Call to occupy Tweebosbuurt!

Event Datum: 
Montag, Dezember 23, 2019 - 13:15
Dies ist ein Aufruf an alle, die sich gegen eine der aggressivsten Formen der Gentrifizierung engagieren wollen. An Menschen, die den bevorstehenden Abriss von Hunderten von Gebäuden verhindern und sie mit denen bewohnen wollen, die sich weiterhin weigern zu gehen – in einem Arbeitervorort von mehreren zehntausend Quadratmetern, in dem bereits Hunderte von Häusern leer stehen. Es ist zugleich ein Notruf: die Frist liegt in den kommenden Monaten, vielleicht sogar in den kommenden Wochen.

Tweebosbuurt ist ein Kiez in Afrikaanderwijk, Rotterdam Zuid nahe der Innenstadt, in dem zum großen Teil Nachfahr*innen nordafrikanischer Migrant*innen wohnen. Es besteht aus vier Blöcken kleiner Gebäude, die von öffentlichen Parks und Gärten umgeben sind. Der Bezirk unterliegt schon seit Jahren einem Gentrifizierungsprozess. Dieser ist vor allem den steigenden Mieten im übrigen Rotterdam verschuldet ist, die Studierende und weiße Yuppies dazu bringen, hier einzuziehen und anschließend die Befriedung eines der letzten lebendigen Viertel der Stadt zu fordern.

Der Stadtrat hat beschlossen, das Thema ernst zu nehmen. Der nächste Schritt in der Gentrifizierung von Afrikaanderwijk ist der Abriss der Gesamtheit von Tweebosbuurt. Wir sprechen hier von 600 Häusern und Geschäften, fast 25.000m2. 535 davon unterliegen dem privaten  Sozialbauunternehmen Vestia, das vom rotterdammer Stadtrat beauftragt ist, diesen riesigen „Sozialplan“ zu realisieren. Allein für die Räumung erhält Vestia 24 Mio. Euro, darin ist der Preis für den Abriss und den Wiederaufbau noch nicht inbegriffen.
Die 599 Häuser und Geschäfte, die abgerissen werden sollen, werden durch 374 neue Häuser ersetzt. 137 davon würden an soziales Wohnen gehen, 101 an private Vermietung und 143 würden zu Privathäusern.  Am 1. Januar 2020 sollen die Mietverträge gebrochen werden, der Abriss des Viertels ist für April 2020 geplant. Alle Mieten werden steigen, für die Leute bleibt nur die Möglichkeit, woanders neue Anträge auf soziales Wohnen zu stellen…

Sie haben den Widerstand der Bewohner*innen nicht kommen sehen. Seit der Ankündigung des Projekts im Sommer 2018 wurde lokaler Protest organisiert. 60 Einwohner brachten ihren Fall erfolglos vor Gericht und organisierten großen Protest, wodurch die Zukunft der Tweebosstraat die Aufmerksamkeit des ganzen Landes erlangte und sogar internationale Unterstützung einschließlich die der Vereinten Nationen gewann. Offensichtlich ist die Gemeinde von der Opposition unbeeindruckt geblieben und das Räumungsverfahren geht weiter. Wir können schon jetzt sicher davon ausgehen, dass mindestens hundert Häuser bereits frei sind.

Mit dem Näherrücken der Frist verhärtet sich die Opposition: Die Bewohner*innen entfernen die Anti-Besetzungs-Platten mit Eisenschneidern und bringen sie vor die Büros von Vestia. Sie öffnen ihre Türen für Hausbesetzer*innen in die Hoffnung, die Vertreibungen durch eine Vervielfachung der Klagen zu verlangsamen. Das Ergebnis davon ist, dass es sehr einfach ist, hier Wohngebiet zu besetzen. Die Nachbar*innen helfen spontan dabei, Vestia-Mitarbeiter*innen aus den besetzten Wohnungen und Häusern zu vertreiben und bieten tagsüber ihre Hilfe an, um Wohnungen zu öffnen. Sie sind auch in Kontakt mit lokalen Medien im Versuch, jede Aktion öffentlich zu machen. Eine auto-media befindet sich derzeit im Aufbau.

Die Polizei bleibt während der Hausbesetzungen meist passiv. Sie sind sogar manchmal "hilfreich", wenn Vestia-Angestellte versuchen, in besetzte Häuser einzubrechen oder die Bewohner*innen bedrohen. Niemand hier, weder Vestia noch die Polizei, scheint einen substantiellen Widerstand zu erwartet zu haben. Ihre Unzulänglichkeit und Verachtung könnte zu ihrem eigenen Schaden führen, den Abriss verlangsamen oder sogar stoppen. Ein ganzer Stadtteil könnte durch Besetzung zurückerobert werden.
In einer der größten Metropolen Europas kann dies nur von Vorteil sein. Die Existenz solcher Orte wird für die Organisation der UDT2020-Gegengipfelprojekte (gegen den Ende Mai geplanten Gipfel in Rotterdam, der Waffenhersteller aus aller Welt zusammenbringen soll) oder des nächsten Shell Must Fall Demonstrationen (die Mitte Mai anlässlich der Shell-Hauptversammlung 30 km von Rotterdam entfernt stattfinden) von großer Bedeutung sein.

Hier träumen wir davon, all die ehemaligen Geschäfte in kollektive Räume zu verwandeln, Hunderte Menschen zu sein, die sich weigern, für ihre Wohnungen zu bezahlen. Wir träumen davon, die Gärten-trennenden Zäune niederzureißen, um diese in Parks oder Felder zu verwandeln, manchmal träumen wir sogar von Barrikaden und brennenden Abrisskränen. Dieser Ort scheint eine solche Möglichkeit zu bieten. Die Besetzung von Tweebosbuurt birgt das Potential, eine neue Frontlinie gegen den Kapitalismus und die Gentrifizierung in Europa zu werden, aber dafür brauchen wir weitere Verbündete. Wir suchen derzeit Menschen, die sich hier niederlassen wollen. Gelingt es uns, zahlenmäßig zu wachsen, werden wir eine ernsthafte Gegenmacht schaffen.

Dies ist ein Aufruf an alle, die sich gegen eine der aggressivsten Formen der Gentrifizierung engagieren wollen. An Menschen, die den bevorstehenden Abriss von Hunderten von Gebäuden verhindern und sie mit denen bewohnen wollen, die sich weiterhin weigern zu gehen – in einem Arbeitervorort von mehreren zehntausend Quadratmetern, in dem bereits Hunderte von Häusern leer stehen. Es ist zugleich ein Notruf: die Frist liegt in den kommenden Monaten, vielleicht sogar in den kommenden Wochen.

Contact : squat-vestia@riseup.net
OpenPGP Signature :     C3E3 8AEA FB8A 58DD 5ED8
            11CF 956E ADCD 4837 E212

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