Argentinien: Die Verharmlosung der Repression

von Marie / übersetzung 27.03.2003 11:59 Themen: 3. Golfkrieg Globalisierung Militarismus Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Während die Menschen im Irak die Brutalität der US-Angriffe erfahren, füllen sich Argentiniens Strassen mit Tränengas und die Menschen dort leben in einem alltäglichen Krieg gegen wirtschaftliche Ausbeutung und Repression durch die Polizei. Die gestern demonstrierte Polizeigewalt gegen DemonstrantInnen vor der amerikanischen Botschaft ist eine Verharmlosung der Repression.
Übersetzung eines Textes vom 21.3.2003
Während die Menschen im Irak die Brutalität der US-Angriffe erfahren, füllen
sich Argentiniens Strassen mit Tränengas und die Menschen dort leben in einem
alltäglichen Krieg gegen wirtschaftliche Ausbeutung und Repression durch die
Polizei. Die gestern demonstrierte Polizeigewalt gegen DemonstrantInnen vor
der amerikanischen Botschaft ist eine Verharmlosung der Repression. Während
die USA die Zähne zeigen und den Feind Nummer 1 namens Terrorismus
untergraben, rechtfertigt die argentinische Regierung die Spaltung der armen
Bevölkerung damit, die Hälfte der Menschen die in ärmlichen Verhältnissen
leben daran zu hindern für zu viel Wirbel auf den Strassen zu sorgen.
Repression, die unter der Maske des Kriegs gegen die bösen Mächte geschieht
und ein Krieg der gegen die Armen überall in der Welt geführt wird sind sich
nur all zu ähnlich.

Gestern nahmen ungefähr 1500 Leute an einem Notfall-Marsch in Buenos Aires
teil, um gegen den offiziellen Krieg gegen den Irak zu protestieren. Mehr als
300 Polizeikräfte, mit Hunden, Waffen und Wasserwerfern ausgestattet
blockierten die Straße 200 Meter von der Eingangswache der Botschaft
entfernt, die von einer finanziell geschwächten Nation bezahlt wird, um die
Botschaft der imperialen Macht zu beschützen. Die "Mütter des Plaza de Mayo,
eine Piquetero Gruppe, Barrios de Pie, Quebracho und links-orientierte
Partien zogen durch die Straßen, mit unterschiedlichen Bannern bestückt, die
die Nachricht gegen den imperialistischen Krieg nach aussen trugen und
beschuldigten Bush, "Sos Vos el Terrorista" ("Sie sind der Terrorist").

Die Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als die Protestierenden Parolen
riefen und sangen. Als sich die "Mütter" und andere zerstreuten, fing eine
Gruppe von Leuten mit maskierten Gesichtern an, Salven von Steinen über die
Polizeischranken auf die Botschaft ab zu feuern. Augenblicke später
antwortete die Polizei mit Wasserwerfern, Tränengas und schließlich
Gummigeschossen. Die "Mütter" standen 100 Meter von der Repression entfernt,
umringt von Leuten, die versuchten die stolzen Frauen (einige von ihnen fast
80 Jahre alt) durch eine Menschenkette zu schützen und schrien Parolen gegen
diesen Machtgebrauch. Einige DemonstrantInnen liefen weg, andere standen am
Rande, bis die Repression auch ihnen zu nahe kam. Einige wenige standen in
der ersten Reihe um diese Repression zu dokumentieren, ein weiterer Angriff,
der daher rührt, dass die US auf ihre Macht durch brutale Gewalt beharrt.


Kriegsnachrichten erreichen Argentinien
Die Nachricht dass der Krieg offiziell begann, erreichte Argentinien, während
im ganzen Land Repression geschah und eine klare Verbindung zwischen dem
Krieg in Irak und dem nicht so intensiven Krieg in argentiniens Straßen
beschrieb. Erst vor 2 Tagen, hielt ein Polizeibeamter einem jungen Mann seine
Pistole an den Schädel und später reihten sich Polizeitruppen auf um Menschen
zu unterdrücken, die die Freilassung zweier Aktivisten forderte, die
verhaftet wurden weil sie gegen eine gewaltvolle Zwangsräumung von Familien
aus einem besetzten Haus und Kulturzentrum protestierten. Inmitten von
Männern, Frauen und Kindern, die Lieder des Widerstands sangen, brachte ein
Mann die Neuigkeit, dass der Irakkrieg schon begonnen hatte. Viele von uns
gingen, um unsere Köpfe still durch das Fenster eines Cafés zu stecken und
die Live-Bilder von Bagdad zu sehen. Bilder, ähnlich denen, die ich als
kleines Kind auf CNN während des Golfkriegs sah. Eingefrohrene nächtliche
Bilder von irakischen Städten, wie Bombenziele die bald Parkplätze sein
sollten. Die Anti-Repressions Aktion ging weiter, bis die Festgenommenen
verlegt wurden um einen Anwalt zu treffen. Warum trugen die aufgereihten
Polizisten Schutzanzüge, mit Hunden und Gewehren bewaffnet um unbewaffneten
Zivilisten, unter ihnen so viele Kinder, entgegenzutreten? Warum wurden diese
zwei Menschen verhaftet? Warum mußten diese Familien, die autonome Projekte
ins Leben riefen, Armut in einer verfallenen Gegend erleiden, aus ihren
Häusern vertrieben? Warum scheint das Repressionsrisiko um so vieles stärker,
nachdem wir von diesem neuen Krieg gehört hatten?

