Rostock: Aushöhlung des Versammlungsrechtes

ra0105 04.06.2007 20:54 Themen: Antirassismus G8 Heiligendamm Repression
Der Medienhype über die Krawalle vom Samstag hat sein Ziel erreicht. In der Hansestadt Rostock herrscht zur Zeit ein Klima, das es den Ordnungsbehörden gestattet, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ad absurdum zu führen. Heute der bisherige Höhepunkt, die Veranstalter lösten eine Demonstration zum Thema Migration auf. "Es sei nicht gelungen, die angemeldete Demonstration auf der geplanten Route durchzuführen. Wir lösen jetzt auf, da die Polizei und die Ordnungsbehörden keinerlei Bereitschaft zeigen uns durch Innenstadt ziehen zu lassen." erklärten am Rande der Veranstaltung Sprecher gegenüber den Medien.
[Wieviel demokratische Grundrechte gibt es noch in Rostock?]

Zunächst argumentiert die Polizei eine Hohe Anzahl an vermummten und gewaltbereiten Chaoten befinde sich in der Demo. Diese Behauptung ließ sich jedoch nicht aufrechterhalten und im weiteren Verlauf wurde nun seitens der Polizei erklärt, es befinden sich deutlich mehr als die zuvor angemeldeten Teilnehmer auf Demonstration. Folglich könne die Demo aus Sicherheitsgründen nicht durch die Innenstadt ziehen. Über mehrere Stunden hinweg ging es kaum vorwärts. Die Polizei tat alles um die Lage zu eskalieren. So wurden Portraitbilder von Personen die sich bei den Ausschreitungen beteiligt hatten an Beamte verteilt und diese versuchten sie nun in der Demonstration wieder zu erkennen. Gleichzeitig waren viele Einheiten im Umfeld der Demonstration vermummt und beobachteten argwöhnisch die Demonstranten.
Anwohner hingegen hatten einen anderen Eindruck von der Demonstration und waren vom Verhalten der Polizei empört: "Wieso lässt die Polizei die Leute nicht einmal kurz auf Toilette gehen?" - so der entrüstete Kommentar einer etwa rund 50jährigen die aus ihrem Fenster die Szenerie beobachte. Einige Anwohner verteilten aus den Fenstern heraus Wasserflaschen an die wartende Menge. Teilweise ließen Bewohner sogar globalisierungskritsche Jugendliche in ihre Wohnungen damit diese ihre Toiletten benutzen durften.
Sichtlich bewegt nahmen Demonstranten den Redebeitrag eines aus dem Irak stammenden Migranten auf. Er berichtete, dass viele seiner Angehörigen im Irak tot sind. Empörend sei es, dass deutsche Beamten planen, Flüchtlinge aus dem Irak in ihre von Krieg, Terror, und Besatzung gezeichnete Heimat abzuschieben. Die Demonstration war Teil des Aktionstages Migration. Viele Veranstaltungen beschäften sich mit der Frage, welche dramatischen Folgen Migration für die Betroffende hat. Zumal, so der Vorwurf, die G8 einen gewaltige Mitschuld an den Wanderungsbewegungen haben. Die blanke Not zwinge dazu Menschen ihre Heimat zu verlassen . Viele bezahlen für die Flucht in eine bessere Welt an der Festung Europa mit dem Leben.
Die Demonstration sollte den Rostocker und der Welt zeigen, dass die die Verhältnisse in den Migranten leben teils prekär sind, doch die Polizei verhinderte dies.
Konsequenterweise lösten die Veranstalter die Demonstration auf. Eine Demonstration unter diesen Umständen sei unzumutbar. Am Rande musste sich Monty Schädel gegenüber Medienvertreter immer wieder für die Krawalle vom Samstag rechtfertigen. Er betonte wiederholt, dass er sich von den Randalierern distanziert. Nicht distanzieren will er sich aber von der interventionistische Linken. Die Zusammenarbeit mit diesen Gruppen bezeichnete gegenüber indymedia als tadellos. Die Polizei drohte damit, etwaige spontane Demonstrationen nach dem Auflösen der Demonstration nicht zu dulden. Es roch nach Gewalt seitens der Polizei, wenn man betrachtet, dass mehrere Wasserwerfer in Stellung gebracht worden. Letzendlich aber konnten die Menschen friedlich abziehen. Begleitet von einem hohen Polizeiaufgebot bildete sich dann doch eine Spontandemonstration die am Stadtzentrum vorbei in Richtung Hafen führte. Dort ist ein kultureller Abend geplant mit vielen Veranstaltungen zum Thema Migration und G8.

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Ergänzungen

Vermummungsverbot

Nikolaus 04.06.2007 - 21:22
Die Festnahmen wegen Vermummung von Leuten die eine Perücke getragen haben ist illegal (ist den Bullen egal - klar, aber trotzdem zur Kenntnisnahme). Jüngst hat es dazu eine Gerichtsentscheidung gegeben ( http://de.indymedia.org/2007/05/179307.shtml). In jenem Fall hatten die Leute weit mehr als Perücken getragen.

