Und was ist mit den Angehörigen und Familien, die nicht friedlich sein wollen?

Gedanken zum Argument, dass sich Aktionen nach Polizeimorden an den Bedürfnissen der Familien/Angehörigen orientieren sollen.

Seit ungefähr  10 Jahren, seit der Ermordung von Michael Brown in Ferguson verfolge ich nun wie Menschen von der Polizei ermordet werden und im deutschprachigen Raum zeigen sich die immer gleichen Muster, welche jede radikale Bewegung, die dem Terror der Polizei ein Ende setzten kann im Keim ersticken. Das macht mich wütend.

Nach dem Lorenz am 20. April 2025 von der Polizei in Oldenburg erschossen wurde entbrennt nun eine Diskussion um einen Aufrur zu Chaostagen unter dem Motto "Rache für Lorenz"  und die Reaktion von (Teilen) von Lorenz Familie und der Gruppe Gerechtigkeit für Lorenz darauf.

Das Hauptargument, was viele nutzten um sich hinter die Haltung letzterer zu stellen ist: Es müsse der Wunsch der Familie respektiert werden.

Schauen wir uns dieses Argument genauer an.

Die erste Frage, die sich hier stellt, ist wer ist die Familie? Wer zählt dazu und wer nicht? Sind wir sicher, dass es in der Familie nicht auch andere Meinungen gibt oder unter Freund*innen von Lorenz?

Vielleicht gibt es bei Lorenz eine einheitliche Meinung der Familie, aber mit Sicherheit nicht bei allen Angehörigen von Menschen, die durch die Polizei ermordet wurden.

Das ist kein Aufruf dazu: Aber wer sagt es solle friedlich bleiben wenn die Familie es wünscht müsste rein logisch auch den gewaltsamen Kampf gegen die Polizei unterstützen, wenn Familien das wünschen.

Es mögen wenige Familien oder Freund*innen sein, die das tun, aber es wird sie geben. Aber sie könnten das auch gar nicht öffentlich äußern weil es eine Straftat wäre. Ein Teil von Betroffennen wird also durch die staatliche Repression mundtot und unhörbar gemacht -  kann daher auch gar nicht mitreden. Und wer würde einen solchen Aufruf folgen, würden tausende auf einmal statt friedlich zu protestieren die Polizei angreifen?

Insgesamt zeigt sich, es geht gar nicht darum auf die Angehörigen/Betroffenen zu hören, sondern sich Betroffene rauszusuchen, die die eigene Meinung teilen. Das sind in der Regel dejenigen, die Polizeit und Staat nicht loswerden wollen, weil diese überhaupt die Möglichkeit und Ressourcen haben öffentlich zu sprechen und Gehör zu finden.

Die ganze Diskussion um Aufklärung vs. Rache ist dabei an sich schon die falsche. Aufklärung wird keine Morde durch die Polizei verhindern, Rache allein aber auch nicht. Stattdessen sollten wir überlegen wie wir weitere Morde durch die Polizei wirklich verhindern. Familien und Freund*innen, die nicht trauen müssen, weil die Polizei nicht mehr in der Lage ist Menschen zu ermorden, dass sollte uns Ziel sein. Dass wir statt darüber ernsthaft zu sprechen, unseren Fokus auf Aufklärung und Gerechtigkeit für Einzelne setzten, zeigt wie sehr liberale Mythen unsere Fähigkeit zum gemeinschaftlicher Veränderung und Widerstand zerstören.

Weitere gute Gedanken finden sich in diesem Text.

 

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