Colin Goldner: „Fall eines Gottkönigs“

lahmer dalai 10.09.2008 23:09 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Beschäftigt man sich kritisch mit dem Lamaismus und der Rolle und Persönlichkeit des Dalai Lama, so stößt man in der Regel schnell auf den Namen Colin Goldner. Bücher und Einzelschriften über Tibet, den Lamaismus sind von ihm veröffentlicht worden. Eine überarbeitete und erweiterte Neuauflage seines Buches „Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs“ ist dieses Jahr im Alibri Verlag erschienen. Am 14. Juli 2008 kam Colin Goldner auf Einladung der Freidenker München e.V. zu einem Vortrag ins Kulturzentrum Giesing in München.
Der Abend bot eine gute Möglichkeit, um sich relativ schnell und dennoch faktenreich, über das brisante und umstrittene Thema Tibet und Lamaismus zu informieren. Seit nunmehr über 20 Jahren befasst sich der Buchautor, Wissenschaftsjournalist und Psychologe Colin Goldner mit Tibet und dem tibetischen „Buddhismus“. In den neunziger Jahren war er als Entwicklungshelfer in Tibet vor Ort, so dass er persönlich selbst Land und Leute kennen gelernt hat. Beim Bau von Toilettenanlagen, die in Tibet vielerorts so gut wie nicht vorhanden waren, lernte er nebenbei auch das politische und kulturelle Tibet kennen. Die romantischen und in ihrer Darstellung im Westen höchst einseitigen Vorstellungen über Tibet und dem Lamaismus gab es schon damals, als Goldner im Land arbeitete. Der Slogan, „wenn schon Religion, dann die des Dalai Lamas“, war damals bereits aktuell und allgegenwärtig anzutreffen. Sanftheit, Naturverbundenheit, Friedensliebe, Spiritualität, Tierliebe und noch viele andere edle Eigenschaften werden dem Lamaismus und seinem geistigen sowie weltlichen Oberhaupt zugeschrieben. Nicht nur in Teilen der Esoterik– und Psychoszene ist der Dalai Lama hochangesehen, sondern auch in großen Teilen der Bevölkerung genießt er Autorität und einen guten Ruf. In diversen Umfragen in Deutschland liegt der Dalai Lama als „moralische Größe“ ganz oben auf der Rangliste. Gerade diesen Menschen, die den Dalai Lama nur aus dem verklärten bundesdeutschen Medienbild her kennen, hätte der Vortrag von Colin Goldner die Augen öffnen können. Denn statt den romantischen Vorstellungen, die hierzulande über den Dalai Lama verbreitet werden, machte Goldner ganz andere Erfahrungen! Das an diesen Abend anwesende Publikum machte „leider“ den Eindruck, bereits gut über Tibet und seine Geschichte der Lamas aufgeklärt zu sein. Jedenfalls gab es während des Vortrages keine Einwände, empörte Zwischenrufe o.ä., als Colin Goldner die lange Liste an reaktionären Positionen und Vorkommnissen unter der feudalen Herrschaft der Lamas in Tibet vortrug. So erreichte er offenbar diejenigen nicht, denen eine kritische Auseinandersetzung gut getan hätte.

Ohne auf alle vorgetragenen Details konkreter eingehen zu können, der Vortragsbericht würde den Rahmen dieser Berichterstattung sprengen, seien hier einige wichtige Punkte erwähnt, die Goldner u.a. über den Lamaismus aufführte und ansprach:

- Die menschen-, frauen- und homosexuellen-feindlichen Positionen.

- Historische Ausführungen über das feudale System von Ausbeutung und Unterdrückung.

- Die soziale und ökonomische Situation der Menschen.

- Die Kontakte der Lamas zu Alt- und Neonazis und zu anderen reaktionären Organisationen.

- Die Kontakte der Lamas zu US-Geheimdiensten und die Unterstützung mit Geldmitteln und Waffen, die der Clan um den Dalai Lama von US-Geheimdiensten erhielt.

Streckenweise konnte der Eindruck entstehen, Colin Goldner nehme in seinem Vortrag wegen der umfangreichen Anklagen gegen den Lamaismus eine Pro-China-Einstellung ein. Doch sprach er sich an einigen Stellen auch gegen die Politik Beijings in der Vergangenheit sowie Gegenwart aus. Eine kritische Erwähnung fanden die allgemeinen Demokratiedefizite und die Ausbeutungsverhältnisse im heutigen China. Und auch die Zerstörungen und Verbrechen, die während der Kulturrevolution in China verübt wurden, sprach Goldner an. Wobei Goldner ergänzte, dass die Kulturrevolution nicht nur Tibet betroffen habe, sondern das ganze Land.

Lobende Worte fand Goldner teilweise zur Minderheiten-Politik in Tibet. Diese sei zumindest nicht schlechter als in anderen chinesischen Provinzen, so Goldner. Zumindest in diesem Punkt hat Goldener eine zu große Toleranz und ein gewisses Verständnis für die chinesische Staatsmacht! Tibetische Publikationen, ja die ganze tibetische Kultur heute, sei für die ganze Bevölkerung besser zugänglich als jemals zuvor, so der Referent, und erinnerte daran, dass die Feudalordnung ja für die Bevölkerung überhaupt keine Bildung und echte Kulturteilhabe zuließ. Zumindest können solche Ausführungen missverstanden werden! Ansonsten ist Colin Goldner jedem zu empfehlen, der den Dalai Lama und sein Weltbild nur von den bürgerlichen Medien her kennt!
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Ergänzungen

am 19. 10. ist er wieder in Berlin

x 11.09.2008 - 00:43
Am 19. Oktober 2008 wird er in der O2 World in Berlin
einen Vortrag halten zum Thema:
Die Wissenschaft vom Glück.
www.dalailama-berlin.de/
www.tibet-initiative.de/

Der Dalai Lama und die Nazis: Teil I
Indiana Jones & das Geheimnis des A im Kreis 19.05.2008 18:13
 http://de.indymedia.org/2008/05/217706.shtml

Der Dalai Lama und die Nazis: Teil II
Indiana Jones & das Geheimnis des A im Kreis 19.05.2008 18:30
 http://de.indymedia.org/2008/05/217714.shtml

Panorama vom 20. November 1997
Verklärt, verkitscht - Hollywood feiert den Dalai Lama
 http://daserste.ndr.de/panorama/media/dalailama74.html

Endloses Charisma: Der Dalai Lama spricht heute bei einer Kundgebung in Berlin
Sendezeit: 19.05.2008 23:27
Autor: Stratmann, Jürgen
Programm: Deutschlandradio Kultur
Sendung: Fazit
Länge: 03:22 Minuten
 http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2008/05/19/drk_20080519_2327_11d24a7e.mp3

27. Juli 2007 HYPE IN ORANGE
Der liebe Gottkönig mit der Kassenbrille
 http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,496939,00.html

 http://www.gottkoenig.de/

yepp

tagmata 11.09.2008 - 02:39
"Tibetische Publikationen, ja die ganze tibetische Kultur heute, sei für die ganze Bevölkerung besser zugänglich als jemals zuvor"

true, aber der 14. dalai lama war auch besser als jemals zuvor irgendein dalai lama (er war immerhin so weit zu merken daß das lamaistische gesellschaftsmodell für'n arsch war und einer defeudalisierung bedurfte). zu spät, zu spät... und so wurde letztlich eine fiese feudalaristokratie von fiesen maoisten überrollt, und der rest ist geschichte (daß der dl mit nazis & cia kuschelte, liegt auch in dieser völligen weltfremdheit begründbar: tibet war jahrhundertelang isoliert, aber für die meisten menschen dort war es definitiv keine splendid isolation.

naja, mensch kann sich nicht ewig gegen den rest der weltgeschichte stellen, ob man nun tenzin gyatso, mao tse-tung oder george w. bush heißt. the only solution is evolution.

augsburg

karl mosh 12.09.2008 - 11:00
auch in augsburg findet eine veranstaltung mit colin goldner statt:
freitag, 26.9., 19.30 uhr, kulturladen in selbstverwaltung "ganze bäckerei", reitmayrgäßchen 4.
www.ganze-baeckerei.tk

Colin Goldner kritisch gesehen

Anna Lebrowski 30.06.2010 - 17:04
Colin Goldner macht zwar viel Wirbel aber was er schreibt hat ziemlich wenig Substanz und ist häufig eine ziemliche Verdrehung der Faktenlage. Habe 3 Beiträge gefunden, die sich kritisch und differenziert mit seinem Geschreibe auseinandersetzen: - »Kein Dämon, kein Gott« - Südwind - Magazin für internationale Politik, Kultur und Entwicklung - Tierethik im Buddhismus eine Analyse zu Colin Goldners Artikel Tierrechte und Esoterik - Ivo Windrich - Colin Goldner. Fall eines Wissenschaftsjournalisten - Tenzin Peljor Mehr Sachverstand ist sicher angebracht.

Colin Goldner kritisch gesehen

Anna Lebrowski 02.07.2010 - 22:00
Wer was auf seinen Verstand hält sollte Colin Goldner selbst mal kritisch hinterfragen und ihm nicht alles ungeprüft abkaufen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Buch macht kluch — Buch Halter