Corona: Radikale Kritik jetzt! Raus aus der Angststarre!

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Folgender Text geht auf einen Austausch linker Potsdamer Aktivist*innen über die jetzige Lage zurück. Sie wollen dazu ermutigen, jetzt erst recht aktiv zu werden und die Mahnung „Stay at home“ nicht mit dem Rückzug ins Private zu verwechseln.

 

Die Corona-Lehre — von Thomas Gsella

Quarantänehäuser spriessen,
Ärzte, Betten überall
Forscher forschen, Gelder fliessen-
Politik mit Überschall

Also hat sie klargestellt:
Wenn sie will, dann kann die Welt
Also will sie nicht beenden
Das Krepieren in den Kriegen
Das Verrecken vor den Stränden
Und das Kinder schreiend liegen
In den Zelten, zitternd, nass
Also will sie. Alles das.

 

Folgender Text geht auf einen Austausch linker Potsdamer Aktivist*innen über die jetzige Lage zurück.

Wir wollen dazu ermutigen, jetzt erst recht aktiv zu werden und die Mahnung „Stay at home“ nicht mit dem Rückzug ins Private oder gar mit der Aufgabe kritischen Bewusstseins zu verwechseln. Daneben darf Kritik an autoritären Maßnahmen nicht zur Verharmlosung der Viruspandemie führen. 

Gleichzeitig rufen wir dazu auf: Organisiert euch, lebt Solidarität und bekämpft das System! Der Kapitalismus und der markthörige Parlamentarismus sind mitschuldig an den verheerenden Auswirkungen der Pandemie und langfristig verschärfen sie die Folgen. Es bringt nichts, sich dem Ausnahmezustand billigend zu unterwerfen.

 

Die Ausbreitung des Virus trifft auf ein kaputtes Gesundheitssystem

Mittlerweile erstreckt sich die Ausbreitung des Corona-Virus auf ganze Weltregionen. Gegen das erstmals in der chinesischen Stadt Wuhan dokumentierte Virus SARS-CoV‑2 ist niemand immun. Es ist nicht vergleichbar mit der saisonal auftretenden Grippe. In Deutschland verdoppelt sich momentan die Zahl der nachgewiesenen Infektionen mit SARS-CoV‑2 durchschnittlich alle 3 Tage. Das exponentielle Wachstum der Infektionskrankheit treibt ebenso die Zahl der infizierten Personen rasant nach oben, die ohne eine intensivstationäre Behandlung sterben. Während in Deutschland rund 30.000 Betten auf Intensivstationen bereitstehen, die zum Großteil regulär belegt sind, ist nach bisherigen epidemiologischen Modellen ein Vielfaches an Intensivbetten vonnöten, um den zusätzlichen Bedarf zu decken – ganz zu schweigen vom fehlenden und ausgelaugten Personal.

Die krasse Diskrepanz zwischen realer Kapazität und intensivstationärem Bedarf bei ungebremster Ausbreitung des Virus erklärt die Überforderung des italienischen Gesundheitssystems. Dort wird selektiert: Einige haben Glück und bekommen eine Behandlung, andere lässt man sterben. Gleichzeitig trifft der Zusammenbruch die Gesundheitskrise nicht nur die Coronainfizierten. Auch diejenigen, die einer „normalen“ Behandlung bedürfen, werden nun hinten angestellt. So findet bereits jetzt in Deutschland gefährliches Selektieren statt.

