Cancun-Kongress in Berlin - Bericht, Bilder

The great GATSby 08.09.2003 04:27 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Bericht, Bilder, Interview
Etwa halb so groß von der Zahl der Teilnehmenden (ca. 700), im Vergleich zum zuletzt auch an der Berliner TU stattgefundenen McPlanet.com, fiel der unter dem Motto "Fatal global ?!" stehende Kongress aus. Zwei Tage (5-6 September) lang ging es wieder um Globalisierung, diesmal konkreter im Hinblick auf das nahende WTO-Treffen in Cancun (Mexiko) aus. Demenstprechend ging es viel um GATS, TRIPS, aber auch um Agrar- und Investitionsabkommen, auch dort ist die WTO im Dienste der Konzerne tätig. Ein paar subjektive Eindrücke.


Zu Anfang gleich der erste positive Eindruck, diesmal war der Eintritt frei, die Organisierenden haben offenbar aus der Kritik am McPlanet.com gelernt, damals war der Eintrittspreis eine große Hürde. Jedoch hat es sich scheinbar nicht wirklich ausgewirkt, denn seltsamerweise waren weniger Leute anwesend. Ich war leider nur kurz da, kann also nur einen groben Einblick geben. Es gab zum Beispiel eine Reihe von Workshops zu Themen wie
  • "Geistiges Eigentum und Geistige Enteignung: Informationsgesellschaft vs. Privatisierung von Wissen"
  • "Alle Freiheit für Unternehmen - Keine Rechte für Arbeitnehmer?"
  • "Frauen und Globalisierung: Clean Clothes Campaign"
  • "Grenzen des Reformismus: Mythen über die WTO und Perspektiven des Widerstands"
Es wurde geplante Aktionen zu Cancun und WTO besprochen und darüber informiert. Eine ist zum Beipiel das WTWopoly auf dem Alexanderplatz in Berlin. Attac hat eine zweiseitige Liste mit Aktionen allein in der BRD zusammengestellt.

Das Publikum war gut gemischt, so von 16 bis 66 vom Alter her. Was mir persönlich als zwiespältig auffiel war die Partei-Präsenz. Außer den vielen Basisorganisationen, etwa aus der Umweltbewegung, der Hungerhilfe von den Gewerkschaften, waren auch explizit Leute von beiden Regierungsparteien beteiligt, sei es als Referierende (SPD, Grüne) oder auch als Organisierende (Jusos). Ob das zu mehr Druck auf die WTO oder eher zu schneller Vereinnahmung der Bewegung führen wird, wird sich in den kommenden Jahren zeigen müssen.

In der Abschlußpresseerklärung heißt es unter Anderem immerhin:
Die Position von Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dass die WTO Fortschritt für alle Länder bringe, stieß bei einer Podiumsdiskussion auf heftigen Widerspruch. Für die Gewerkschaften forderte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, nicht sämtliche Dienstleistungsmärkte den Verwertungsinteressen des Kapitals zu unterwerfen: Grundbedürfnisse dürfen nicht zur Handelsware werden.

Ich habe ein längeres Interview mit einem Vertreter von JungdemokratINNen/Junge Linke (Berlin) gemacht das in drei Teile zerschnitten ist. In Teil 1 stellt er u.a. den Kongress und die Organisation in der er Mitglied ist vor. Teil 2 beschäftigt sich konkreten Aktionen der JungdemokratINNen/Junge Linken und in Teil 3 sprechen wir über Kritik an Anti-GATS-Gruppen, Kapitalismus und Radikaldemokratie.

Links:
JungdemokratINNen/Junge Linke (Berlin), Gerechtigkeit jetzt!, Fatal global ?!, Lob der Verzweiflung (Theater-Duo)
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Ergänzungen

