Ergänzung zu: 100 Tage Widerstand in Honduras

Wladek Flakin 13.10.2009 16:23 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Dieser Bericht ist eine Ergänzung des Artikels "100 Tage Widerstand in Honduras" vom 5. Oktober: Generalstreik und Massenversammlungen
Der Generalstreik

Aber allein radikalere Kampfformen werden nicht helfen, wenn der Widerstand nicht wieder Massen mobilisieren kann. Das ist seit dem Beginn des Ausnahmezustandes vor einer Woche nicht gelungen. Der bekannte honduranische Autor Teofilo forderte in einer Rede auf der Kulturveranstaltung am Samstag den Generalstreik: "Erst an dem Tag, wenn sich kein Blatt an keinem Baum mehr bewegt, wird der Diktator fallen." (1) An die Führung des Widerstandes und an Zelaya, die immer wieder mit dem Generalstreik drohten aber nie ausriefen, gerichtet, fragte er: "Wann kommt der Streik, ihr Hurensöhne?"

Tatsächlich fürchtet Zelaya, der Sohn einer GroßgrundbesitzerInnenfamilie, nichts mehr als eine unkontrollierbare Massenmobilisierung. Die Führung der "Resistencia", die hauptsächlich hinter "Mel" steht, weist Forderungen nach einem Generalstreik zum Sturz der Diktatur ab – und zwar mit dem Argument, dass die honduranische ArbeiterInnenklasse zu schlecht organisiert sei (obwohl es im April 2008 bereits einen landesweiten "zivilen Ausstand" gab!) oder dass eine friedliche Straßenblockade effektiver sei als eine Arbeitsniederlegung. Stattdessen rufen sie fast täglich zu Demonstrationen auf, die viele internationale ReporterInnen anziehen, aber immer weniger DemonstrantInnen. Letztere sind aufgrund der Perspektivlosigkeit der Bewegung zunehmend erschöpft.

Die Versammlung

Am Sonntag trafen sich bis zu 500 AktivistInnen auf der wöchentlichen "Asamblea" (Versammlung) der Widerstandsbewegung in der Zentrale der GetränkeherstellerInnen-Gewerkschaft STIBYS (2) in der Hauptstadt. Laut der Führung soll der Schwerpunkt nun weniger bei zentralen Demos und mehr bei Protesten in den "barrios" und "colonias" (also den armen Stadtvierteln) liegen.

Für Donnerstag und Freitag sind Mobilisierungen in den Vierteln geplant – Juan Barahona von der Nationalen Front des Widerstandes forderte sogar dazu auf, Angriffe auf Militärposten in den Vierteln vorzubereiten (3). Ob es wieder zu einer Aufstandssituation wie in den Tagen nach der Rückkehr Zelayas (21.-22. September) kommt, wird sich zeigen.

Zelaya selbst sprach per Handy zu den VersammlungsteilnehmerInnen und feuerte sie an. Gleichzeitig machte er klar, dass es mit den Protesten darum geht, den internationalen Gremien wie der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu zeigen, dass der Widerstand noch lebt – sprich: er braucht weitere Mobilisierungen als Verhandlungsmasse, um die PutschistInnen zu Zugeständnissen zu bewegen.

Die Führung der "Resistencia" macht klar, dass Zelia bestimmte Kompromisse eingehen kann, dass sie aber ihre eigene politische Agenda haben. Das Abkommen von San José, dem Zelaya bereits zugestimmt hat, legt fest, dass es keine Konstituierende Versammlung geben wird. Aber für den Widerstand bleibt eine neue Verfassung ein zentrales Ziel, unabhängig von den Zusagen Zelayas.

Leider fehlt immer noch eine Strategie des Widerstandes, um den Sturz der Diktatur und die Einberufung der Konstituante durchzusetzen. Kämpfe in den "barrios" müssen dazu dienen, Hunderttausende Menschen durch Versammlungen in den politischen Kampf hineinzuziehen. Nur ein Generalstreik, organisiert durch Versammlungen in jedem Stadtviertel, jeder Bildungseinrichtung und jedem Arbeitsplatz, kann die PutschistInnen zu Fall bringen.

von Wladek Flakin, Tegucigalpa, 5. Oktober 2009
- unabhängige Jugendorganisation REVOLUTION - www.revolution.de.com


Bilder:
http://www.flickr.com/photos/onesolutionrevolution/sets/72157622386226255/

Fußnoten und Übersetzung:
(1) Das heißt wörtlich so: "primero cuando no se mueve ninguna hoja en ningún árbol se va a caer el dictador."
(2) "Sindicato de Trabajadores de la Industria de Bebidas y Similares", also Gewerkschaft der ArbeiterInnen der Industrie von Getränken und ähnlichen Produkten
(3) Aber schon die Tatsache, dass sie diese Idee auf einer öffentlichen Versammlung ankündigen, bedeutet für mich, dass sie sie nicht besonders ernst nehmen.
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Ergänzungen

kleine Anmerkung

Entdinglichung 13.10.2009 - 18:12
ein lesenswertes Interview mit Erasto Reyes, einem honduranischen Gewerkschaftsanwalt zur aktuellen Lage findet mensch auf der Webseite des IGB unter  http://ituc-csi.org/spip.php?article4460 (englisch)

ja, generalstreik

tagmata 14.10.2009 - 01:02
"Der bekannte honduranische Autor Teofilo forderte in einer Rede auf der Kulturveranstaltung am Samstag den Generalstreik"

Und mit Recht. Gegen den Kapp-Putsch hat es auch gewirkt. Generell bei Putschen (im Gegensatz zu Staatsstreichen) immer mächtig gewesen.

Kann natürlich nicht einschätzen, wie die Lage ist, wie gewichtig die Meinung von Teofilo Trejo in diesen Tagen ist. Aber anders scheint man den Putschisten nicht beikommen zu können. Die USA halten sich bedeckt *hüstel* (naja, unter Bush hätten sie ein paar Todesschwadrone runtergeschickt; mensch muß froh sein daß es nicht direkt eskaliert ist) und von Superminster Laberwelle ist auch *eher* keine Hilfe zu erwarten.

Wenn also die Companer@s Ihre AnhängerInnenschaft insbesondere in den staatlichen Betrieben und Organisationen als stark genug einschätzen (denn auf die kommt es an), kann es nichts schaden falsche Zurückhaltung beiseite zu legen. Das Militär und die Polizei werden eine Schlüsselrolle spielen. Wer die Truppen hat, gewinnt; wenn keiner die Truppen hat, gewinnt die Seite die die Polizei hat. Wenn Militär und Polizei neutral sind, wird es wie bei Kapp in den Amtsstuben und den Schlüsselbetrieben entschieden.

Wenn die Linken nicht stark genug sind für einen Generalstreik vor den Wahlen, müssen sie auf jeden Fall internationale Unterstützung der OEA und regionaler Verbände klarmachen *für* die Wahlen, und direkt mal ankündigen, daß es wenn die Putschistenversuchen die Wahlen zu stören, einen Generalstreik geben wird (*dann* wird er sicher machbar sein). Dann eine Anti-Putsch-Front bilden, die die Wahlen gewinnt, annullieren läßt, einen regulären demokratischen Prozeß herstellt und Michelettis Golpistenbande regulär demokratisch den Prozeß macht.

Denn eins ist klar: die Typen machen so was wieder, sobald sie die nächste Gelegenheit kriegen. Siehe Venezuela. Was das Militär angeht (das ist ja wohl zumindest gespalten) - Putschistenoffiziere feuert man natürlich, was Aufstiegschancen für dem rechtmäßigen Präsidenten Loyale öffnet. Die 2-3 Rangstufen unter den Putschisten stehenden, die sind die für die es sich am meisten lohnt, einen Generalstreik zu unterstützen. Die direkt drunter sind zu nah in der Befehlskette, ohne die hätte Micheletti keine Erfolg gehabt.

Und bevor mich einer anpißt: laßt euren Esel mal nach "luttwak" suchen. Was ihr euch davon aus der Quelle eures Vertrauens besorgen solltet, seht ihr schon selbst. Und wenn ihr gute Leute in Honduras kennt, dann empfehlt ihnen mal die Lektüre. Er diskutiert Staatsstreiche, aber auch in Hinblick darauf was bei ihnen anders ist als bei Putschen. Ach, lest das Ding einfach. Sollte mensch eh.

Putschreigerung = Obamas Kumpels

Truth.com 14.10.2009 - 01:54
Eins sollte hier jedem klar sein:
Die Putsch Regierung in Honduras wird tatkräftig durch die USA unterstützt und tolleriert. (gewollt).
Mit anderen Worten:
Der tolle Herr "Friedensnobelpreis" Obama unterstützt Putschisten und intensiviert einen Angriffskrieg in Afghanistan & Pakistan.
Oder noch kürzer für alle Obama Fans hier:
OBAMA = KRIEG & PUTSCH

Wir leben in wahrhaft Orwell`schen Zeiten...

Krieg ist Frieden
Freiheit ist Sklaverei
Unwissenheit ist Stärke