Eine Epidemie kommt nicht alle Tage vor, ist jedoch kein unrealistisches Szenario. Seit Jahren weisen u.a. Gewerkschaften und Aktivist*innen auf eklatante Folgen eines neoliberalisierten Gesundheitssystems hin und kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen sowie einen gerechten Zugang zu Gesundheitsleistungen für alle. Dass sich Menschen als Konkurrent*innen um elementare Versorgung gegenüberstehen, können wir nicht hinnehmen. Staaten leisten sich ungeheure Verteidigungshaushalte zum Vorhalten von unsinnigem und – wenn im Einsatz – tödlichem Militärgerät. Die Rüstungsindustrie freut das, während die Gesellschaft für eine vorgebliche Sicherheit Milliarden verschleudert. Dagegen scheint ein Gesundheitssystem mit vorsorgenden Kapazitäten, was für alle Menschen zu Gute kommt, für Staat und Kapital wenig profitabel zu sein. Diese Profitlogik ist das eigentliche Sicherheitsrisiko.
Die Corona-Krise ist eine Krise der Gesundheitsversorgung!

 

Autoritäre Maßnahmen folgen der Linie der üblichen Interessenpolitik

Angesichts autoritärer staatlicher Maßnahmen werden auch linke Stimmen lauter, die das Virus reflexhaft relativieren oder mit gefährlichen Verschwörungsmythen liebäugeln. Die Behauptung, wir hätten es mit einer gesteuerten Panikmache durch Wissenschaft, Medien und Pharmaindustrie in Personalunion zu tun, ist eine verflachte, eskapistische Diagnose, die mit einer systemkritischen Analyse der Verhältnisse nichts zu tun hat. Das hilft uns nicht und führt auch nicht zur Stärkung unserer Handlungsfähigkeit.

Nicht das Virus selbst, sondern die Angst vor dem Zusammenbruch des Gesundheitssystems und dem damit verbundenen staatlichen Kontrollverlust erklärt die Reaktion vieler Staaten. Autoritäre Notstandspolitik soll die Ausbreitung des Virus bremsen. Das wohl anschaulichste Beispiel ist gerade Ungarn, wo Orbán den Staat mittels Notstand in Richtung einer Diktatur steuert. Dabei sind die Maßnahmen höchst widersprüchlich und folgen der üblichen Verteilung von Interessen- und Nationalstaatspolitik. Kurz gesagt: Wo der Staat verhältnismäßig geringe ökonomische und gesellschaftliche Widerstände spürt, werden harte Einschnitte in Grundrechte durchgesetzt (z.B. Bewegungsfreiheit, Privatsphäre). Gleichzeitig sind die Maßnahmen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt zum Schutz der Menschen lächerlich. Das zeigen uns die streikenden Amazon-Mitarbeiter*innen. Die derzeitigen Hilfsmaßnahmen hören an Nationalstaatsgrenzen auf. Hierzulande noch freie Krankenhauskapazitäten werden bspw. aktuell nicht für Italiener*innen genutzt. Die deutsche Finanzpolitik freut sich über niedrige Kreditzinsen für ihre Hilfspakete. Dagegen hält die Bundesregierung nach wie vor an einer harten EU-Finanzpolitik wie in Zeiten der Finanzkrise fest, was für Länder wie Italien der finanzielle Ruin bedeutet.

Dort, wo Mitglieder dieser Gesellschaft als überflüssig gelten, entpuppt sich der staatlich propagierte Anspruch, uns zu schützen als menschenverachtender Zynismus. 

Dazu einige Beispiele:

  • Die mit Blick auf das zehntausendfache Leid lächerliche Zusage, ein paar Hundert Kinder aus den griechischen Lagern nach Deutschland zu holen, wurde vor kurzem durch die Bundesregierung auf Eis gelegt. Der Grund dafür sei die Ausbreitung des Corona-Virus. Dabei gefährdet gerade die Ausbreitung des Virus in den Flüchtlingslagern ohne hygienische Mindeststandards massenhaft menschliches Leben.
  • Statt Menschen sofort aus beengten Sammelunterkünften rauszuholen und in Wohnungen oder Hotels unterzubringen, damit die Ansteckungsgefahr reduziert wird, nutzt der Staat alle polizeilichen Mittel bis zum SEK-Einsatz. So wurde die Erstaufnahme in Suhl/Thüringen unter Quarantäne gestellt und damit in eine Haftanstalt für 500 Menschen verwandelt. Die Folgen sind absehbar, die Ansteckungsgefahr hoch.
  • In Italien wurden schnell Besuchs- und Beschäftigungsverbote in den Knästen verhängt. Das Personal geht jedoch ein und aus. Es kam zu Knastrevolten, da die Vorkehrungen gegen Infektionen absurd und die noch krassere Isolation in den Knästen unerträglich ist.
  • Die vergleichsweise frühe Schließung der Tafeln und die Beschneidung karitativer Strukturen schneiden die finanziell Schwächsten von der Möglichkeit der Essens- und Grundversorgung ab.