@ Nikolaus

egal 05.06.2007 - 08:07
der vollständigkeit halber solltest du aber zu deinem link auch erwähnen (lese mal weiter unten dort!), dass es eine vielzahl von bußgeldern in ähnlich gelagerten fällen gab (weihnachtsmannfälle)!

die frage, die sich jedesmal stellt ist:
wollte man/frau durch die maskerade (allg.) die identifizierung erschweren oder verhindern?
sollte mensch diese frage mit ja beantworten, .....nunja pech gehabt...
hier im vorliegenden fall kann es u.u. sogar als kunstaktion durchlaufen, ich bin gespannt.
so eindeutig in rechtlicher hinsicht ist es allerdings nicht!

recht ausführliche fotoreportage der demo

((d)) 05.06.2007 - 11:37

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 3 Kommentare

Demonstrationsrecht: Spielball der Polizei

Omar 04.06.2007 - 23:17
Es ist schon ein Witz, dass eine (spontane oder andere) Demonstration von der Polizei "nicht geduldet" wird. Hängt die Ausübung von Grund- und Menschenrechten vom Belieben und vom "good will" der Polizei ab ? Je nach "Duldungswillen" der Polizei dürfen in diesem Rechtsstaat demokratische Grundrechte ausgeübt werden - oder eben nicht.

Wert der Grundrechte

Znatilim 04.06.2007 - 23:34
Na, wer hätte das jetzt gedacht? Wenn Grundrechte dem Staat im Weg sind, dann suspendiert er sie einfach. Mit anderen Worten: Grundrechte sind nichts wert, weil im Falle der Fälle, nämlich wenn sie dem Staat unangenehm sind, für nichtig erklärt werden. Oder wer glaubt ernsthaft, dass ein Recht noch was wert sei, sobald es dem Staat ans Eingemachte geht? Wenn Rechte vom Staat aber willkürlich gewährt oder genommen werden, dann existieren eigentlich gar keine Schutzrechte, sondern nur ein Verblendungszusammenhang, der die Volksmassen oder konkreten Lebenszusammenhänge über die wahren Macht- und Gewaltverhältnisse täuschen soll.

Genauso das Geschwätz von der "Verhältnismäßigkeit": Wenn es nötig ist, dann schießt der Poliezimeister noch immer auch scharf. Und wenn's nicht nötig ist - tja, was soll dann sein, dann war's offensichtlich nicht nötig bis zum Äußersten zu gehen, und durch Brutalität das Volk gegen den Staat aufzubringen liegt nunmal nicht im Interesse der Herrschenden und Nutznießer des Kapitalismus.

Und da beschweren sich noch manche, wenn progressive Leute und die Gelackmeierten der Globalisierung den bürgerlichen Staat abschaffen wollen...

Die Politik brauchte Gewaltbilder

Johannes Donhuijsen 05.06.2007 - 17:02
Das Versammlungsrecht in Deutschland ist ein hohes Gut, verankert im Grundgesetz Artikel 8. Aufhebbar nur durch Artikel 18, nur bei entsprechender Gefahrenprognose und auch nur durch einen Gerichtsbeschluss. So funktioniert die Gewaltenteilung in Deutschland, zumindest theoretisch.
Bei Castortransporten kennt man das Spiel bereits schon lange. Es werden haarsträubende Gefahrenprognosen von Seiten der Polizei verfasst, um die 50 Meter-Sperrzone rechts und links der Gleise zu rechtfertigen, die im nachhinein, wenn die Demonstrationen gelaufen sind von Gerichten als unrechtmäßig entlarvt werden und im nächsten Jahr beginnt das Spiel von vorne.
Selbiges nun in Heiligendamm, um den Rechtsstaat mit rechtsstaatlichen Mitteln auszutricksen. 10 Kilometer Bannmeile, riesiges Polizeiaufgebot und massive Einschränkungen des Versammlungs- und Demonstrationsrechts lassen sich nicht rechtfertigen, wenn 70.000 Menschen friedlich demonstrieren.
Man weiß genau welche Bilder man braucht und wie man sie bekommt, damit das Bundesverfassungsgericht die Klagen der Globalisierungskritiker mit entsprechender Gefahrenprognose abweist und die Bannmeile aufrecht erhalten werden kann. Das Feigenblatt liefert ein Ministerpräsident, der von Deeskalationsstrategie spricht und verschweigt welche Maßnahmen zur Deeskalation die Polizei im Vorfeld unterlassen hat.
Ganz klar: Politik und Polizei brauchten Bilder, die nur eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zulassen. Wo käme man hin, wenn deutsche Gerichte, die Bannmeile aufgehoben hätten und die Demonstranten bis aufs Tagungsgelände hätten vordringen dürfen...
Ein weiterer Nebeneffekt, alle reden über die Krawalle und niemand über die schreienden Ungerechtigkeiten der G-8-Länder.