Abschlusspodium

Mr.X 08.09.2003 - 05:13
Ich habe es nur zur Abschlussveranstaltung geschafft. Vielleicht 200 oder 300 Leute waren anwesend. Thema warwas in der Art von "wie weiter". Auf dem Podium saßen ein DGBler, ein Gewerkschafter aus Malysia, ein Attacler und jemand von Weed.
Mein Einnruck vom Podium und vom letzten Tag: extrem staatstragend. Meinungen und Ansätze jenseits der Systemlogik waren lediglich beim Gewerkschafter aus Malysia und dem Attacler in Ansätzen zu spüren. Der DGBler vertrat sogar die Ansicht, daß die WTO was ganz Tolles sei, wenn sie nicht so ungerechte Politik machen würde. Teilweise drehte sich die Diskussion darum, mit welchen Instrumenten/Maßnahmen das System "gerechter" funktionieren würde.
Bei den Workshops sah es dagegen anders aus. Hier gab es eine ziemliche Breite und auch sehr grundlegende Kritik an den Verhältnissen.
Insgesamt war der Kongress sehr durchwachsen, von der Tendenz eher staatstragend und die "Bewegung der Bewegungen" sollte aufpassen, daß sie nicht von populistischen Sozialdemokraten (z.B. wie in Brasilien durch Lula) vereinnahmt oder instrumentalisiert wird. Eine große Bedeutung hat der Kongress meiner Ansicht nach aber nicht gespielt.


Hier noch ein weiterer Bericht:
Global fatal an der TU-Berlin
 http://de.indymedia.org/2003/09/61136.shtml

lauwarmes Fatal Global

- 08.09.2003 - 14:03
auch ein Zeitungsbericht bestätigt den Eindruck einer lauwarmen, staatstragenden Veranstaltung. Ein bisschen mehr Keynesianismus und Lobbyismus und die Welt ist nicht mehr so fatal? Ein zu wichtiges Thema um sie den NGOs und regierenden Parteien zu überlassen, auf jeden Fall.
 http://www.jungewelt.de/2003/09-08/016.php

Presseecho

The great GATSby 08.09.2003 - 14:49
Vorab
 http://www.n-tv.de/3182202.html

Während
 http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=41027&IDC=3

Danach
 http://www.taz.de/pt/2003/09/08/a0133.nf/text.ges,1
 http://www.fr-aktuell.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/wirtschaft/?cnt=297257

Mehr über
 http://news.google.de/news?q=Fatal+Global&hl=de&lr=&ie=UTF-8&oe=UTF-8&sa=N&scoring=d

Ebenso wie die Kommentare vor mir, konzentrieren sich die Zeitungen auf die Prominenten und die Podiumsdiskussion. Erstaunlich wie schnell die Basis aus dem Blickfeld gerät.
Da die Junge Welt sich diesmal am Kongress nicht beteiligt hat, im Gegensatz zur TAZ die erneut Engagement gezeigt hat ist das "lauwarme", das übrigens nicht wirklich die zentrale Aussage des Artikels ist, zum Teil selbst verschuldet. Sich nicht beteiligen und sich dann beschweren die eigenen Positionen seien nicht vertreten worden hört sich für mich ziemlich paradox an.

@ the great GATSby

Junge Welt 08.09.2003 - 15:56
Find Deine Bemerkungen höchst komisch. Wenn wir nicht mitmachen, dann liegt das daran, dass wir meinen, den staatstragenden Charakter nicht zugunsten einer emanzipativen Position verschieben zu können. Dafür dann noch den Namen und das Engagement herzugeben, damit die Politclowns sich als die PluralistInnen des Tages hinstellen können, ist uns dann doch zu wenig radikaldemokratisch...

Junge Welt - Fake

The great GATSby 08.09.2003 - 16:27
Ich glaube nicht, daß die Junge Welt bewußt kapituliert hat, ist zum Beispiel hier  http://www.jungewelt.de/2003/09-06/010.php im Vorhinein zu lesen, daß der Kongress für wichtig erachtet wird. Vermutlich waren die knappen Ressourcen der Jungen Welt eher der Grund. Nach der Logik die "Junge Welt" hier anspricht müßten ja alle die nach Cancun fahren sofort aufgeben, ist diese Veranstaltung ja noch viel "staatstragender".

Zitat: Mit "Global Fatal" veranstaltet ein breites Bündnis von ATTAC, dem DGB und verschiedenen Einzelgewerkschaften bis hin zu Umweltschutz- und entwicklungspolitischen Gruppen wie dem BUND, Terre des Femmes und INKOTA in Berlin einen Kongreß gegen die Welthandelsorganisation, der bis zum heutigen Samstagabend geht und heiße Kontroversen verspricht.

Diese Mentalität der inneren Emigration die "Junge Welt" angesichts eines auch nur Ansatzweise vorhandenen politischen Gegners äußert erinnert an die frühere DDR. Wenn sich die Junge Welt tatsächlich auf identitäre Nischen-Politik zurückzöge, würde mich das sehr überraschen, scheint es momentan die einzige wirklich fortschrittlieche Tageszeitung zu sein.

