Berichte von Gefangenen aus Plötzensee über die Corona Pandemie

Nachfolgend zwei Berichte von Gefangenen aus dem Knast Plötzensee/Berlin bezüglich der Situation in den Knästen trotz der Corona Pandemie.

Plötzensee, 16.03.2020:

“ Gerade wo sich das Corona Virus rasant verbreitet, spürt man in der JVA Plötzensee keine drastischen und gesundheitsschützenden Maßnahmen. Die Zustände sind katastrophal, es gibt keine Seife oder Desinfektionsspender, Putzmittel steht nur spärlich von Seiten der Anstalt zur Verfügung und die Bediensteten melden sich vermehrt krank, was dazu führt, dass Gefangene früher eingeschlossen werden müssen. Gegen den hiesigen Anstaltsarzt, Dr. Henning D. ist zumindest von einem erheblich chronisch kranken Gefangenen, dessen Werte sich zunehmend verschlechtern, bekannt, dass gegen den Anstaltsarzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde und ein Verfahren bei der Berliner Ärztekammer anhängig ist. Dr. Henning D. schweigt gegenüber der Ärztekammer zu den Vorwürfen, wonach er trotz schriftlicher Aufforderungen, den Insassen fachärztlichen Untersuchungen zuzuführen, über ein halbes Jahr nicht nachgekommen ist und nicht einmal ein Blutbild erhebt, obwohl der Insasse mehr als 20 Medikamente am Tag einnehmen muss. Zu Zeiten, wo sich Corona erheblich ausbreitet und gerade Patienten mit Vorerkrankungen wie Herzerkrankung und Diabetes besondere Schutzmaßnahmen im realen Leben von der Regierung auf den Weg gebracht werden, ist in der JVA Plötzensee nichts zu spüren und wird nicht veranlasst. Bekannt ist, dass sich die JVA Plötzensee auf eine Isolierstation mit 14 Betten vorbereitet, aber keine Beatmungsgeräte für den Ernstfall vorhält. Ein großes Sicherheitsrisiko ist zudem gegeben, dass das Essen in der JVA Charlottenburg gekocht und täglich mittels LKW zur anderen Straßenseite, der JVA Plötzensee gefahren wird, wodurch zusätzlich Risiken erhöht werden, Corona frei Haus zu liefern.“

Plötzensee, 19.03.2020:

„Heute haben sich hier drei Insassen bei der Arztgeschäftsstelle mit Corona Symptomen (Fieber, Husten, Atemprobleme) gemeldet und wurden ohne einem Arzt vorzustellen, zurück in ihre Hafträume geschickt, mit der Bitte, sich dort aufzuhalten und keine Panik unter anderen Insassen aufkommen zulassen! Ein Corona Test erfolgte nicht. Sowohl Insassen als auch Beamten steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Offenbar will man die Statistik beschönigen und sitzt lieber weiterhin auf einem Pulverfass, zumal weiterhin Verletzungen aus anderen Haftanstalten wie Moabit nach Plötzensee erfolgen und sich so das Virus anstaltsübergreifend verbreiten kann. Hinzu kommt, dass es keinerlei Hygienemaßnahmen wie die Ausgabe von Putz-, Desinfektionsmittel oder Seife zum Hände waschen gibt. Essen wird weiterhin in der gegenüber liegenden Anstalt gekocht und per LKW einmal täglich hier rüber gefahren was zusätzliche Verbreitungswege schafft. Der Zustand ist ernst, zumal die Besuchskontakte eingeschränkt und Insassen von ihren unter 16 Jahre alten Kindern ab sofort nicht mehr besucht werden dürfen. Im Übrigen stehen im hiesigen Justizvollzugskrankenhaus lediglich zwei Beatmungsgeräte zur Verfügung, wovon eines defekt ist. Im Ernstfall wird und kann die Berliner Justiz keine medizinische Versorgung gewährleisten bzw. aufrecht halten können.“

Weitere Berichte folgen. Besucht für bundesweite Knast-Nachrichten zu Corona die Seite der GG/BO!

Die alt bekannte Parole „Knäste abschaffen, Freiheit für alle“ galt schon immer, in Corona Zeiten wird sie aber noch einmal dringender, weil das Leben vieler Gefangenen sonst noch massiver gefährdet ist als sonst schon. Also: reißt die Mauern ein, von beiden Seiten!

 

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