[Paris]Erlebnisbericht von den Demonstrationen der “Gelb-Westen” am Samstag den 15. Dezember in Paris

 

 

Bereits im Vorfeld haben wir die Berichte über die Proteste mit Aufmerksamkeit verfolgt und uns natürlich gefragt ob dieser Tag als ein weiterer Tag der Eskalation, oder als ein Tag des allmählichen abebbens der Bewegung in Erinnerung bleibt. Wir möchten hier keine großen Analysen anstellen ob und wie diese Bewegung unterstützt werden soll bzw. welches emanzipative Potential dahinter steckt.

 

Erlebnisbericht von den Demonstrationen der “Gelb-Westen” am Samstag den 15. Dezember in Paris

 

 

 

Bereits im Vorfeld haben wir die Berichte über die Proteste mit Aufmerksamkeit verfolgt und uns natürlich gefragt ob dieser Tag als ein weiterer Tag der Eskalation, oder als ein Tag des allmählichen abebbens der Bewegung in Erinnerung bleibt. Wir möchten hier keine großen Analysen anstellen ob und wie diese Bewegung unterstützt werden soll bzw. welches emanzipative Potential dahinter steckt.

 

Wir sehen wie eine breite Schicht sogenannter “unpolitischer” Menschen sich in kürzester Zeit politisiert und radikalisiert. Unsere Aufgabe sehen wir darin nationalistischen und chauvinistischen Elementen nicht das Feld zu überlassen, sowie eine Internationalistische Verbindung aufzubauen.In einigen Orten passiert dies auch ganz ohne linksradikale Elemente und zaubert uns in einzelen Fällen ein hoffnungsvolles Lächeln ins Gesicht.

 

 

 

Bereits am 08. Dezember, dem Samstag zuvor, fanden laut Medienberichten deutlich weniger Konfrontationen mit den CRS und den BAC statt, jedoch wurde der Sachschaden im Vergleich zum 01. Dezember übertroffen. Die repressive Eskalation, insbesodere gegen Schüler*innen in der vorangegangenen Woche, gab uns Grund zur Annahme, dass die Bewegung noch lange nicht vorbei sei und die Menschen diese nicht vergessen haben. Erinnert sei auch an die 6 Toten, die vielen Menschen denen ihre Hände weggesprengt wurden oder die, die ihre Augen verloren und die unzähligen Festgenommenen in den letzten Wochen. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Zahl der Festnahmen jedoch als Propaganda zur Abschreckung heraus. Die 1150 “Festnahmen” vom 08. Dezember in Paris waren größteils “nur” Festellung von Personalien¹.

 

Die sogenannten Zugeständnisse, von manchen als einknicken vor der Gewalt auf der Straße bezeichnet, sind weitere klare demobilisierungs Taktiken. Kurz gesagt, wir waren gespannt darauf was uns erwartet.

 

 

 

L’opera

 

 

 

Wir begaben uns Mittags zur Oper und fanden einen Kompletten Bullenkessel, samt Räumpanzer, Pferdestaffel und am Rand sabbernden BAC vor. Den Kessel konnte Mensch nur mit Taschenkontrolle und einem halbherzigen Abtasten betreten. Drinnen waren ca. 2000 Menschen dabei festzustellen, dass der Staat um alles versucht seine Macht zu demonstrieren und zumindest hier einen Sieg davon fährt. Es ließ sich weder Material noch Möglichkeiten finden ihm und seinen Lakein die Stirn zu bieten.

 

 

 

Manif Sauvage I (Wilde Demo I)

 

 

 

Wir verließen den Platz, wieder mit Taschenkontrolle, Richtung Gare St. Lazare und stießen bald auf eine Gruppe, die auch keine Lust hatte im kontrollierten Rahmen ihre Wut auf die Straße zu tragen. Was zunächst als Gruppe von 40 Menschen startete weitete sich schnell auf 200-300 Leute aus und so war es zumindest möglich eine Stunde frei nach Schnauze durch die Stadt zu laufen.

 

Gerne hätten wir die Abwesenheit der Cops genutzt, jedoch schien trotz der guten Stimmung, der Wut der Beteiligten und den freundlichen Grüßen von unzähligen Passant*innen und Aufofahrer*innen der Funke nicht überzuspringen. Die Kraft dieser manif sauvage lag darin, sich physisch die Straße zu nehmen und sie akustisch mit Parolen über die Absetzung Macrons und seiner Politk zu fluten. Die Demo erreichte den Place de la Republique, sammelte weitere Gefährtinnen ein und ging mit ca 500 Menschen erst durch die Einkaufsstraßen von Rivoli, dann Richtung Bastille. Je näher wir uns den Shoppingpalästen und Touristen näherten, umso größer wurde die Bullendichte. Das Konzept der Bullen war, sich in sicherer Entfernung von uns bewegen, uns parallel zu begleiten und strategische Straßen zu blockieren. Jedoch setzte die - an anderer Stelle sehr entschlossene - Demo dem nichts entgegen, sonderen zerfaserte sich mehr und mehr und löste sich letzlich auf.

