Freiraumdemo in Lindau

Liberator 03.05.2007 08:14 Themen: Freiräume G8 Heiligendamm Repression Soziale Kämpfe
Erneut wurde in Lindau für die Befreiung der leerstehenden Escher-Wyss-Gießerei demonstriert. Die Party war gut, die Aktion erfolglos, und Beton brennt doch.
Am Abend des 30. April 2007 versammelte sich ein gutes Dutzend Angehörige und UnterstützerInnen des Ordens der Liberins ( http://www.liberins.org) vor dem Werkstor der Axima (gehört zum Suez-Konzern und besitzt die Gießerei) in der Kemptener Straße in Lindau. Anlaß war der Jahrestag der Räumung einer Party in der seit den 70ern leerstehenden Gießerei am Motzacher Tobelbach (indy-Bericht:  http://de.indymedia.org/2006/05/145770.shtml). 50 Leute, vor allem Punks aus nah und fern, hatten dort gefeiert. Zehn von ihnen konnten oder wollten dem eindringenden SEK nicht entwischen und bekamen Anzeigen, es wurden jedoch alle Verfahren eingestellt, bis auf das gegen den Ordensältesten Djabba Liberin, der zu der Feier geladen hatte. Sein Prozeß soll am Mittwoch, 30. Mai, um 16:45 vor dem Königlich Bayerischen Amtsgericht Lindau stattfinden -- kommt alle, wird bestimmt lustig!
Die Rotte lauschte zunächst der wohlüberlegten Rede Djabbas über Hausrecht, Widerstand, Sanierungskonzepte und Komposttoiletten und den Störgeräuschen der grottigsten Squat-Verstärkeranlage zwischen Kopenhagen und Genua. Erwähnenswert vielleicht die Teilnahme eines talentierten jungen Lindauer Musikers, der ursprünglich von der Elfenbeinküste stammt und letztes Jahr an Weihnachten den Lindauer Songcontest gewonnen hat -- mit einem Rap darüber, wie schön es ist, hier am Bodensee zu sitzen und sich die Rübe zuzukiffen; die Lindauer Zeitung druckte den Text in voller Länge und feierte ihn als neue Stadthymne anstelle des allseits bekannten Kinderfestliedes "Lindau hoch" ab. Die Polizeipräsenz beschränkte sich auf zwei Zivis, die gelegentlich ihre Fotoausrüstung ausprobierten und ansonsten gelangweilt in ihrem Mercedes herumsaßen.
Sieben Personen beteiligten sich am anschließenden Demozug zur Gießerei. Ein Verkehrsunfall zwang sie leider, den Gehsteig zu verlassen und die Kemptener Straße zu benutzen, also eine der Lindauer Hauptverkehrsadern, was ein gewisses Verkehrschaos verursachte. Nach einer Zwischenkundgebung mit einem kritischen Redebeitrag zu G8 und Neoliberalismus wurde im Konsens die Abschaffung des Kapitalismus beschlossen. Außerdem wurde der kaputte Verstärker abgebunkert und durch eine Getränkekiste ersetzt.
Vor der Gießerei war nur eine Abschlußkundgebung angemeldet, allerdings wurden spontan noch ein Wohnzimmer, eine Küche und ein Kompostklo aufgebaut, um die Gießerei zu belagern. Die Zivis warteten vollkommen unauffällig in der Einfahrt eines der benachbarten Bauernhöfe und riefen dann doch irgendwann mal eine Streife. Djabba Liberin erklärte dieser, daß er noch eine Spontankundgebung auf dem Platz anmelden wolle. Unverständlicherweise wollten ihm die Cops die spontane Entstehung der Wohlfühlzone vor der Gießerei nicht abkaufen und erinnerten ihn an seine Pflicht als Versammlungsleiter, die Demo für beendet zu erklären. Darüber wurde erst mal ein Plenum einberufen. Mittlerweile hatte die Aktion rund 15 TeilnehmerInnen, und auch die AnwohnerInnen stießen nach und nach dazu, die ebenfalls gegen die Pläne der Axima sind, das Gießerei-Gelände als Edel-Wohngebiet zu versilbern und die Liberins daher unterstützen (konkret an diesem Abend mit Wasser).
Kompromißvorschlag der Polizei war, daß Djabba die Demo für beendet erklären solle und die Party unter Berufung auf die Freinacht zwar nicht als Versammlung, aber als Party geduldet werde. Das Plenum kochte ein bißchen Kaffee, rappte dazu auf das schöne Lindau und beschloß letztlich, den Kompromiß anzunehmen. Die Streife erklärte sich daraufhin für nicht mehr zuständig und fuhr davon, und nach einer gewissen Anstandsfrist machten auch die Zivis Feierabend, während vor der Gießerei Gemüse geschnippelt, Spargel geschält, Kaffee gekocht, gerappt und Musik gehört wurde.
Die Axima legt ja großen Wert auf die Wahrung ihres "Hausfriedens". Sie hatte die Liberins mit Hausverboten, Strafandrohungen und bösen Anwaltsbriefen überzogen. Vor kurzem hatte sie sich sogar noch die Mühe gemacht, den Schließzylinder der Liberins auszubauen und durch einen eigenen zu ersetzen, nachdem sie schon anläßlich der letzten Gießerei-Demo in Dezember (siehe  http://de.indymedia.org/2006/12/164877.shtml) ein paar hilflose Verbarrikadierungsversuche unternommen hatte. Da sie allerdings auch den alten Hausmeister, der dort noch im Nebengebäude gewohnt hatte, rausgeschmissen hatte, kam es mittlerweile zu einigen Akten des Vandalismus, so daß man von der anderen Seite her ganz gemütlich in die Halle reinspazieren kann. So führten sich dann im Laufe des Abends Liberins, AnwohnerInnen und Gäste gegenseitig durchs Haus. Wegen des langen Leerstands ist die Gießerei selbst für die "mittelalterlichen" AnwohnerInnen bereits der Abenteuerspielplatz ihrer Kindheit gewesen. Die Gäste waren vor allem von der Halle begeistert, die einfach nach Party schreit, aber wir wollen ja hier zu nix Verbotenem aufrufen.
Die Produktion von Gemüsesuppe, Spargel und Kaffee erbrachte ab dem zweiten Versuch, nachdem die Küchencrew das mit dem Salzen, Schälen und Abgießen ohne unfreiwillige Filterspülung einigermaßen raushatte, ganz annehmbare Ergebnisse. Bei Musik und Spiel wurde das Wohnzimmer immer gemütlicher. Insgesamt kamen wohl so um die 30 Leute vorbei, sangen den einen oder anderen Rap auf Lindau und hatten eine gute Zeit.
Später in der Nacht müssen dann noch irgendwelche Leute auf das Gelände vorgedrungen sein. Wegen der Trockenheit machten sie ihr Lagerfeuer aus Brandschutzgründen nicht mitten auf der Wiese, sondern auf einer betonierten Lagerfläche am Rand des Grundstücks. Das Holz war gut durchgetrocknet und gab eine ordentliche Hitze, so daß dieser Teil der Fete abrupt durch eine Explosion beendet wurde -- ein halber Quadratmeter Betonplatte platzte ab, flog in die Höhe und verteilte sich mitsamt dem Lagerfeuer in der Umgebung. Von wegen feuerfeste Unterlage. Also, eigentlich brennt Beton ja gar nicht. Und eigentlich hat sich bei dieser Aktion vor allem wieder mal gezeigt, daß den Liberins einfach die Massenbasis fehlt. Überhaupt kann man eigentlich in Deutschland, ganz besonders in Bayern, sowieso keine Häuser mehr besetzen. Somit steht eigentlich auch diese Aktion unter dem Lebensmotto von Djabba Liberin: "Von mir lernen heißt verlieren lernen!" Aber irgendwie war's halt trotzdem wieder mal ein Riesenspaß.
Die Belagerung der Gießerei wurde noch bis zum frühen Nachmittag des 1. Mai aufrechterhalten und anschließend freiwillig beendet. Übriges Brot und Gemüse wurden auf das Maifest des Schlachthauses Dornbirn ( http://www.myspace.com/kulturcafeschlachthaus) gebracht, wo sie begeistert empfangen wurden, da eben noch festgestellt worden war, daß das Essen für fünf Bands doch ein bißchen knapp bemessen war; dank der Liberins reichte es sogar noch für eine Gratis-Vokü für die BesucherInnen. Ohne Mampf kein Kampf, und der geht weiter!
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Ergänzungen