HowTo: Plenum während einer Pandemie

Aufgrund der Verbreitung des Coronavirus gestaltet sich auch die Organisation von linkem Aktivismus schwierig. Eine Alternative zum regelmäßigen Zusammenfinden beim Plenum können Telefon- oder Videokonferenzen sein. Dieser Text gibt eine Übersicht welche Online-Tools für verschlüsselte Telefonkonferenzen geeignet sind.

Tipp, wenn dir Telefonkonferenzen nicht reichen: Systemli haben einige Empfehlungen für Tools zusammengetragen, die sie für digitale kollaborative Arbeitsprozesse in diesen Zeiten hilfreich finden.

1. Jitsi-Meet für kleine Konferenzen

Jitsi ist eine Software für Telefon- und Videokonferenzen und läuft mit bis zu 15 Teilnehmer*innen recht flüssig.

Jitsi-Meet wird mit dem Webbrowser benutzt (es müssen also keine zusätzlichen Programme installiert werden) und ein Useraccount ist auch nicht nötig. Einer Telefonkonferenzen kann, ähnlich wie bei Online-Pads, über einen zufällig generierten Link beigetreten werden. Zusätzlich dazu kann die Unterhaltung mit einem Passwort geschützt werden.

2. Mumble für große Gruppen

Mit Mumble sind verschlüsselte Telefonkonferenzen mit über 100 Teilnehmer*innen möglich.

Die "Kanäle" können so angelegt werden dass sie über einen längeren Zeitraum erhalten bleiben, sodass man nicht ständig eine neue Unterhaltunge beginnen muss nachdem alle mal Offline waren. Es ist außerdem möglich, Kanäle mit einem Passwort zu schützen.

Systemli hosten einen öffentlichen Mumble-Server. Mumble kann über den Browser bedient werden. Für vollen Funktionsumfang (z.B. verschlüsselte Kanäle) solltest du die Desktop-App installieren.

3. Außerdem: Nextcloud-Talk

Nextcloud ist eine open source Alternative zu Clouddiensten wie Dropbox, mit der zusätzlichen Funktionalität für Telefon- und Videokonferenzen für bis zu 4 Personen. Nextcloud-Talk wird ebenfalls mit dem Webbrowser benutzt und kommt daher ohne zusätzliche Programme aus. Mithilfe eines (passwortgeschützten) Links können außerdem auch Personen ohne einen eigenen Cloud-Account eingeladen werden

Besitzer*innen einer Systemli-Mailadresse erhalten automatisch einen Account für deren eigene Nextcloud-Instanz, aber es gibt auch andere Instanzen. Logge dich einfach in deinem Cloud-Account ein und wähle in der Leiste oben die Talk-Funktion aus, um eine Konversation zu beginnen.

Online-Plena strukturieren

Tipp: Nutzt ein Online-Pad für die Tagesordnung oder Redelisten. Unsere Empfehlung ist, die Etherpad-Instanzen von Systemli oder Riseup.net dafür zu verwenden.

Wie bei auch bei Offline-Plena: Fallt euch nicht ins Wort und sprecht euch vorher über Moderationsregeln ab! Alle Konferenztools haben eine integrierte Chatfunktion. Vereinbarte Codes wie beispielsweise + für Zustimmung, für Ablehnung oder * für Wortmeldung haben sich als praktisch erwiesen.

Sicherheit

Hinsichtlich der Verschlüsselung sind Jitsi-Meet und Mumble vergleichbar mit internen, passwortgeschützten Onlineforen oder Wikis. Die Übertragung ist verschlüsselt, aber man sollte den Betreiberinnen des Servers vertrauen. Nextcloud-Talk ist ende-zu-ende-verschlüsselt, und nicht mal der Server hat Zugriff auf das Telefonat. Das entspricht der Vertraulichkeit von PGP, Signal oder Off-the-Record.

Bei allen diesen Tools ist es möglich, Konferenzräume mit einem Passwort zu schützen. Benutzt für die Weitergabe der Passwörter sichere Kanäle.

Moment mal! Keine Namen & Strukturen am Telefon! Und soll man fürs Plenum nicht eh alle Geräte mit Mikrofon rauslegen?

Sicherheit ist immer eine Frage der Abwägung, und 100% sichere Computer oder Kommunikationssysteme gibt es nicht. Sicherheitslücken in Software, die Einfallstore für Trojaner oder andere Überwachungstechniken sein könnten, werden laufend neu entdeckt und wieder geschlossen (und deswegen solltest du deine Software übrigens immer aktuell halten und die neuesten Sicherheitsupdates installieren)

Aber wenn du z.B. aber deinem Smartphone sowieso mit deinen Signalchats vertraust, wieso solltest du es nicht auch zum verschlüsselten Telefonieren benutzen? Außerdem funktionieren alle dieser Tools ganz ohne Smartphone, und wenn du deinem Laptop sowieso für politischen Aktivismus benutzt (z.B. deine PGP-Keys und Plenumsprotokolle darauf liegen), musst du dir um dein Mikrofon noch am wenigsten Sorgen machen. Ein Smartphone-Mikrofone als Wanze einzusetzen geht nicht mal eben so, dafür müsste erstmal jemand einen Trojaner auf dem Gerät installiert haben, und so ein Bundestrojaner würde vermutlich erst mal deine Dokumente durchsuchen, bevor er an deinem Mikrofon lauscht. Wie wahrscheinlich es ist, dass du so einen Trojaner auf dem Gerät hast, ist nochmal eine andere Frage.[1]

Statt auf Technik zu verzichten, setzen wir auf digitale Selbstverteidigung: Hier und hier kannst du dich informieren wie du dich gegen staatliches Hacken schützen kannst.

Jenseits von Corona

Zuletzt noch der Hinweis, dass Tools für digitale Kommunikation und kollaboratives Arbeiten nicht nur im Ausnahmezustand eine sinnvolle Alternative sein können. Denn auch unabhängig von Corona stellen gängige Organisationsformen der radikalen Linken gerade Menschen mit eingeschränkter Mobilität und gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor große Hürden und schließen sie nicht selten aus.

 -- Aktualisiert am 23.03.2020 --

 


[1] Um eine Vorstellung zu bekommen: Jährlich werden den Behörden für das Abhören von Telefonen und Mitlesen von SMS beim Anbieter o2 ca 30.000 Anschlüsse den Behörden gewährt, während für den Bundestrojaner nur bekannt ist, dass er zw. 2009-2018 zwölfmal vom BKA eingesetzt wurde. Natürlich kann die Dunkelziffer viel höher sein und neuere Polizeigesetze erweitern die erlaubte Anwendung von Trojanern.

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Ergänzungen

Zuletzt noch der Hinweis, dass Tools für digitale Kommunikation und kollaboratives Arbeiten nicht nur im Ausnahmezustand eine sinnvolle Alternative sein können. Denn auch unabhängig von Corona stellen Organisationsformen der radikalen Linken gerade Menschen mit eingeschränkter Mobilität und gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor große Hürden und schließen sie nicht zuletzt aus.

Dazu der Kommentar, dass auch digitale Kommunikation viele Ausschlüsse produziert: Man braucht passende Endgeräte, schnellen Netzzugang und Wissen. Telefonkonferenzen sind für Hörgeschädigte schwierig, viele Online-Kolaborationstools funktionieren nicht mit Vorlesesystemen. Digitalisierung funktioniert also u.U. noch stärker klassistisch und abilistisch als face2face-Kommunikation.

Abgesehen davon aber vielen Dank für den Text -- in Zeiten, in denen die halbe Welt dazu bereit ist, ihre elektronische Infrastruktur dem Kapial in den Rachen zu werfen (Googe, Whatsapp, Zoom, etc.) ist es super, dass Ihr freie Alternativen vorstellt.

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