 

 

 

 

 

Manif Sauvage II

 

 

 

Vom Bastille aus näherten wir uns erneut dem Place de la Republique und trafen unterwegs auf eine weitere wilde Demo. Wir schlossen uns an und realisierten erst nach einiger Zeit das die Demo mehrere tausend Menschen groß war und sich permanent weiter Menschen anschlossen. Nun zeigte der Schneeballeffekt seinen Erfolg. Dies war sicher einer der beeindruckensten Momente des gestrigen Tages, das Meer aus gelben Westen das sich durch die bonzigen Einkaufsstraßen zog. Das leuchtende Gelb das so den falschen Schimmer des weihnachtlichen Konsums überstrahlte. Anders als am frühen Nachmittag als wir in der Nähe des Gare du Nord an Friseursalons, Imbissbuden und Gemüseläden, mehrheitlich von PoC betrieben, vorbeizogen wurden wir auffallend seltener gegrüßt und Cafés und Läden ließen in lauter Panik ihre Rollläden runter. In einer Situation beobachteten wir wie ein Cafébesitzer derart die Kotrolle verlor, dass er beim hektischen Reinholen der Stühle die Kellnerin umrempelte. Erbärmlich darauf bedacht sein Eigentum (ein Stuhl) zu retten war ihm seine Arbeiterin offensichtlich keinen Deut wert.

 

Die Demo bestand aus den unterschiedlichsten Personen und Widersprüchen. sexistische Parolen wurden gerufen, doch blieben diese nicht ohne ein ebenso lautes Ausbuhen. Die sexistischen Rufe blieben nicht für sich stehen. Sie wurden übertont, abgeändert oder die Diskussion mit den Mackern gesucht. Ein queerer Block fand sich in der Demo und vertrat lautstark seine Position zu Sexismus, Homphobie, Rassismus und Transphobie. “Die Cheffs sind eklig! Die Bullen sind eklig! die Fashos sind eklig!” “Oh sie sind trans-misogyn die Revolutionäre!”

 

Eine weitere Beobachtung von uns waren die vereinzelten Lampenputzer der Bewegung. Ob in gelber Weste oder im Anzug versuchten sie die Mülltonnen, die hin und wieder auf die Straße gezogen wurden, gewissenhaft wieder auf den Gehweg zu bugsieren.

 

In dieser unüberschaubaren Masse an Menschen war es jedoch nur schwer möglich andere Gruppen zu finden die auch die Eskalation mit den Herrschenden suchten. Als schließlich einige Leute anfingen kleinere Barrikaden zu errichten gab es zumindest einen Sammelpunkt. Doch blieb es beim Errichten von kleineren Barrikaden in unmittelbarer Nähe zu einem der größten Shoppencenter in Paris “Les Halles”.

 

Eine Verteidigung der auf die Straßen gezogenen Bauzäune, Blumenkübel, Gittern und Mülltonnen war schon allein aus Gründen des fehlenden Materials nicht möglich. So fingen die Bullen kurz darauf an uns vor sich her zu treiben bis sich der vermummte Teil der Demo zerstreute. Der starke Regen nahm uns die restliche Motivation sich errneut zu sammeln und so zogen wir uns zurück.

 

 

 

Rückblickend betrachtet lässt sich sagen, dass wesentlich weniger Menschen auf der Straße waren als die Wochen zuvor. Wir hörten von Autos, Bussen und Zügen, die nicht in die Stadt gelassen wurden und umkehren mussten. Zudem war gerade der Morgen davon gekennzeichnet das viele der Anlaufpunkte von den Bullen gekesselt wurden und die sich sammelnden Massen gar nicht erst unkontrolliert loslaufen konnten. Zwar stimmen unserer Meinung nach die offiziellen Zahlen bezüglich der Beteiligten definitiv nicht mit unserer Beobachtung, dennoch sehen wir den Rückgang. Anders als sonst schien sich der Protest nicht in dem ganzen Viertel abzuspielen, sondern war auf einige Punkte konzentriert.

 

 

 

Trotzdem denken wir, dass die Demo mehr Stärke hätte entwickeln können wenn sich früher ein motivierter Block gefunden und gesammelt hätte. Deswegen bleiben für uns zwei taktische und eine strategische Frage offen: Wie ist es möglich in einer großen sich bewegenden, spontanen Menge einen Sammelpunkt für Casseurs zu bieten? Wie lösen wir das Materialproblem? Was können wir aus der Bewegung der Gelben Westen lernen, insbesondere die Fähigkeit sich mit Widersprüchen auf der Straße auseinanderzusetzen und emanzipative Aktionen zu formulieren?

 

 

 

Leider haben uns die Angebote nicht angesprochen und deshalb haben wir nicht zugegriffen.

 

Autonome Kaffeefahrt

 

 

 

¹

 

1150 Festnahmen in Paris, davon 354 vor 10 Uhr Morgens

 

820 über 18 Jahren

 

davon haben:

 

641 bekamen eine Rechtsbelehrung

 

54 Schnellverfahren

 

9 verschoben

 

6 freigesprochen

 

9 bekamen eine Bewährungsstrafe

 

17 wurden zu Knast verurteilt

 

8 Geldstrafe

 

12 Parisverbot

 

 

 

Quelle: desarmons.net

 

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen