Mumia: Der Kampf um Gerechtigkeit geht weiter

Michael Schiffmann 11.04.2008 19:42 Themen: Antirassismus Medien Repression Weltweit
Am 27. März ging es weltweit über die Nachrichtenticker: Todesurteil gegen Mumia Abu-Jamal aufgehoben! Grund zum Jubeln, wie es viele, zunächst einmal beeindruckt von der simplen Schlagzeile, getan haben? Nicht, wenn man näher hinsieht.
Es ist zwar immer ein Sieg der Menschlichkeit, wenn ganz gleich wo auf der Welt ein Todesurteil ganz gleich gegen wen aufgehoben wird - aber dennoch stellt der jetzige Beschluss des 3. US-Berufungsgerichts in Philadelphia zum Fall Mumia ein schreiendes Unrecht dar

Seit beinahe einem Jahr haben international zahllose Menschen auf diese Entscheidung gewartet, nachdem es am 17. Mai 2007 eine rund zweieinhalbstündige Anhörung gegeben hatte.

Dabei ging es einerseits darum, ob das im Dezember 2001 von einem Bundesrichter aufgehobenen Todesurteil wieder in Kraft gesetzt werden soll, und andererseits darum, ob Mumia endlich das zugestanden wird, was er schon seit so vielen Jahren fordert: einen neuen und diesmal fairen Prozess.

Nun ist die Entscheidung da, und der zweitschlimmste Fall ist eingetreten: Die Aufhebung des Todesurteils gegen Mumia bleibt zwar bestehen, aber er soll auch keinen neuen Prozess bekommen: Das Gericht gab ihm in keinem der drei ihm zugestandenen Berufungsgründe für ein neues Verfahren Recht.

Wenn dieser Beschluss bestehen bliebe, würde das für Mumia lebenslängliche Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis ohne Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung bedeuten.

Und das stellt natürlich keine Alternative dar. In einer Radiosendung mit dem kalifornischen Sender „Flashpoints“ hat Mumia inzwischen auch selbst Stellung genommen und klar gemacht, dass „diese Entscheidung kein Sieg ist“ (für den Text des Interviews und andere Infos siehe www.againstthecrimeofsilence.de und www.mumia-hoerbuch.de ).

Hinzu kommt noch der möglicherweise tödliche „Haken“ an der Entscheidung: Sobald sie rechtskräftig wird, hat die Staatsanwalt immer noch die Möglichkeit, innerhalb von 180 Tagen ein erneutes Verfahren zu beantragen, in dem die Schuld Mumias am Tod des Polizeibeamten Daniel Faulkner am 9. Dezember 1981 bereits vorausgesetzt ist und in dem es Ausschließlich um die Schwere der Strafe geht: Lebenslänglich oder Tod.

Where Do We Go from Here?

Nach dieser so enttäuschenden, ja schockierenden Entscheidung des für das betreffende Gebiet (Pennsylvania und einige andere US-Bundesstaaten) höchste Gericht der USA unterhalb des US Supreme Court stellt sich natürlich die Frage: Wie geht es weiter? Welche Chance hat Mumia überhaupt noch, der lebenslangen Einbetonierung in den Supermax-Knästen der USA zu entgehen und ein neues Verfahren zu bekommen, in dem er zeigen kann, worauf er von Anfang an bestanden hat: „Ich bin absolut unschuldig!“?

Mumias Anwalt Robert Bryan hat bereits angekündigt, dass er nun beantragen wird, dass sich statt des dreiköpfigen für den Beschluss vom 27. März verantwortlichen Richtergremiums nun das gesamte 3. US-Berufungsgericht mit der Frage eines neuen Prozesses für Mumia befasst.

Hilfreich für dieses Anliegen ist die Tatsache, dass einer der drei Richter in einem der drei Berufungspunkte Mumias mit seinen beiden Kollegen nicht einverstanden war und eine ausführliche „abweichende Meinung“ zu dem Gerichtsbeschluss verfasst hat. Der betreffende Punkt ist für das gesamte Verfahren Mumias von zentraler Bedeutung, denn es geht um die rassistische Praxis des systematischen Ausschluss schwarzer Geschworener aus der Verfahrensjury durch den Staatsanwalt.

Während die Mehrheit des Gerichts die Beweise für das Vorliegen rassistischer Motive seitens der Anklagevertretung mit fadenscheinigen Gründen vom Tisch wischte, ging dieser dritte Richter ausführlich auf die Argumente der Verteidigung ein und erklärte, der Angeklagte habe zu diesem Punkt zumindest eine neue Beweisanhörung verdient.

Hier zeigt sich also ein kleiner Silberstreif der Hoffnung auch in rechtlicher Hinsicht. Mumias Leben ist der Rettung mit der Entscheidung vom 27. März ein deutliches Stück näher gekommen. Der Kampf um seine Freiheit hat einen herben Rückschlag erlitten, ist aber noch lange nicht zu Ende. Wie in den langen Jahren zuvor wird hier nicht nur die rechtliche Arbeit, sondern auch die internationale Solidarität für Mumia von entscheidender Bedeutung sein.

Ich, der ich mich seit 1999 für das Leben und die Freiheit Mumias engagiere, fühle mich in diesen Tagen gemischter Emotionen an die Zeilen Bertolt Brechts erinnert: „Wer noch lebt, sage nicht niemals / Das Sichere ist nicht sicher / … / Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen / Und aus Niemals wird: Heute noch!“

Michael Schiffmann, 10. April 2008

-----------------------------

Fortlaufende Infos:

www.abu-jamal-news.com
www.mumia-hoerbuch.de
www.againstthecrimeofsilence.de

Literatur:
Michael Schiffmann, Wettlauf gegen den Tod. Mumia Abu-Jamal: ein schwarzer Revolutionär im weißen Amerika, Promedia 2006
J. Patrick O’Connor, The Framing of Mumia Abu-Jamal, Chicago Review Press 2008
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

FREE MUMIA NOW!

Mumia-Hörbuchgruppe 11.04.2008 - 19:52
Kommt zur Demo morgen in Berlin, 13 Uhr US-Botschaft, Unter Den Linden!
Lasst euch nicht von den nervigen Parteikadern des KFSV abschrecken, die hängen sich wie immer nur dran und haben überhaupt garnichts (!) mit der konkreten Vorbereitung zu tun.

Jeden Montag um 18 Uhr gibt es deutschsprachige Mumia-News im Internet unter  http://85.214.123.163:8000/metropolis.m3u oder im Berliner Radio auf UKW 97,2.

Mumia hat sich am Montag, den 7.April in einem Radiointerview mit der Californischen FLASHPOINT Sendung zum ersten Mal seit der Gerichtsentscheidung über sein Verfahren geäussert. Mumia spricht darin u.a. über Fragen der Solibewegung in Bezug auf die Justiz.
Der Podcast kann im Original hier gehört werden:  http://www.kpfa.org/archives/index.php?arch=25687 und hier heruntergeladen werden: www.flashpoints.net  http://www.flashpoints.net
(im Programm den 7.April suchen und mit rechtem Mausklick auf Speichern unter...)
Die Tageszeitung Junge Welt hat angekündigt, morgen eine deutsch übersetzte Version abzudrucken.

Schreibt Mumia, es stellt einen großen Schutz für ihn dar:

Mumia Abu-Jamal
AM 8335
SCI Greene Prison
175 Progress Drive
Waynesburg, PA 15370
USA

Postkarten kosten 1 Euro und sollten mit dem Aufkleber "per Luftpost" versehen werden. Mehr Infos zur Briefaktion für Mumia:  http://mumia-hoerbuch.de/bundnis.htm#SchreibtMumia
Da gibt es auch einige Schreibhilfen und einen Link zu einem guten Artikel über Briefkontakte mit politischen Gefangenen von ABC.

Tragt euch in die E-mail Benachrichtigungsliste ein:  free.mumia@gmx.net
Betreff: FREE MUMIA Kampagneninfos

Außerdem kämpft aktuell der schwarze Todestraktinsasse Troy Anthony Davis gegen seine drohende Hinrichtung. Hintergründe und Protestschreiben an den Begnadigungsausschuß von Georgia, USA befinden sich hier:  http://de.indymedia.org/2008/03/210751.shtml

Warum wir für Mumia auf die Strasse gehen

Mumia-hörbuchgruppe 11.04.2008 - 20:57
Vor zweieinhalb Wochenen fiel die lange erwartete Gerichtsentscheidung und sie machte allen Hoffnungen, auf juristischem Weg Mumias Situation zu verbessern, vorläufig ein Ende.
Auch wenn jetzt viele Leute eine Menge guter Artikel schreiben, Veranstaltungen organisieren etc. Das ist alles toll. Aber es bringt alleine wenig, wenn die Demos für Mumia weiterhin so klein bleiben. Sogar Mumias Anwalt sagte in dem Junge Welt Interview am 29.03.08, dass jetzt was auf der Straße passieren muss, damit sich neue Wege öffnen.
Wir wissen aus vielen Gesprächen über die letzten zwei Jahre, dass die Mehrheit der "Szene" diese Kampagne schon „ok“ findet, aber immer irgendetwas anderes gerade näher oder aktueller ist. Viele Jüngere kennen weder die Kampagne noch den politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal.

Daher zur Erinnerung: Mumia kämpfte als Jugendlicher gegen Rassismus und Faschismus, organisierte Solidarität für politische Gefangene und war mit den Black Panthers an sowas wie Stadtteilarbeit in der schwarzen Gemeinde Philadelphias beteiligt. Später arbeitete er als äußerst professioneller und gleichzeitig engagierter Journalist für viele Radios, Zeitungen und war sogar als Fernsehshow-Gastgeber im Gespräch.
Seine berufliche Karriere hat immer dann einen Knick genommen, wenn von ihm verlangt wurde, die Berichterstattung über soziale Misstände und besonders über institutionellen Rassimus und Polizeigewalt zugunsten einer gut bezahlten Anstellung aufzugeben.
Diese Haltung hat ihn letztendlich in die Todeszelle gebracht. Das Verfahren gegen ihn war eine ganz miese Geschichte, die Manipulationen darin füllen Bücher.
Bis heute schafft es Mumia, aus der Todeszellenisolation heraus relevante aktuelle politische Kommentare über das Geschehen innerhalb und außerhalb der USA zu schreiben, die auch immer noch visionär sind und als solche von vielen in den USA begriffen werden. Beispiele sind seine Kolumnen während des Hurricanes Katrina, als die US-Regierung deutlich machte, dass schwarze US-Amerikaner_innen von ihr keinerlei Untertsützung erwarten können. Oder seine Kolumnen zum Irak-Krieg oder auch den laufenden Präsidentschaftsvorwahlen.

Auch wenn Mumia schon 26 Jahre im Knast sitzt: sein Kampf ist brandaktuell. Er richtet sich gegen Knäste, die Todesstrafe, Rassimus, Klassenjustiz.
Deshalb kommt am 12.April auf die Strasse! Sie wollen Mumia lebendig begraben, das werden wir nicht zulassen.

Freiheit für Mumia Abu-Jamal!
Weg mit der Todesstrafe weltweit!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

Also bei Wikipedia klingt das — eindeutig so,