Die finanziellen Folgen des Shutdowns des öffentlichen Lebens sind für diejenigen existenziell bedrohlich, die schon vorher ökonomisch am Rand oder außerhalb der Gesellschaft standen. Das Ausmaß der weiteren Prekarisierung von weiten Teilen der Bevölkerung im von oben auferlegten de facto größten “Generalstreik” der Gegenwart kann nicht abgeschätzt werden. Währenddessen wird die ökonomische Krise den „Selektionsprozess“ im Kapitalismus immens verstärken. Die ohnehin starken Kapitalfraktionen werden gestärkt aus der Krise hervorgehen, während kleine Akteure untergehen. Währenddessen nutzen Hardliner einer repressiven Sicherheits- und Überwachungspolitik die „Gunst der Stunde“, um Präzedenzfälle für ihre Agenda zu schaffen (Bundeswehreinsatz im Innern, flächendeckende Überwachung des Handynetzes, willkürliche Polizeikontrollen).
Im gegenwärtigen Ausnahmezustand zeigen sich patriarchale Strukturen noch deutlicher: “systemrelevante” Erwerbsarbeit, wie Pflege, Versorgungstätigkeiten, Sozialarbeit wird vor allem von Frauen* verrichtet. Mit der Verweisung der Frauen* in den privaten Raum fällt auch die steigende Mehrabeit an Kinderbetreuung sowie Care- und Hausarbeit den Frauen* zu. Für viele Frauen* und Kinder ist das zu Hause durchaus kein sicherer Ort: Hausarrest bedeutet einen dramatischen Anstieg sog. häuslicher Gewalt, wie Erfahrungen aus Ländern zeigen, die bereits Ausgangssperren verhängt haben. Unfreiwiliig fängt eine riesige unsichtbare Armada von Frauen* täglich die emotionalen und sozialen Folgen des Ausnahmezustandes auf eigene Kosten ab.
Von Rechtsextremen ist momentan wenig zu hören. Doch die Politik des Ausnahmezustands wird ihnen langfristig Auftrieb geben. Über die breite Akzeptanz von Grundrechtseinschränkungen und Polizeigewalt wird ein totalitäres Denken in der Bevölkerung befördert, das jegliches Nicht-Befolgen der autoritären Maßnahmen als „Verrat“ an der (Volks-)gemeinschaft markiert – ungeachtet des gesellschaftlichen Kontexts, der wissenschaftlichen Sinnhaftigkeit und der ohnehin sehr widersprüchlichen staatlichen Maßnahmen. Das (wieder)-Erlernen von Denunziation ist zu erwarten, auch die verstärkte Stigmatisierung von „unliebsamen“ Bevölkerungsteilen wie geflüchteten Menschen. So haben Rechte versucht, den Widerstand gegen die In-Quarantäne-Setzung der Erstaufnahme in Suhl/Thüringen als Bedrohung für „die Deutschen und ihrer Regeln“ zu instrumentalisieren. Mit Nachbarschaftshilfen für “Deutsche” versuchen sie zudem, größere Akzeptanz in ihrem unmitelbaren Umfeld zu erreichen. Auch lenkt uns die Pandemie von rechten Aktivitäten ab. Neofaschist*innen – auch die neoliberalen – werden diese Zeit zu nutzen wissen. Währenddessen wird ein Teil ihrer Agenda gerade von anderen Akteuren umgesetzt.Ausnahmezustände und die Gefahr der Ausbreitung des Virus können sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen. Wann die Politik des Ausnahmezustands mit all den Grundrechtseinschränkungen aufhört und wie viel davon in die Zeit danach übernommen wird, ist ungewiss. Die sozialen Folgen sind ebenfalls nicht abschätzbar. Klar ist jedoch: Die jetzige Krise verstärkt die Dauerkrise des Kapitalismus. Soziale Aufstände und Protestbewegungen werden folgen – es liegt auch an uns, diese Proteste in die richtige Richtung emanzipatorisch zu gestalten.

