Euer Nein ist unser Nein - Ein europäischer Brief an die Griechinnen und Griechen

OXI !

Manchmal werden die Dinge ganz einfach. Es geht der deutschen Regierung und den anderen Regierungen der EU nicht um den Euro, nicht um die Staatsschulden, nicht um den wirtschaftlichen Aufschwung. Es geht Berlin, Brüssel, Paris, London und Rom allein um Erniedrigung und Unterwerfung. Denn mit Eurem Widerstand gegen die Institutionen, mit den Versammlungen auf dem Syntagma- und dem Omonia-Platz und mit der Wahl von Syriza habt Ihr die Tür zu einer anderen Zukunft geöffnet: zu einer Zukunft ohne die Institutionen, ohne Merkel, Lagarde, Juncker, Hollande, Renzi, Cameron. Ohne ihre Parteien, ihre Bankiers, ihre Finanzminister, ihre Wirtschaftsexperten, ihre Journalisten. Zu einer Zukunft ohne Angst und Verzweiflung.

Deshalb muss diese Tür um jeden Preis wieder geschlossen werden. Sie muss mit einem solchen Krachen verschlossen werden, dass auf lange Zeit niemand mehr in Europa den Mut findet, an dieser Tür auch nur rütteln zu wollen. Niemand mehr, nirgendwo. Sie wissen, dass sie Euch, dass sie die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands, zum „Ja“ zwingen müssen, um die griechische Regierung stürzen zu können. Weil sie gelernt haben, mit dem Euro und um den Euro Angst und Schrecken zu verbreiten, brauchen sie heute dazu keine Panzer mehr. Sie haben gelernt, dass man jede Hoffnung tilgen kann, wenn man aus der Ferne, wenn man aus Berlin und Brüssel die Geldautomaten befehligt. Sie wissen, dass sie die Menschen voneinander trennen und jede und jeden auf nichts als das eigene Durchkommen herabdrücken muss, um an der Macht zu bleiben. Ist Euch Eure Auflehnung, Euer Widerspruch, sind Euch Eure Sehnsucht und Euer Stolz genommen, wird niemand in Berlin, Paris, Rom, Brüssel es wagen, es Euch gleichzutun. Dann wird in Europa niemand je auf die Idee kommen, dass man in Europa auch ohne die Politik der Ausplünderung, der Auspressung, der Entrechtung und Missachtung leben könnte, dass man frei und in Würde leben könnte.

Hätte es in den letzten Monaten in allen Ländern Europas die Demonstrationen und die Streiks gegeben, zu denen Ihr euch die Freiheit genommen habt, dann gäbe es an diesem Sonntag gar kein Referendum. Dann würde man an diesem Sonntag spazieren gehen, sich unter der Sonne treffen, sich des Sommers freuen. Wären unsere Demonstrationen und Streiks so machtvoll wie Eure gewesen, hätten die Verhandlungen in Brüssel und Berlin einen anderen Verlauf genommen, wäre längst eine Lösung gefunden worden. Obwohl wir in Athen und Thessaloniki, aber auch in Madrid und Barcelona lernen konnten, was zu tun war, was wir hätten tun sollen, ist es uns nicht gelungen, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger von ihrer Lähmung, ihrer Erstarrung zu befreien, ihnen zu zeigen, dass Ergebenheit vor der Macht nur in die Schande führt. Aber wir glauben, dass Euer Mut auf die Dauer auch die Angst brechen wird, die uns umgibt.

Schäuble und seine griechischen Freunde sind klug, sie kennen den Preis der Macht. Deshalb wollen sie alle jetzt Euer „Ja“. Deshalb die Drohungen, deshalb die Verlockungen. Wenn der Widerspruch in Athen und Thessaloniki zum Schweigen gebracht werden kann, wird es Winter in Europa. Der Winter wird lange dauern, länger vielleicht, als viele von uns noch Zeit haben werden. Deshalb bitten wir um Euer „Nein“, deshalb bitten wir Euch noch einmal um Euren Mut. Wir wissen, dass ihr es seid, die die Opfer bringen und dass wir kein Recht haben, Euch zu drängen. Wir wissen aber auch, dass ihr es seid, auf die Sonntag die ganze Welt schaut und ihre Hoffnungen setzt: auf eure Würde und euren Kampf, der ein Kampf auch der kommenden Generationen um die Zukunft unser aller Leben ist.

 

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