100 Tage Widerstand in Honduras

Wladek Flakin 06.10.2009 11:57 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Der gestrige Montag war der 100. Tag seit dem Militärputsch in Honduras
Am 3. Oktober 1792 wurde Francisco Morazán in Tegucigalpa geboren. Der liberale General spielte eine führende Rolle in den zentralamerikanischen Befreiungskriegen und wurde so zum Nationalhelden von Honduras.

In der aktuellen Situation nahmen sowohl das Putschregime, das seit 100 Tagen an der Macht ist, und die Widerstandsbewegung, die genauso lange gegen die PutschistInnen kämpft, den Jahrestag als Anlass für Feierlichkeiten.

Die Regierung feierte bereits am Freitag den "Tag des Soldaten" und versuchte damit, die honduranische Armee, die in den letzten 100 Tagen laut Schätzungen über 100 Menschen getötet hat, in die Tradition des humanistischen Generals zu stellen.

Die "Resistencia", also der Widerstand, organisierte am Samstag eine Kulturveranstaltung im Stadtviertel Pedregal in Tegucigalpa. Dort rief Edgar Soriano: "Heute ist der Tag von Morazán und nicht von den 'chafas'", also den Soldaten. Er erinnerte daran, dass Morazán selbst im Jahr 1828 gegen rechte Putschisten kämpfen musste, und nannte ihn ein Symbol des honduranischen Widerstandes.

Ein "dreckiger Krieg"

100 Tage nach der Absetzung des verfassungsmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya durch das Militär am 28. Juni befindet sich der Widerstand in einer schwierigen Situation. Die Morde an Aktivisten der Bewegung nehmen in letzter Zeit zu. Zum Beispiel am Freitag wurde der Lehrer Mario Fidel Contreras um acht Uhr morgens auf der Straße in seinem eigenen Stadtviertel erschossen. Die Polizei behauptet, dass es sich um einen Fall von Kriminalität handelte – dabei wurde nicht mal seine Brieftasche mitgenommen. Zeugen gibt es bisher keine – denn bei wem sollten sich Zeugen melden, wenn sie gesehen haben, wie die Polizei der de facto-Regierung einen Aktivisten erschiesst?

"Für uns gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass Mario von der Polizei ermordet wurde" sagte Sergio Rivera, Ex-Präsident der Lehrergewerkschaft COPEMH gegenüber jW. Er war einer von Hunderten Trauernden auf dem Friedhof von Supaya am Samstag. "Sie greifen uns Lehrer an, weil wir uns zu einer zentralen Bastion des Widerstandes gemacht haben. Wir sind mehr als 60.000 Menschen, in allen Teilen des Landes, und wir haben eine organisierte Struktur, die geschlossen hinter der Widerstandsbewegung steht."

In den Monaten seit dem Putsch sind die Lehrer mindestens zwei Tage die Woche im Streik. Rivera sprach von einer Welle von Morden, einem "dreckigen Krieg", der von Todesschwadronen innerhalb des Polizeiapparats geführt wird, um die "Resistencia", einzuschüchtern. Allein in der letzten Woche sind drei Lehrer ermordet worden. Laut Schätzung des Vereins der Angehörigen der Verschwundenen COFADEH wurden seit dem 28. Juni über 100 menschen getötet, ohne eine einzige Anklage gegen Polizisten oder Militärs.

Der Generalstreik

Währenddessen kündigt die Presse der Putschisten an, dass eine Verhandlungslösung der "Krise" (wie sie den Putsch nennen) bald ansteht – laut dem Großkapitalisten Adolfo Facussé vom Industriellenverband ANDI sogar diese Woche. Ihr Plan ist, Zelia für eine kurze, symbolische Rückkehr zur Macht zu gewinnen, wobei die Putschisten die wirkliche politische Macht behalten würden. Noch hat Zelia keine Bereitschaft für einen solchen "Kompromiss" mit dem Regime signalisiert; doch beide Seiten betonen, dass hinter den Kulissen intensive Verhandlungen laufen.

Die Putschisten wollen Legitimität gewinnen für die Wahlen, die sie für den 29. November angesetzt haben – kurz nach dem Auslaufen des Ausnahmezustandes. Weil ein ernsthafter Wahlkampf in einem "Belagerungszustand" unmöglich ist, bereitet der unabhängige linke Präsidentschaftskandidat Carlos H. Reyes den Rückzug seiner Kandidatur vor. Der Anwalt der Kandidatur, Freden de J. Fönes, hat bereits die Anlagen beim Obersten Gerichtshof zurückgezogen.

Die Widerstandsbewegung macht sich langsam Gedanken darüber, dass der "pazifistische Aufstand", zu dem Zelaya seit seiner Rückkehr nach Tegucigalpa vor genau zwei Wochen immer wieder aufruft, vielleicht nicht reichen wird, um das Putschregime zu Fall zu bringen. Der Lehrer Rivera meinte: "Diese blutige Diktatur zwingt uns, unsere Methoden zu ändern. Denn wir sind nicht Gandhi und wir bewerben uns nicht um einen Friedensnobelpreis." Laut ihm sind die Lehrer wütend und wollen mehr als nur streiken.

Aber allein radikalere Kampfformen werden nicht helfen, wenn der Widerstand nicht wieder Massen mobilisieren kann. Das ist seit dem Beginn des Ausnahmezustandes vor einer Woche nicht gelungen ist. Der bekannte honduranische Autor Teofilo forderte in einer Rede auf der Kulturveranstaltung am Samstag den Generalstreik: "Erst an dem Tag, wenn sich kein Blatt an einem Baum mehr bewegt, wird der Diktator fallen."* An die Führung des Widerstandes und an Zelaya, die immer wieder mit dem Generalstreik drohten aber nie ausriefen, gerichtet, fragte er: "Wann kommt der Streik, ihr Hurensöhne?"

von Wladek Flakin, Tegucigalpa, Honduras, 5. Oktober 2009 -

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Zur Übersetzung:
* das heißt wörtlich so: "primero cuando no se mueve ninguna hoja en ningún árbol se va a caer el dictador."
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