 

„Physical Distancing“ not „Social Distancing“

Die Ausbreitung ist eine reale Bedrohung für die sogenannten Risikogruppen und für die gesamte Gesellschaft. Wir sind auf ein funktionstüchtiges Gesundheitswesen angewiesen. Mit unserem eigenen Verhalten können wir das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Virus mindern. Dabei ist das Einhalten körperlicher Distanz und Händewaschen entscheidend!

Jedoch: Folgen wir staatlichen Vorgaben blind und hinterfragen und kritisieren sie nicht, steuern wir auf die totale Vereinzelung der Menschen und die Zersetzung von sozialen und demokratischen Strukturen zu. Das isolierte Wesen ist das perfekte kapitalistische Subjekt, dem müssen wir etwas entgegensetzen. 

Statt „Social Distancing“, also den Rückzug aus dem Sozialen, umzusetzen, kommt es mehr denn je darauf an, Netzwerke zu knüpfen, sich gegenseitig zu helfen und eine Praxis der Solidarität zu leben. Daneben brauchen wir den Austausch zu Analysen, Strategien und Möglichkeiten des Widerstands.

 

Vernetzt euch mit eurer Nachbarschaft und mit befreundeten WGs, gründet oder macht mit bei Nachbarschaftsinitiativen

  • um euch (im Falle von Quarantänen) gegenseitig zu helfen und/oder um besonders Menschen, die als Risikogruppen gelten, zu unterstützen (Einkaufshilfen, Kinderbetreuung)
  • um rechte Spinner*innen aus Nachbarschaftsinitiativen rauszuwerfen
  • um Menschen, oft Frauen oder Kinder, die in der Enge der Familie- und/oder des Ehekontexts, Gewalt erfahren können, zu unterstützen
  • um euch gegen die sozialen Folgen des Ausnahmezustands zu organisieren, z.B. mit gemeinsamen Aktionen gegen Vermieter*innen, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, Rassismus, Jobcenter, Gentrifizierung usw.

Es ist außerdem die Aufgabe einer radikalen Linken, jetzt auch diejenigen auf dem Schirm zu haben, die perspektivisch von Nachbarschaftshilfen ausgeschlossen werden, weil sie nicht-weiß oder als “anders” gelabelt werden. Wir müssen in unserem Umfeld Menschen adressieren, die sozial ohnehin besonders isoliert und ökonomisch benachteiligt sind.Während des Sommers der Migration 2015 gab es eine beeindruckende Selbstorganisation von solidarischer Hilfe. Darauf folgte ein rechter Backlash mit massiven Asylrechtsverschärfungen und rechter Gewalt. Viele der damaligen “Willkommeninitiativen” haben sich aufgelöst, die rechte Übernahme des Diskurses in Deutschland oft lautlos hingenommen. Die sich jetzt selbst organisierenden Nachbarschaftsstrukturen müssen nachhaltiger und politisch bewusster werden!

  

Politische Praxis im Ausnahmezustand

Wir dürfen uns weder einschüchtern lassen, noch unser Verhalten der Staatsmacht unterwerfen. Politisch aktiv zu sein bleibt notwendig!

Es ist wichtig, dass wir uns als Politgruppen weiterhin treffen, wenn wir dies für unsere Handlungsfähigkeit als nötig erachten und wenn wir eigenverantwortlich alle Sicherheitsvorkehrungen treffen, die das Infektionsrisiko auf nahe Null reduzieren.

