Das Pulverfass füllt sich – Der Angriff auf K*Vox in Exarchia

„Letzte Nacht wurden wir von den Kräften der Repression angegriffen. Als sie an unserer Besetzung vorbei gingen, fingen sie an, uns zu provozieren und zu beleidigen, und griffen uns dann mit ihren Knüppeln, gezielt nur auf Köpfe, an.“ Besetzung K*Vox am 30. August 2019

„Letzte Nacht wurden wir von den Kräften der Repression angegriffen. Als sie an unserer Besetzung vorbei gingen, fingen sie an, uns zu provozieren und zu beleidigen, und griffen uns dann mit ihren Knüppeln, gezielt nur auf Köpfe, an.“ Besetzung K*Vox am 30. August 2019

Keine drei Nächte hat es gedauert. Die griechische Polizei in Form ihrer Riotcops MAT hat wieder zugeschlagen. Nachdem am Montag vier Besetzungen geräumt wurden, etwa 150 Geflüchtete in ein unbekanntes Schicksal abtransportiert wurden bleibt die Stimmung im allseits bekanntem anarchistischen und linkem Szeneviertel enorm angespannt. Die Bilder von den weinenden Kindern gingen um die Welt. Erste Solidaritätsaktionen wie Transpiaktionen, Hausbesetzungen oder Angriffe auf Konsulaten machten weltweit auf diese Bilder aufmerksam. Laut dem Aktivisten und Filmemacher Yannis Youlountas kommen in den letzten Tagen Solidaritätserklärungen und Aktionsberichte aus Brasilien, Frankreich, Australien, Spanien, Algerien, Kanada, Deutschland, Japan, Belgien, Uruguay, Eritrea, Schottland, Hongkong, Mexiko, Italien, Argentinien, Portugal, Tunesien, Schweiz, Chile, Niederlande und USA an. Im griechischem Parlament ist eine Debatte ausgebrochen um die Verhältnismäßigkeit dieser Operation. Amnesty International beklagt die Ingewahrsamnahme der 35 minderjährigen Geflüchteten. Ändern tut sich aber nichts: In den Tagen seit dem ersten Einsatz ist die Polizeipräsenz enorm, vor allem zur Absicherung der mittlerweile verriegelten und zugemauerten geräumten Besetzungen und an anderen strategischen Stellen. Die Uhr tickt.

Gestern, Donnerstag Abend, begann das viertägige Festival „Das schöne Exarchia“ das von  Buchverlagen und anderen lokalen Iniativen organisiert wird. In der Ankündigung der Organisatoren wird klar, dass es um ein Fest der Freiheit und Solidarität geht: „4 Tage und Nächte lang versammeln wir uns auf dem Platz und treffen alte und neue Freund*innen, neue und alte Bands und Musiker*innen, Schriftsteller*innen, Dichter*innen und Verleger*innen, die ihre eigene Botschaft des Respekts für jeden Unterschied in dem vielfältigen, aber leidenschaftlichen und energiegeladenen Exarchia-Platz senden, mit dem Sinn der Lebensfreude und für ein Leben, das die Freude der Freiheit nicht vermissen lässt.“ Dieses Verlangen nach Freiheit machte aber die Rechnung ohne den Wirt. Am Rande von Exarchia, Ecke Tositsa/Sp. Trikoupi, wurde eine stationierte MAT Einheit angegriffen. Die Cops nutzten promt die Gelegenheit um das langsam dem Ende neigende Fest anzugreifen. Aus dem Funk war zu hören: „Direkt zur Besetzung!“

Eine echte Cowboy Aktion wie aus dem wilden Westen: Die MAT Truppen griffen die Menge auf dem Platz von drei Seiten mit Tränengas an. Dann versuchten sie, ins K*Vox einzudringen, schlugen die Glastür ein und warfen Tränengasgranaten rein, während der Raum noch voller Menschen war. Die Menschen im K*Vox wehrten sich und berichten von einer direkten Konfrontation in der sie es geschafft haben die Polizeieinheiten ans Betreten des Gebäudes zu hindern. Ein Verletzter wurde mit einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus eingeliefert.

Laut einer Eklärung der anarchistischen Federation wurde die gesamte Kulisse für diese Offensive schon früh aufgebaut.  Auf Twitter wurde berichtet, dass DIAS Mottoradeinheiten und MAT seit dem Nachmittag, als die Kundgebung in der Bouboulina Str. um 18 Uhr stattfand, im gesamten Exarchia-Gebiet stark vertreten waren und Kontrollen durchführten. Nach dem Angriff aus K*Vox kam es zu Zusammenstößen mit den MATs, die das Gebiet mit Tränengas überschütteten. Sie umkreisten dabei den ganzen Exarchia Platz von allen Seiten aus. Aktuelle Informationen gehen von mindestens vier (an manchen Stellen kursiert die Zahl sieben) Ingewahrsamnahmen aus.

Wie auf dem Radiosender Radiofragmata um 00:56 Uhr veröffentlicht wurde, marschierten die MAT Truppen durch die Themistokleous Str. zum Exarchia Platz und riefen den Passant*innen zu: „Ihr Arschlöcher, sowas werdet ihr jetzt jeden Tag erleben!“. Ein Zitat, das durchaus die Stimmung dieser und der kommenden Tage einfängt. Im Moment bestätigt sich, dass der Staat jeden Grund/Anlass nutzen wird um gegen die verhassten Anarchisten und Linken im Viertel vorzugehen. Seit der neuen rechten Regierung von Konstantinos Mitsotakis scheint der Wind der Repression stärker zu wehen als je zuvor – es ist bemmerkenstwert zu beobachten was für einen enormen Effekt dieser Regierungswechsel auf die Strategie der griechischen Polizei hat. Sie sind zur Zeit immer noch im Viertel und die Stimmung gleicht einem Pulverfass – in diesem unvorhersehbaren Schachspiel kann jeder Funken, jede Missverständnis, jede Bewegung zu einer grossen Explosion führen. Laut Augenzeugebrichten zog ein MAT Cop während des Angiffs auf K*Vox zur Abschreckung seine Waffe. Alle warten auf die Eskalation – unklar wann sie kommt. In den Cafés und Treffs wird erstmal heiß diskutiert – die Signale gedeutet. Die nächste großen Tests folgen direkt: heute Abend Versammlung am K*Vox und morgen die Mittagsdemo, die am Exarchiaplatz startet. Es bleiben noch drei Festivalabende. „Das schöne Exarchia“ wird sich aber garantiert nicht vorführen lassen.

Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen