Schlußspurt für Freispruch?

Regionen: 

 

  • Dienstag Plädoyers?

 

  • Donnerstag Urteil?

 

 

Der Journalist von Radio Dreyeckland, Fabian Kienert, der zur Zeit in Karlsruhe vor Gericht steht, teilte heute (Montag) mit:

 

„ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass im Prozess gegen mich am Landgericht Karlsruhe wegen eines kurzen Artikels auf rdl.de über die Einstel­lung eines Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit dem Verbot der Inter­netplattform Indymedia Linksunten, der laut Staatsanwaltschaft Karlsruhe die verbotene Vereinigung Indymedia Linksunten unterstützen soll, voraussichtlich am morgigen 04. Juni die Plädoyers gehalten werden. Wenn es keine weiteren Verzögerungen gibt, könnte am 06. Juni dann das Urteil verkündet werden.“

 

Auf Nachfrage bestätigte das Landgericht Karlsruhe:

 

„nach derzeitiger Planung der Kammer kann, soweit es nicht zu weiteren Verzö­gerungen kommt, morgen plädiert werden. Das Urteil soll aber frühestens am Donnerstag verkündet werden.“

 

Ich stellte dann noch folgende Frage:

 

„darf ich aus dieser [aus der erteilten Antwort] schließen, daß die Kammer den Beweisantrag der StA vom 14.05. in Gänze abgelehnt hat? – Anderenfalls würde ja die Datenauswertung Zeit beanspruchen, oder?“

 

Die Antwort auf diese Frage lautete:

 

„eine Entscheidung der Kammer über den Antrag ist bislang noch nicht ergan­gen. Dies wird voraussichtlich in der morgigen Hauptverhandlung erfolgen.“

 

 

 

Außerdem setzte ich meine Recherche nach einem kürzlich neu bekannt gewordenen Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem linksunten-Verbot fort (siehe zuletzt: Ergänzung „Neuigkeiten und Korrektur“ von Sonntag unter meinem Artikel vom 25.04.). Es wird immer unwahrscheinlicher, daß das Ermittlungsverfahren – wie von der Staats­anwaltschaft Karlsruhe für wahrscheinlich erklärt – an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben (und nicht vielmehr von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe selbst eingestellt) wurde. – Was könnte das Motiv für eine dermaßen starke Flunkerei sein?

 

 

 

Ich weiß es nicht – aber vielleicht stehen in der etwaigen Einstellungsverfügung Grün­de, die die Position der Staatsanwaltschaft

 

  • im laufenden Strafverfahren gegen Fabian Kienert

    und

  • im parallelen Ermittlungsverfahren gegen fünf Leute, die die Staatsanwaltschaft verdächtigt, früher zum BetreiberInnenkreis von linksunten.indymedia gehört zu haben und auch für die Archiv-Veröffentlichung im Jahre 2020 verantwortlich zu sein,

 

schwächen würde.

 

 

 

Ich hakte deshalb heute am frühen Abend noch mal bei der Staatsanwaltschaft Karlsru­he und beim Landgericht Karlsruhe nach (GStA = Generalstaatsanwaltschaft; StA = Staatsanwaltschaft; LG = Landgericht):

 

„es wird immer unwahrscheinlicher, daß [das] von Hr. Dr. Hörster [= Pressespre­cher der Staatsanwaltschaft Karlsruhe] am 16. Mai erwähnte […] ‚unbekannt‘-Verfahren irgendwo außerhalb Karlsruhes angekommen ist – aktueller Stand meiner Recherche:

 

  • GStA-Ebene:
    • Es stehen nur noch zwei von 24 Antworten aus: Stuttgart und Saar­brücken.
    • Aus Stuttgart haben aber sowohl die StA als auch das LG verneinend geantwortet.
    • Daß das Verfahren gerade im kleinen Saarland – ohne ausgeprägte linksradikale Szene – angekommen ist, ist nicht sonderlich wahr­scheinlich.
  • StA-Ebene:
    • Wenn ich recht sehe, kommen nur 21 empfangende StA in Betracht (Karlsruhe ist, wenn dann abgebend; Bayern hat landesweit bei Mün­chen I konzentriert – also können Bamberg und Nürnberg außer Be­tracht bleiben). [Es geht hier um die Staatsanwaltschaften, die gemäß §§ 74a, 143 Gerichtsverfassungsgesetz für Staatsschutz-Sachen zu­ständig sind.]
    • Es fehlen noch Antworten aus Düsseldorf, Zweibrücken, Dresden und Rostock; aus Dresden und Rostock haben aber schon die LG vernei­nend geantwortet.
  • LG-Ebene:
    • Außer den schon erwähnten LG Stuttgart, Dresden und Rostock ha­ben auch die LG München I, Nürnberg, Berlin, Potsdam, Halle, Gera und Bremen – also insgesamt: zehn – (verneinend) geantwortet.

 

 

Diese ganzen verneinenden Antworten beziehen sich

 

  • nicht nur speziell auf aus Karlsruhe übernommene Verfahren,
  • sondern generell auf linksunten-Verfahren (einschl. etwaiger Verfahren zu von mir benannten Vergleichsartikeln [Vergleich Kienert-Artikel mit anderen Artikeln]) – abgesehen von den beiden Berliner Verfahren, von denen ich selbst mitbetroffen war bzw. bin. (Nicht erfaßt sind allerdings wahrscheinlich etwaige ‚nicht-konzentrierte‘ Verfahren wegen Kennzei­chen-Verwendung).

 

Es sei nochmal darauf hingewiesen, daß etwaige Gründe, aus denen das in Rede stehende ‚unbekannt‘-Verfahren doch durch die StA Karlsruhe oder durch eine der Staatsanwaltschaften, die noch nicht geantwortet haben, eingestellt wurde, für Herrn Kienert entlassen sein können (vgl. §§ 160 II, 244 II StPO). –

 

Ich möchte daher noch einmal bitten, bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und dem Landgericht nach etwaigen zusätzlichen Informationen zu dem ‚unbekannt‘-Verfahren zu suchen.“

 

 

 

§ 160 Absatz 2 Strafprozeßordnung lautet:

 

„Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.“

 

(Zu einer realistischen Analyse des Rechtssystem gehört, sich generell nicht allzu viel Hoffnungen zu machen, diese schönen Worte würden häufig der Realität entsprechen.1)

 

 

 

§ 244 Absatz 2 Strafprozeßordnung lautet:

 

„Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeu­tung sind.“

 

 


 

 

Bericht über Dienstag folgt wahrscheinlich am Mittwoch dort:

 

https://www.fsk-hh.org/transmitter/nachmittagsmagazin_fuer_subversive_unternehmungen/125307.

 


 

 

1 Es kann darüber hinaus bezweifelt werden, daß diese spezifisch deutsche Annäherung der Aufgaben von Gericht und Staatsanwaltschaft, die zum Mythos führte, die deutschen Staatsanwaltschaften seien die ‚objektivsten Behörden der Welt‘, überhaupt zum Vorteil von Beschuldigten, Angeschuldigten und An­geklagten ist. Siehe dazu:

Ingo Müller, Der Wert der „materiellen Wahrheit“, in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 1977, 522 - 537; https://die-deutschen.blogspot.com/2007/09/allein-in-deutschland-der.html.

 

 

Bilder: 
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Ergänzungen

 

Radio Dreyeckland-Verfahren

 

Karlsruher Staatsanwalt antizipiert Freispruch

 

Achter Verhandlungstag: Dienstag, den 4. Juni 2024.

 

https://blogs.taz.de/theorie-praxis/karlsruher-staatsanwalt-antizipiert-freispruch/.