Stellungnahme zu körperlichem Übergriff bei der „Internationalistischen Queer Pride“ in Berlin am 26.07.2025

Stellungnahme zu körperlichem Übergriff bei der Internationalistischen Queer Pride in Berlin am 26.07.25

 

Während unseres Sanitätsdienstes bei der „International Queer Pride“ am 26. Juli 2025 in Berlin kam es zu einem schweren Vorfall: Eine FLINTA*-Person des Sanitätskollektivs Berlin (SKB) wurde durch eine männlich gelesene Person der Freien Sanitätsvernetzung Berlin körperlich angegriffen und verletzt.

 

Nach dem polizeilichen Einsatz von Zwangsmitteln bei der Auflösung der Demonstration auf der Kottbusser Straße kam es zu mehreren Verletzten. Als ein gemeinsames Team des Sanitätskollektivs Berlin (SKB) und des Sanitätskollektivs Zürich (SKZü) eine verletzte Person auf dem Grünstreifen entdeckte, begaben sie sich zur Versorgung an den Ort. Bereits vor ihrem Eintreffen befanden sich 3–4 freie Sanitäter*innen bei der Patientin.

 

Noch bevor eine verbale Kommunikation mit dem bereits anwesenden Team möglich war, wurde unser Team durch einen freien Sanitäter aggressiv angegangen. Eine FLINTA*-Person des SKB wurde dabei sofort tätlich angegriffen und verletzt.

 

Durch wiederholtes Stoßen und Schubsen im Bereich des Brustkorbs zog sich die betroffene Person traumatische Verletzungen an den Rippen (vermutlich Rippen 1–4) und dem Schlüsselbein zu. Bereits beim ersten Bodycheck, etwa fünf Minuten nach dem Vorfall, waren deutliche Hämatome in Hand- und Fingerform sichtbar (siehe Lichtbild im Anhang). Zusätzlich erlitt die Person ein psychisches Trauma infolge des Übergriffs.

 

Im weiteren Verlauf traten starke Schmerzen auf, die zu einer eingeschränkten Atmung führten. Die Beschwerden hielten bei einer Schmerzskala (NRS) von 6 bis zur Gabe von 500 mg Novaminsulfon gegen 01:00 Uhr unverändert an.

 

Nach dem Vorfall suchte die zweite Teamleitung das Gespräch mit einem Team der Freien Sanitäter*innen, mit dem im Vorfeld der Demo kommuniziert worden war. Auf den Vorfall angesprochen, wurde lediglich die Sorge geäußert, dass das SKB oder SKZü möglicherweise Anzeige erstatten wolle – was als Grund für die Eskalation genannt wurde. Ein solches Vorgehen stand jedoch zu keinem Zeitpunkt im Raum, da wir auf Grundlage unserer Grundsätze grundsätzlich keine Zusammenarbeit mit Repressionsorganen anstreben. Auch während der gesamten Demonstration wurde keine solche Zusammenarbeit gesucht.

 

Es wurde vereinbart, den Vorfall nach der Demonstration gemeinsam zu besprechen. Dieses Treffen fand gegen 20:50 Uhr statt. Eine inhaltliche Aufarbeitung oder gar eine Entschuldigung durch die beschuldigte Person blieb jedoch aus – sie verweigerte die Teilnahme an der Klärung. Es wurden lediglich Kontaktdaten ausgetauscht. Seitens der Freien Sanitätsvernetzung wurde eingeräumt, dass „eine Entschuldigung angebracht wäre“, jedoch wurde der Fokus auf Differenzen in Arbeitsweisen gelegt.

 

Am Sonntag, dem 27. Juli 2025, erreichte uns die Information, dass die Freie Sanitätsvernetzung Berlin weiterhin hinter der beschuldigten Person steht und ein Statement gegen das SKB und SKZü veröffentlichen möchte – mit dem Fokus auf vermeintliche Differenzen in der Arbeitsweise und im Umgang auf Demonstrationen.

 

Daher sehen wir uns gezwungen, unsere Sichtweise zur Arbeitsweise und zum Vorfall öffentlich zu machen:

 

Wir stehen solidarisch hinter den abgesicherten Demonstrationen und unterstützen die Durchsetzung des Demonstrationsrechts mit unserem medizinischen Einsatz. Wir begleiten jedoch ausschließlich Veranstaltungen, deren Inhalte wir vertreten können. Das heißt konkret: Wir sichern keine Demonstrationen ab, die rassistische, sexistische, queerfeindliche, antisemitische, islamophobe, homophobe oder ableistische Inhalte fördern oder tolerieren.

 

Wir arbeiten nicht mit Repressionsorganen zusammen und geben grundsätzlich keine Informationen weiter. In Ausnahmefällen, wie z. B. bei der Versorgung von Patient*innen in Polizeifahrzeugen oder bei der Durchsetzung medizinischer Notwendigkeiten, kann eine Kommunikation mit der Polizei erforderlich sein. Dabei werden niemals Daten weitergegeben – wir fordern medizinische Versorgung ein, verhandeln aber nicht.

 

Unsere Arbeit findet bewusst am Rand von Demonstrationen statt, um Übersicht und Eigenschutz zu gewährleisten und nicht als Teilnehmende gewertet zu werden. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu Spannungen zwischen den beiden Berliner Sanitätsstrukturen, insbesondere aufgrund von abwertendem Verhalten der Freien Vernetzung gegenüber dem SKB, dem Verbreiten von Gerüchten und respektlosem Verhalten, das teils bis zur Gefährdung von Patient*innen reichte (z. B. durch verweigerte Zusammenarbeit bei Verletztenversorgung).

 

Wir haben mehrfach Gesprächsangebote gemacht (zuletzt am 07.10.2024 und am 30.04.2025), die jedoch abgelehnt oder unbeantwortet blieben. Für uns ist eine respektvolle Zusammenarbeit – trotz unterschiedlicher Arbeitsansätze – unerlässlich. Diese kann jedoch nur auf Grundlage gegenseitigen Respekts und Verständnisses erfolgen.

 

Am heutigen Sonntag, 27. Juli 2025, haben wir erneut versucht, den Vorfall mit der Freien Vernetzung zu klären. Auch dieser Versuch blieb unbeantwortet.

 

Wir möchten klarstellen: Kein Konflikt rechtfertigt einen patriarchalen, gewaltsamen Übergriff – schon gar nicht im Rahmen eines gemeinsamen Einsatzes. Es ist absolut inakzeptabel, dass ein solcher Übergriff vor den Augen von Patient*innen stattfindet. Der Umgang der Freien Sanitäterinnenvernetzung mit dem Vorfall erweckt in uns den Eindruck, dass der Übergriff durch den bestehenden Konflikt relativiert oder sogar legitimiert werden soll.

 

Wir fordern daher:

 

1. Die aktive Auseinandersetzung der Freien Vernetzung mit dem Vorfall

 

2. den Ausschluss der übergriffigen Person aus ihren Strukturen

 

3. eine persönliche Entschuldigung der beschuldigten Person bei der Betroffenen

 

4. Gespräche zwischen den Kollektiven zur zukünftigen Zusammenarbeit.

 

Wir haben uns hier bewusst gegen eine Namensnennung der Beschuldigten Person entschieden. 

 

Bei weiteren Fragen könnt ihr euch jederzeit an uns wenden.

 

 

Sanitätskollektiv Berlin

Sanitätskollektiv Zürich

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