, dass das z.B. auch den Anhänger*innen der AfD (teilweise sicherlich mit Hilfe von Bots) ganz gut gelingt, sich mit ihren widerwärtigen Inhalten einzubringen. Twitter bildet nicht die verschiedenen Meinungen der Gesellschaft ab, sondern verhältnismäßig oft sind es menschenverachtende Inhalte, die dort geteilt werden. 

Selbst die Exekutive kann auf die Nutzung von Twitter nicht mehr verzichten. Eine bedenkliche Entwicklung, wenn sie z.B. bei Demonstrationen in Twitter "Debatten" einschaltet und als eine Art "Influencer in Uniform" auftritt.

Fakt ist, dass die Messlatte zum Gegenhalten sehr hoch liegt. Versuche, sich an der Deutungshoheit über verschiedenen Themen zu beteiligen, kosten viel Energie. Wäre es nicht besser, diese für Aufgaben, wie Erstellung eines gutes Flugblatt, eine Zeitung zum Verteilen oder ein eigenes Radioprogramm zu stecken? Oder, viel einfacher, die bestehenden Strukturen zu nutzen, und damit auch Solidarität mit den Menschen zu zeigen, die sich für sie einsetzen.

Der Beitrag endet mit dem ausdrücklichen Dank an alle Menschen, die sich gemeinsam um vernünftige Informationsverbreitung innerhalb anarchistischen, libertären, anti-autoritärer Strukturen bieten. Ausdrücklich geht der Dank auch an die Macher*innen von Indymedia. Es soll doch tatsächlich paradoxe Menschen geben, die ihre Entrüstung über das Open-Posting Prinzip von Indymedia, aufgund mangelhafter Filterung zum Besten geben und stattdessen Twitter zur Informationsverbreitung einsetzen. Solch Unreflektiertheit, steht dann wirklich für die Niederlage jeglichen Versuches, eigene Medien zu schaffen. 

 

***Wer hier auf die Quote schielt, sollte immer bedenken, wie viele Menschen „Twitter“ nicht benutzen und durch Nutzung nicht zu erreichen sind.

 

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Ergänzungen

>Wir sind wohl kaum in der Lage die Hardware und jegliche Software selbst zu entwickeln und zu produzieren.

Was sollte uns denn hindern die Software selber zu entwickeln und zu "produzieren" ? Oder irgendwas Geeignetes zu nehmen was es schon gibt (open source, natürlich) ?

Und Hardware: ja, das wäre wohl ein bißchen schwieriger, aber es gibt auch open hardware, und es gibt vor allem billige Minirechner die zum Betreiben eines kleinen Servers völlig ausreichen.

Der entscheidende Punkt aus meiner Sicht ist aber (egal welche Plattform genutzt wird): wer hat am Ende die Entscheidung über die Inhalte ? Bei jeder kommerziellen Plattform muss mensch davon ausgehen dass die Inhalte nach Profit optimiert werden, und unbequeme Sachen auf die ein oder andere Art rausfliegen.

Jede grosse Plattform ist ausserdem im Visier der Behörden die ihren Einfluss Stück für Stück erweitern, bzw. die Plattformen zensieren schon vorauseilend um Ärger zu vermeiden.

Dein einizgen Ansatz den ich sehe um diesen Problemen zu begegnen ist selber zu hosten, und zwar möglichst mit verteilten Systemen so daß es keinen zentralen Punkt gibt an dem zensiert werden kann. Alles machbar. Müssen nur genügend Leute mitmachen.

Das würde auch die ganzen informellen Hierarchien auflösen die auch in alternativen Projekten bestehen.

Genauso ist es gemeint; so weit wie möglich die vielfach angebotene Unterstützung  von Expert*innen und ihre bisherig geleistet Arbeit zu nutzen. Es würde sich sehr viele Möglichkeiten bieten. Fakt ist aber,, dass nicht alles zu ersetzen ist.  Auch das Internet ist bekannterweise nicht unserer eigenen Kreativität entsprungen, ist aber ein mögliches Mittel der Informationsverbreitung. Aber auch nur dann, wenn wir selbst die Vorraussetzungen dafür schaffen. Von vielen wird aber der einfachste Weg gewählt. Hier beispielsweise die kritisierte Nutzung von Twitter, für aktuelle Meldungen. Ein # - Zeichen ist heute leider weitverbreitet. Es begegnet uns selbst auf Transparenten oder scheint Teil von einigen Gruppennamen geworden zu sein. Um ein Thema relevant erscheinen zu lassen, muss dann einfach ein '# davorgesetzt werden?

"Bei jeder kommerziellen Plattform muss mensch davon ausgehen dass die Inhalte nach Profit optimiert werden, und unbequeme Sachen auf die ein oder andere Art rausfliegen."

Ganz so einfach ist es nicht, weil der Reiz an Twitter eben ist, dass dort vieles zugelassen ist. (während Linksunten z.B. komplett vom Netz ist, weil der Staat es so entschieden hat und es nicht gelungen ist, sich dieser Zensurmaßnahme zu widerstehen). Da ist es dann verlockend,  den bequemstem Weg zu wählen und das kommerzielle Angebot zu wählen, das immerhin noch eine gewisse Bandbreite von Meinungen zulässt. Vielleicht ist das sogar der Grund, dass Linksunten doch recht sang- und klanglos verschwunden ist, weil sich so viele auf "Sozialen" Medien, wie Twitter, gut aufgehoben fühlen. 

 

 

 

Das mag vielleicht so aussehen auf Twitter, daß auch unbequeme Sachen drauf bleiben, im Einzelfall dann aber eben doch nicht. Hier ein Beispiel von vielen:
https://mobile.twitter.com/khrafnsson/status/1229454629940998144
Das ist über das Abschalten eines Twitteraccounts im Zusammenhang mit Wikileaks. Gibt auch Beispiele aus D.

Ich wollte aber auch nicht sagen, daß solche Dienste gar nicht genutzt werden sollen, nur darauf hinweisen daß kein Verlass ist auf sie.
Wir können das Internet nicht neu bauen, ausser lokal vielleicht über Freifunk o.ä.. Wir können aber über die Art wie wir unsere Onlinestrukturen aufbauen und nutzen uns mehr oder weniger verwundbar für Zensur und Überwachung machen.

Generell schlecht geeignet für unsere Zwecke:
-Zentralisierung bzw. zentrale Dienste
-Kommerzialisierung bzw. das Nutzen kommerzieller Dienste und Programme
-Kommunikation über das Clearnet
-Nutzung unsicherer (also unverschlüsselter) Protokolle

Generell gut:
-verteilte, dezentrale Dienste mit grosser Redundanz
-freie Software, Server unter eigener Kontrolle
-Kommunikation über ein Darknet
-Nutzung verschlüsselter Prokolle

Jedenfalls meiner Meinung nach.

Twitter ist auch kein geeignetes linkes Medium. Man kann einfach keine unverkürzte linke Theorie und linke Perspektiven in einen 240 Zeichen-Tweet packen. Twitter macht die Diskussionen in der Linken kaputter als sie sowieso sind. In 30 Jahren werden wir zurückgucken, und uns fragen, was für Würmer uns diese Plattform ins Hirn gesetzt hat.