Die Neuigkeiten über diesen Krieg hatten großen Einfluss, so weit man das
beschreiben kann. Wenn man den unabhängigen Medien-Kollektiven zuhört, die
diesem Krieg so viel Aufmerksamkeit schenken ist es merkwürdig dass er so
viel Gewicht hat, während hier tagtäglich Ausbeutung herrscht, mit der
dieMenschen jeden Tag leben müssen. Es kommen Fragen auf wie, "was setzen wir
in die Schlagzeilen, wenn irgendetwas schreckliches im Irak passiert?",
während die Frage bezüglich der Repression in Buenos Aires unbeantwortet
bleibt. "Eine Zwangräumung, prügelnde Polizei, ein Polizist schießt einem
verhungernden Jugendlichen Slumbewohner in den Rücken. Doch aus irgendeinem
Grund scheint dieser Krieg schwerer zu wiegen und wichtiger zu sein. Dieser
Krieg ist wohlmöglich die direkteste Möglichkeit für die USA ihre Aggression
mit brutaler Gewalt Kontrolle zu erlangen, während der Krieg, der in
Argentinien geführt wird ein gewalttätiges trickling down von US-Kontrolle
ist. Ein Freund erzählte mir, er wollte die Geschehnisse des Protestes vor
der Botschaft ansehen, als er in einem Café saß, doch anstatt sich die
Nachrichten über den Krieg in Argentinien an zu sehen, schauten die Gäste des
Cafés still das spanische CNN. Ich bin mir sicher, dass der aktuelle
President Duhalde froh ist über diesen Krieg. Die Massenmedien hier sind nun
in der Lage die Aufmerksamkeit von dem Elend und den Straßenprotesten,
hervorgerufen durch das Elend weg zu lenken. Argentinien erwartet neue
Wahlen, während die US Regierung still wartet, dass der frühere
neoliberalistische Präsident Menem wieder ins Amt kommt.

Viele der Machtinhaben argumentieren, dass Repression nötig ist um
gewalttätige Protestierende ein zu schüchtern. Steine auf Polizisten zu
werfen kann auch eine Rechtfertigung für Gewaltanwendung sein. Es gingen
Gerüchte um, dass die gestrigen Aktionen von AktivistInnen schon einige Zeit
im Voraus geplant waren. Soweit ich es verstanden habe ist die Idee die
dahinter steckt folgende: wenn die USA Bomben auf den Irak abwerfen, werden
die Menschen in Argentinien als Antwort darauf etwas werfen. Ein
argentinischer Videomacher veriet mir seine Meinung "Ein Symbol des
Widerstandes aus Argentinien, ein fernes Land, in dem die Regierung jegliche
Art von Meinungsäußerung unterdrückt und Widerstandsproteste"

"Todos Somos Irak" (Wir alle sind Irak) lautet der Titel einer alternativen
Zeitung, die ich neulich jemanden verteilen sah. Dieser Titel sagt so viel
aus über den Zusammenhang zwischen Bürgern, die von dem System der
Kriegsbefürworter ausgeschlossen werden, solche aus dem System
Ausgeschlossenen die der Repression ins Gesicht blicken und einen
alltäglichen Krieg überleben müssen.
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Ergänzungen

noch einmal

porteño temporal 09.04.2003 - 04:15
die ganze "rebellion" in argentinien ist nicht so eindeutig wie es hier auf indymedia meistens dargestellt wird. der aufstand im dezember 01 war v.a. einer von ueber den verlust ihres ersparten veraergerten mittelschichtlern. die solidaritaet zwischen ehemaliger mittelschicht und den piqueteros zum beispiel ist wieder stark abgeflaut. vor allem jetzt nach dem ende des corralito. es macht keinen sinn davon zu sprechen, dass die regierung die arme bevoelkerung spalten will. die unteren schichten der gesellschaft sind nicht nur ausgangspunkt der piqueteros sondern mit ihrer masse v.a auch das stammklientel der peronisten und von daher auch ausloeser fuer moegliche probleme wie ein weiteres mal presidente menem.

ihr müsst da was missverstanden haben...

ali baba 11.04.2003 - 22:50
...argentinien ist kein "3.welt-land", in den 70ern hatte die argentinische bevölkerung einen höheren lebensstandard als die italiens. wenn guthaben über 4000 € eingefroren werden, dann trifft das nicht ausschließlich den mittelstand, auch die konten der "unterschicht" waren betroffen..... wer mal 4000€ besitzt ist noch nicht gleich "mittelschichtler", vor allem, da viele der konten familienkonten waren, auf denen die ersparnisse einer ganzen familie lagen!!!