[LE] Riseup4Rojava Bannerdrop und selbstbestimmte Kundgebung

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Selbstbestimmte Kundgebung und Bannerdrop in der Leipziger Innenstadt.

 

Am Donnerstag, 24.10., fand am Leipziger Marktplatz eine unangemeldete Kundgebung statt. Parallel zu ihr wurde aus einem angrenzenden Gebäude ein meterlanges Transparent entrollt.

MIttels diverser Redebeiträge und Flyer wurde auf den Krieg in Nordostsyrien und vor allem auch die Beteiligung der deutschen Gesellschaft hingewiesen. Nach circa zwanzig Minuten verließen alle selbstbestimmt den Ort, das Blaulicht der anrückenden Bullen war nicht in der Lage noch irgendwen zu erfassen.

Wir wollen mit diesem Artikel auch gar nicht groß auf die Aktion hinweisen, sie war schnell und kurz. Kein großer Wurf.

 

Was wir aber machen wollen, ist an dieser Stelle noch einmal eine taktische Diskussion anstoßen.

In letzter Zeit wurde in Leipzig vermehrt mit kleinen & kurzen, dafür unangemeldeten Aktionen experimentiert.

So gab es am Tag X+1 eine Kreuzungsblockade, zuvor zum Beispiel in Connewitz eine unangemeldete Sponatkundgebung in Solidarität mit Rojava. Davor gab es zum Tag der Wahl angekündigte aber unangemeldete "Finger" die sich aus drei Stadtteilen in die Innenstadt bewegten. Wir begrüßen solche Experimente. Wenn auch wie gerade bei der Kreuzungsblockade einzelne Punkte kritisiert werden müssen und wurden, so finden wir die Stoßrichtung des Ganzen doch sehr gut.

Wir finden es gut, wenn wir den Staat nicht um Erlaubnis fragen, wann wir wo und wie unsere Meinung vertreten. Wir finden es gut, wenn Menschen sich erstmal sicherer und nicht unter den Augen der Polizei bewegen können. Außerdem wollen wir herausstreichen, dass solche Aktionen - anders als angemeldete Demonstrationen - sehr viel niedrigschwelliger und mit weniger Leuten sehr viel schneller durchzuführen sind. Gerade eine unangemeldete Kundgebung lässt sich ohne großen Aufwand schnell und einfach umsetzen. Und auch eine Kreuzungsblockade will zwar geplant und vernünftig ausgeführt werden ist aber am Ende auch schnell und einfach umsetzbar.

Seit Längerem lässt sich in der Bewegung eine Spaltung der Aktionsformen beobachten.

Immer wieder hören wir von klandestinen Aktionen, die auch wenn sie mehr Leute als eine Kleingruppe involvieren, hochprofessionell organisiert wirken. Die Hemmschwelle, gerade für unerfahrene Leute an so etwas teilzunehmen ist hoch. Genauso hoch ist - mit Recht! - die Hemmschwelle viele Leute hier einzubeziehen oder mit vielen Leuten darüber in Austausch zu geraten. Diese Aktionsformen mit einem (gefühlt) relativ hohen Repressionsdruck scheinen dadurch kein Konzept zu sein, dass gut neue Leute oder auch nur einen großen Anteil der schon aktiven Menschen einbeziehen kann.

Auf der anderen Seite erleben wir aber auch immer wieder das routinierte Spiel von angemeldeten Kundgebungen und Demonstrationen, die mal lauter mal leiser als in sich geschlossener Block durch die Innenstädte ziehen. Abgesehen von kleineren Manöverkritiken wie verschenkter Außenwirkung durch mangelnde Flyer, schlechte Lautimoderation oder Technogewummer statt Parolen, stoßen wir uns hierbei vermehrt an zwei Aspekten:

Der Aufwand von Mobi, Lautsprecherwagen, Struktur, Anmeldung, Versammlungsleitung, etc. erscheint uns absurd hoch, dafür, dass viele - nicht alle - Demonstrationen oder Kundgebungen doch am Ende über weite Strecken nur die eigenen Leute erreichen. Denn die oft zitierten Passant*innen kriegen inhaltlich eh nur Parolen mit.

Nächstens stört uns die Rolle der einzelnen Teilnehmer*innen. Mensch ist halt irgendwie nur Teil der Masse. Manche wenige veräußern sich über Transparente oder Sprechchöre, aber Alles in Allem fühlt es sich für das einzelne Individuum nicht wirklich nach Handlung an. Was bei diesem Konzept - ganz im Gegensatz zu den klandestinen Aktionen - fehlt ist die Selbsterfahrung der Individuen als handelndes Subjekt. Die Freude daran, selbst etwas zu planen und umzusetzen, aktiv Teil von etwas zu sein.

Demgegenüber sehen wir gerade in kleinen, unangemeldeten und schnellen Kundgebungen mehrere Vorteile:

* Wir können offener und mit mehr Leuten darüber reden, da anders als bei klandestinen Aktionen der Ermittlungsdruck und die Selbstpreisgabe nicht so hoch ist.

* Dadurch sind sie anschlussfähiger als klandestine Aktionen

* Die einzelnen Teilnehmenden sind vielmehr handelndes Subjekt, als in einer großen Menschenmasse auf einer angemeldeten Demonstration

* Es ist sehr viel einfacher mit Leuten ins Gespräch zu kommen, als am Rande einer Demonstration, es wird sehr viel weniger eine Trennung zwischen "uns" und "denen" erzeugt.

* So merkwürdig das erscheint, aber sie sind auch "sicherer" als angemeldete Demonstrationen. Zumindest wenn die Aktion gut abgesprochen und aufmerksam gegenüber heraneilenden Bullen ist, ist ein Großteil der Menschen, die sich am Rande aufhalten und flyern sehr viel sicherer sich schnell verziehen zu können, als auf einer angemeldeten und damit von Anfang an überwachten Demonstration. Damit ist sie wiederum für Leute anschlussfähiger, die entweder aus Dokumentengründen, oder aber aus Sicherheitsüberlegungen nicht auf Kameras und unter den Augen der Bullen auftreten wollen.

* Wir brechen die Spielregeln des Staates. Auch wenn wir nicht Alles daran messen wollen: Ja verdammt es fühlt sich einfach besser an, wenn wir denn Staat nicht um Erlaubnis bitten. Wenn wir uns dafür entscheiden ihn einfach mal zu überraschen und wieder weg zu sein, wenn er kommt.

Wir schlagen vor in Zukunft sehr viel mehr mit "kleineren" und "niedrigschwelligen" dafür einfachen und schnell umsetzbaren Aktionsformen zu experimentieren.

 

Wir distanzieren uns mit diesem Text explizit nicht von den oben angerissenen anderen Taktiken. Alle davon haben ihre Berechtigung und neben ihren Schattenseiten auch Stärken. Auch wenn wir uns als Individuen gegen bestimmte Taktiken entschieden haben, stehen wir solidarisch mit allen Menschen der Bewegung. Wir wollen die Dinge nicht gegeneinander diskutieren, sondern solidarisch neue Optionen in unseren Werkzeugkasten legen.

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Ergänzungen

Was wir aber machen wollen, ist an dieser Stelle noch einmal eine taktische Diskussion anstoßen.

 

Ihr sprecht von Taktik, meint aber Strategie.