Das heißt:

  • kranke/kränkelnde Aktivist*innen bleiben zu Hause
  • keine Treffen in geschlossenen Räumen
  • gegenseitiges Abstandhalten von 1,5 m bis 2 m
  • kein gemeinsames Berühren von Gegenständen
  • Desinfektionsspray griffbereit haben
  • lasst eure Handys zu Hause
  • schaut euch jetzt schon einen geeigneten und gut erreichbaren Treffpunkt aus: Dieser sollte von Außen nicht oder kaum einsehbar sein; die „Anreise“ zum Treffpunkt sollte nicht in Gruppen stattfinden.

 

„Neue“ Wege der Kommunikation

Sich zu treffen wird nicht einfacher. Wenn Personen in Quarantäne sind und die Sicherheitsauflagen verschärft werden, ist es nötig, dass wir uns anders organisieren. Für manche ist die Internetkommunikation immer noch Neuland. Verschlüsselte E‑Mails, Messenger und Video-Kommunikation über das Internet klingen für viele noch wie nerviger Nerdstuff. Wir müssen uns gegenseitig darin schulen und unterstützen, um möglichst sichere, digitale Kommunikationsstrukturen aufzubauen, um fit zu sein für Krisenzeiten wie diese. Klar ist aber auch: Wir müssen – wenn es darauf ankommt – auch ohne Internetkommunikation handlungsfähig sein, denn – wenn der Staat will – kann es nicht nur in der Krise flächendeckende Internetüberwachung oder ‑shutdowns geben.

Eine Auswahl an Möglichkeiten der digitalen Kommunikation für Gruppen findet ihr hier:

 

„Neue“ Form von Aktionen

Große Versammlungen im Ausnahmezustand sind nicht möglich. Einerseits ist es aufgrund der Infektionsgefahr schwierig, eine große Ansammlung von Menschen zu verantworten und zu legitimieren. Andererseits sollten wir aus eigener Verantwortung das Infektionsrisiko minimieren und nur, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt und wenn der Schutz von anderen Menschen auf dem Spiel steht, größere Ansammlung von Menschen riskieren.

 

Wie können andere Aktionen sicht- und hörbar sein? Wie können wir wirkmächtig sein?

Vielleicht ist die Situation eine Chance für uns, den Rahmen der klassischen Aktionsform Demonstration zu verlassen und neue Wege zu beschreiten. Auch wenn Demonstrationen ein selbstverständlicher Teil politischer Willensäußerung sind, kann sich politischer Aktivismus ohnehin nicht in „Latsch-Demos“ erschöpfen.

Kleingruppen-Aktionen und Direkte Aktionen, die sowohl in den Sozialen Netzwerken dargestellt als auch gegenüber der Presse kommuniziert werden, können eine (wieder zu erlernende) Praxis sein. Die Polizeipräsenz kann in den nächsten Monaten massiv zunehmen. Hier ist eine gemeinsame Praxis zu erlernen, um den Repressionen der Polizei aus dem Weg zu gehen. Insbesondere hinsichtlich der finanziellen Sanktionen beim Verstoß gegen Kontakt- und Aufenthaltsregeln müssen wir uns gegenseitig unterstützen.

Die Vernetzungen mit Nachbarschaften ermöglichen eine Selbstorganisierung in der Stadt, die nicht nur auf gegenseitige Hilfestellung abzielt, sondern gemeinsame politische Aktionen möglich macht. Je länger wir uns im Ausnahmezustand befinden, desto größer werden die sozialen Konflikte mit Vermieter*innen, in Arbeitsverhältnissen, mit dem Jobcenter usw. Beispielsweise kann eine kritische Masse an Personen in der (Nachbarschafts-)Vernetzung durch Mietstreiks viel mehr Druck auf den*die Vermieter*in aufbauen als einzelne Personen. Wichtig ist auch, dass der gemeinsame Austausch in den Nachbarschaftsinitiativen über die Ursachen der Krise zur Politisierung führt.