Kurzum, ich bezweifle, daß irgendwer von der Jungen Welt anonym bei Indymedia wehleidige Kommentare schreibt, dafür veröffentlichen die Leute von der Jungen Welt zuviele radikale Sachen um kleinlaut Niederlagen zu propagieren.

Veranstaltungshinweis

in die Suppe spucken 09.09.2003 - 01:28
in der Berliner Urania in der neben den staatstragenden Veranstaltungen auch recht häufig sowohl geschichtsrevisionistische, sozialdarwinistische, wie irrationalistische etc Vorträge stattfinden.
Zur Erinnerung dein paar bekannte Referenten der letzten Zeit:
Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Prof. Dr. Bernd Rabehl, Finkelstein, Stéphane Courtois: Das Schwarzbuch des Kommunismus, Norman G. Finkelstein "The Holocaust Industry"

UND NUN ZUR SACHE:

Dienstag, 21.10.03 19:30
Politik und Gesellschaft | Mit freundlicher Unterstützung des Eichborn-Verlages und in Zusammenarbeit mit RBB-inforadio
Podiumsdiskussion
Die Kritik der Globalisierung - alles nur eine Frage der Ideologie?
Expertengespräch mit:
Prof. Dr. Elmar Altvater, FB Politik- und Sozialwissenschaften, FU Berlin
Markus Balser und Michael Bauchmüller, Wirtschaftsredakteure der Süddeutschen Zeitung, Autoren des Buches "Die 10 Irrtümer der Globalisierungsgegner - wie man Ideologie mit Fakten widerlegt", München
Christiane Grefe, Redakteurin der ZEIT, Co-Autorin des Buches "Attac - Was wollen die Globalisierungsgegner", Berlin
Moderation: Alfred Eichhorn, inforadio, Berlin

Die "Globalisierungsgegner" haben es in kurzer Zeit geschafft, mit ihrer Kritik in fast allen Ländern der Erde Aufmerksamkeit zu erregen. Doch so schlagzeilenträchtig viele Aktionen waren, mitunter wurde nicht ganz deutlich, was und wer genau mit der Kritik gemeint ist oder welche Alternativen vorgeschlagen werden. Liegt das vor allem an der unglaublichen Komplexität der verschiedenen weltweit wirksamen Entwicklungen, die unter dem Begriff "Globalisierung" zusammengefaßt werden? Oder auch an der sehr unterschiedlichen Herkunft der Akteure, die sich um Attac und andere Gruppierungen versammelt haben? Oder wird von den Globalisierungsgegnern gar keine sachliche Kritik geäußert, sondern hauptsächlich Ideologien verbreitet? Diskutieren Sie diese Fragen zu einem der wichtigsten Themen unserer Zeit heute in der Urania mit ausgewiesenen Experten!

Karten reservieren
Normal: 5,00 €, Ermäßigt: 4,50 €, Mitglieder: 3,50 €
 http://www.urania-berlin.de/veranstaltung/2003/p823

DGB wirft attac antisemitismus vor

ein Überblick 09.09.2003 - 02:10
 http://de.indymedia.org//2003/09/60747.shtml

und zur Erinnerung
mit vielen links zu anderen Attac kritischen Artikeln:
Attac Berlin lädt CDU Rechtsaußen Schäuble zum Kriegsrat ein !!!
 http://de.indymedia.org//2003/02/42151.shtml

der inhaltlichere Teil

x 09.09.2003 - 02:41

Zusammenhänge und Hintergründe warnehmen

in die Suppe spucken 09.09.2003 - 04:20
Bei der Abschluß Veranstaltung saß unter anderem
Olaf Zimmermann  http://www.olaf-zimmermann.de/
 http://www.gabriele-schulz.de/buch19.htm
vom Deutschen Kulturrat  http://www.kulturrat.de/
mit auf dem Podium.
Er hat am 1.09.in der Welt seine Meinung zum Thema
"Zentrum gegen Vertreibungen" in "Der Welt" kundgetan:
"Streiten wir uns über das Wie - Das "Zentrum gegen Vertreibungen" muss in Berlin errichtet werden"
 http://www.welt.de/data/2003/09/01/162255.html
am Nachmittag gab es die
"Demo gegen den "Tag der Heimat" in Berlin"
 http://de.indymedia.org/2003/09/61129.shtml

Bei der Podiumsdiskussion wußte entweder kaum jemand von seiner Positionierung oder es war ihnen egal.
Ich war mir nur 90% sicher und habs einigen anwesenden GenossInnen laut zugerufen.
Nun hab ich`s überprüft und es stimmt.
Durch die Überprüfung bin ich auf die lesenswerte PRESSESAMMLUNG zum
"Zentrum gegen Vertreibungen" gestossen
 http://www.dki.antifa.net/inipa/ezgv-presse.html

hier der Grund für die Teilnahme des Kulturrat Zimmermanns
wenn`s um den eigen Arsch geht werden auch die letzten Angepassten ein wenig wach und kompatibel für staatstragende reformistische Bündnisse

Angst vor dem Kultur-Kahlschlag
Im Streit um den Handel mit Dienstleistungen fürchten Medienvertreter den Verlust von Vielfalt von Kristina Läsker

Das gelingt sonst nur amerikanischen Blockbustern: Mit seinem Film „Good bye, Lenin“ hat der Regisseur Wolfgang Becker bisher sechs Millionen Besucher in Deutschlands Kinos gelockt. Auch an der Grenze macht der Erfolg nicht halt: Am Dienstag startet der Film in Paris. Möglich wurde der Streifen durch eine Filmförderung: Rund 721 000 Euro steckte die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen in die Beckersche Produktion. Ob der Film ein Hit würde, wusste man dort anfangs nicht. Nur einer von zehn Filmen entwickelt sich zum Kassenknüller, lautet die Faustregel.


Es sind regionale Filmförderungen wie diese, die Medienexperten nun in Gefahr sehen. Bei der fünften Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún soll von diesem Mittwoch an auch diskutiert werden, inwieweit das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (Gats) bis Anfang 2005 zu konkretisieren ist. Zu diesen Dienstleistungen zählen auch audiovisuelle und kulturelle Güter, also Film, Funk und Fernsehen. Die Sorge der Liberalisierungsgegner: Die Anwendung des Gats-Abkommens könnte einen kulturellen Kahlschlag bewirken, weil fortan alle Kultur-Förderungen als handelsverzerrende Subventionen gelten könnten und damit verboten wären. Dies könnte auch das Aus für die Filmstiftung NRW bedeuten, da diese zu je 40 Prozent vom Bundesland NRW und vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanziert wird – eine noch erlaubte Kulturförderung.

ARD erklärt sich

Bisher hatten die 146 WTO-Mitgliedsländer vereinbart, dass für den audiovisuellen Sektor nicht die Gats-Regeln gelten, doch inzwischen haben eine Hand voll Länder den Druck erhöht: So fordern die USA, Indien und Brasilien die komplette Liberalisierung für Film- und Radioproduktionen. Dadurch könne das „Recht des Staates auf freie Gestaltung der Kulturpolitik“ eingeschränkt werden, sagte Fritz Pleitgen, stellvertretender ARD-Vorsitzender. Gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Deutschen Kulturrat will Pleitgen daher in Cancún flankierend eine „Erklärung zur kulturellen Vielfalt“ vorstellen. Darin appellieren die Initiatoren an die WTO-Mitglieder, die Existenzbedingungen für Funk und Fernsehen auf nationaler und lokaler Ebene sicher zu stellen und bei künftigen Handelsregelungen zu berücksichtigen, ob die kulturelle Vielfalt gefährdet sei. Eine solche „Kulturverträglichkeitsklausel“ sei dringend nötig, so Pleitgen. Zwar habe EU-Handelskommissar Pascal Lamy versprochen, hier keine Zugeständnisse zu machen. Doch die Initiatoren fürchten, Lamy könnte im Verhandlungs-Poker kippen. Zu vermeiden sei ein Eintritt des Gats „durch die Hintertür“.
 http://www.sueddeutsche.de/sz/wirtschaft/red-artikel1223/




Die Anfrage von "Pascal M."

mod 09.09.2003 - 20:36
Die Anfrage (siehe unten) das Bild zu löschen war wie vermutet ein Fake. Das Bild ist wieder drin.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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@mr.x — no name

@ Great GATSby — Junge Welt

@ Maxx — in die Suppe spucken