 

Krise als Chance für den Aufbau einer solidarischen Gesellschaft

Spätestens jetzt müssen wir Forderungen stellen, die sich gegen die autoritären Auswüchse und den Demokratieabbau wenden. Wir müssen Staat und Kapital unter Druck setzen, damit die ökonomisch und sozial benachteiligten Menschen nicht in den Ruin getrieben werden. Wir müssen insbesondere für diejenigen einstehen, die beständig ignoriert werden und deren Existenz gefährdet ist und dazu konkrete Forderungen stellen.
Gleichzeitig dürfen wir nicht nur im Abwehrkampf verharren!

Auch wenn viele Menschen die autoritären Maßnahmen (hierzulande) bisher begrüßen und nur wenige kritische Diskussionen stattfinden, werden wir uns bald in einer Zeit wiederfinden, in der viele Menschen – weltweit – fragen: Wer ist schuld an den verheerenden Auswirkungen der Pandemie und weswegen wird das auf unseren Rücken ausgetragen?

Diese Wut ist Zündstoff. Sie kann der Anfang sein, um menschenverachtende Strukturen zu zerschlagen und solidarische Alternativen zum Kapitalismus zu denken, zu diskutieren und umzusetzen:

  • Breite Bewegungen für die Vergesellschaftung und Demokratisierung, z.B. des Gesundheitssystems und der Pharmaindustrie, sind keine Utopie mehr.
  • Die Unfähigkeit des kapitalistischen Systems einer solchen Krise vorzubeugen, kann das System in eine grundsätzliche Legitimitätskrise stürzen.
  • Der Widerspruch, Milliarden auszugeben, um hierzulande eine menschliche “Tragödie” abzumildern und andererseits die zynische Untätigkeit hinsichtlich des Leids von Millionen Menschen auf der Flucht weltweit ist nicht mehr vermittelbar.
  • Auch kann die Klimabewegung nach der Pandemie Auftrieb bekommen, denn für alle muss jetzt klar sein: Gehen Naturzerstörung und die Treibhausgasemissionen weiter, ist es für viele Menschen und für ganze Generationen zu spät. Die Folgen sind verheerender als die einer Coronakrise.

Es ist die Aufgabe der radikalen Linken, hier anzusetzen. Wir rufen daher dazu auf, jetzt solidarische Alternativen zu diskutieren und voran zu treiben!

Handelt in euren Nachbarschaften und auf gesamtgesellschaftlicher Ebene!

Stay tuned – Machen wir das Beste draus!

Bleibt gesund!

Eure Delfine aus der Havel

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Ergänzungen

Die Modelle, auf die Ihr Euch beruft (DGEpi) sind in sich korrekt, berücksichtigen aber in keiner Weise die Datenbasis bzw. das Problem der Datenerfassung. Die Diskussion soll hier nicht verteift werden, weil sie uferlos ist. Allerdings verwendet Ihr hier 1:1 das Regierungsnarrativ. Demnach geht die "Volxsgesundheit" über die politische Partizipation. Das ist in Frage zu stellen. Bei Euch gipfelt das in der Forderung "kranke/kränkelnde Aktivist*innen bleiben zu Hause". Das bestimmen die Gesunden? Für die kränkelnden gibt es ja schließlich digitale Alternativen. Darin eine strukturelle Benachteiligung zu sehen wäre natürlich ... logisch.

Überlasst diese Phantasien doch bitte Merkel und Co.

Dass die Epidimologie grundsätzlich ein Problem mit validen Begrifflichkeiten und Datenbasen hat, kann mensch u.a. diesem Beitrag entnehmen (der Euch im Großen und Ganzen nicht widerlegen wird):

https://www.heise.de/newsticker/meldung/Zahlen-bitte-3-4-Coronavirus-Fal...