Statement zum gescheiterten Versuch der Täterarbeit mit Sven von Wolf Down

Wer Wolf Down kennt, hat eventuell schon mitbekommen, warum es zur Auflösung der Band kam: Ein Outing erschien, in dem klar wurde, dass es sich bei der Band keineswegs um die Feministen handelte, die sie immer vorgaben zu sein, sondern um einen sexistischen Männerbund, der Vergewaltiger/Täter in seinen eigenen Reihen akzeptierte und deckte. In einem kurzen, öffentlichen Post von einer Person aus Svens ehemaligem Freundeskreis wird nicht nur bestätigt, dass die Bandmitglieder schon lange über die Frauenfeindlichkeit von Sven (und Tobi) Bescheid wussten, es heißt auch, dass sie von den konkreten Vergewaltigungsvorwürfen gegenüber Tobi schon länger wussten (das wird im Outingblog bestätigt). Dies wurde von Sven und den anderen Bandmitgliedern jedoch solange ignoriert, bis die Betroffenen sich an die Öffentlichkeit wandten und der Männerbund es nicht mehr tot schweigen konnte. Sven ist übrigens das einzige Bandmitglied, das bis heute zu dem gesamten Outing keine öffentliche Stellung bezogen hat.

Über ein Jahr ist es nun her, dass zwei Mitgleider der Hardcore Punk Band als frauenverachtende und sexualisiert übergriffige Täter geoutet wurden. Neben Tobi, der als mehrfacher Vergewaltiger im Fokus stand, ging es im Outing auch um Sven. Wir sind einige Einzelpersonen aus dem ehemaligen Freundeskreis von Sven und aus diversen feministischen und anderen politischen Kontexten in NRW. Nach dem Outing haben wir uns vernetzt um im Fall Sven gemeinschaftliche Verantwortung für Sexismus und sexualisierte Übergriffe in unserer Szene und unseren Freundeskreisen zu übernehmen und Sven angeboten, mit ihm einen Täterarbeitsprozess zu durchlaufen. Über ein Jahr nach dem Outing also ziehen wir nun das Fazit: Sven hat sich einem Reflexionsprozess verweigert und wir müssen diesen Versuch von Täterarbeit als gescheitert ansehen und einstellen.

Aber von vorne: Nach dem Outing wurde uns und anderen politischen Gruppen in NRW nicht nur klar, dass es durch die Wohnorte der Bandmitglieder einen lokalen Bezug gibt, sondern auch, dass jede Zusammenarbeit mit Sven einzustellen ist. In der Gesamtheit der linken Szene kam diese Erkenntnis jedoch nur langsam an, einige Kontexte in denen Sven bekannt ist, gingen der Information nicht nach oder übernahmen sogar seine Delegitimierung der Frauen. Bis hin zu passivem Desinteresse waren alle Haltungen vertreten. Nach einiger feministischer Vernetzung und Intervention drang der Ernst der Lage langsam ins Bewusstsein der Szene und die Zusammenarbeit zwischen Svens nun ehemaligen Freunden und feministischen Einzelpersonen begann. Als eine Konsequenz musste Sven dann vor einigen Monaten seine neue Wohnung in Bochum verlassen.

In einer ehemaligen langjährigen Misshandlungsbeziehung bediente sich Sven mehrerer Arten der Gewalt und versuchte, Freundeskreis und Familie seiner Partnerin in sein Verhalten einzubinden, sei es durch Informationssuche zwecks Kontrollverhalten oder Spaltungsversuche zwecks Isolation. Zusätzlich fällt Sven online und offline immer wieder durch sexualisierte Belästigung auf, z.B. indem er Frauen bei Instagram bedrängt. Dabei hat er survivalofthesickest (heute cyclopes_didactylus) als Usernamen benutzt.

Abseits von konkreter Sexualisierter Gewalt haben wir im Fall Sven z.B. von Mobbing und Homophobie, insbesondere gegenüber Frauen, erfahren. Er hat darüber hinaus durch Rufmordkampagnen für den Ausschluss mehrerer Frauen aus der Linken Szene gesorgt, oder zumindest versucht, diesen zu initiieren. Dabei nutzt er frauenverachtende Stereotype und versucht gezielt, sie mundtot zu machen, als unglaubwürdig darzustellen, ihre Haltungen, Kritik und Anwesenheit zu deligitimieren und sie so weit aus politischen Aktivitäten auszuschließen, dass sie höchstens noch als objektivierte “Freundin von…” bestehen konnten.

Wir werden weder hier noch auf Anfage, detailliert über einzelne Betroffene berichten, sondern möchten uns in der Kritik auf den strukturellen Gehalt von Svens Verhalten konzentrieren. 

Dass wir mit dem Versuch begonnen haben, Sven zu einer Aufarbeitung und Reflektion zu bewegen hatte mehrere Intetionen. Zum einen hatten wir als feministischer Zusammenschluss den Anspruch sexualisierte Gewalt im Speziellen und sexistische Strukturen in der Szene im Allgemeinen zu thematisieren. Zum anderen haben wir uns als Teil von Svens bisherigem politischem Umfeld in der Verantwortung gesehen, das sexistische Verhalten, das wir bisher nicht erkannt hatten, aufzuarbeiten um zu verhindern, dass sich solche Vorfälle in unseren Peergroups wiederholen können. Dabei haben wir gemeinsam festgestellt, das es strukturell unterschiedliche Prioritätensetzungen innerhalb der Szene gibt. Im Prozess wurde klar, dass es für einige aus unserem Kreis einfacher ist, sich der Aufarbeitung des Geschehenen zu entziehen. Insbesondere die Männer, die bisher nicht betroffen waren und somit weder Gefahr laufen von Tätern retraumatisiert zu werden oder persönlich betroffen zu sein, können sich offenbar leichter von dem Thema abwenden. Da FLTI* allgemein und auch von sexualisierter Gewalt betroffene Cis-Männer sich einer Thematisierung dessen nicht entziehen können, bleibt eine Thematisierung und Aufarbeitung zu oft an diesen hängen. Auch in diesem Fall ging die Initiative zur Aufarbeitung von FLTI* aus. Wir sehen hierin eine strukturelle Kontinuität, weshalb wir unsere Erfahrungen gerne teilen wollen, um anderen, zukünftigen Täterarbeitsprozessen unsere Erfahrungen zugänglich zu machen.

All unseren Versuchen, Sven zur Kooperation und Reflexion anzuregen, hat er sich jedoch konsequent verweigert. An dieser Stelle möchten wir festhalten, dass er wesentlich mehr Chancen bekommen hat, als andere Täter. Im letzten Jahr versuchte er dennoch, vor seinen ehemaligen Freunden den Schein der Reflexion zu wahren, während er eine Menge Menschen bedrängte und manipulierte, um ihre Kritik an ihm und das Öffentlichwerden von Vorwürfen gegen ihn zu verhindern. Es wurde klar, dass er trotz Diskussionen und veröffentlichter Kritik immernoch kein Problembewusstsein entwickelt hat und dem Prozess einer Täterarbeit zwar oberflächlich zugestimmt, ihn aber bewusst und manipulativ verhindert hat. Sven zeigte uns in gemeinsamen Gesprächen immer wieder auf, dass es ihm bei einer möglichen Reflektion vor allem darum ging, seine eigene Situation zu verbessern. Immer wieder wurde klar, dass es ihm an Problembewusstsein fehlte. Er stellte sich wiederholt in die Rolle des Betroffenen einer Denunzierung und vertrat den Standpunkt, dass eine Refektion sein Standing in der Szene auch nicht wieder herstellen würde. Er betreibt konstant Täter-Opfer umkehr.

Svens aktuelle Partnerin L., welche mit feministischer Kunst in NRW und im Internet unterwegs ist, nahm eine aktive Rolle darin ein, die Kritik an Sven zu unterbinden und den Täterarbeitsprozess zu blockieren. Sie hat sich durch ihr unsolidarisches und manipulatives Verhalten gegenüber Kritiker*innen Svens zu Komplizin gemacht und an einigen seiner Grenzüberschreitungen, z.B. Mobbing, aktiv teilgenommen, sowie Eigeninitiative ergriffen, um Feminist*innen und Betroffene in der Thematik zum Schweigen zu bringen.

Dennoch steht fest, dass Angebote aus ihrem Umfeld, ihr zu helfen, die Beziehung zu Sven zu verlassen, nach wie vor ernst gemeint sind und es kein Freundschaftsdienst sein kann, sie in der Aufrechterhaltung der Beziehung zu bestätigen.Wir haben festgestellt, dass Sven nach wie vor Kontakte zur Initiative “Kein Bock auf Nazis” pflegt und dort Stände betreut. Ebenso bewegt er sich weiterhin in politischen und freundschaftlichen Zusammenhängen um Berlin Straight Edge. Wir fordern von den beiden Gruppen die sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit Sven. Jeder Kontakt mit ihm, der keine kritische Aufarbeitung seiner Täterschaft beinhaltet ist als Täterschutz einzustufen. Das kürzlich erschienene Statement von Berlin Streight Edge, welches wir  unabhängig vom Fall Sven als komplett daneben bezeichnen, bestätigt uns in dieser Haltung lediglich. Darin wird sehr deutlich, dass ihnen die Notwendigkeit Svens Verhalten zu reflektieren offensichtlich nicht eine Zeile wert ist.

Bei unserer Kritik an Sven und Wolf Down allgemein geht es nicht nur um die konkreten Betroffenen. Sven ist eine Bedrohung für alle Frauen in und außerhalb der Szene, seine Anwesenheit bedeutet Re-Traumatisierung für alle anderen Betroffenen und Überlebenden sexualisierter Gewalt. Keine Duldung von Tätern in unserem Umfeld! Wer kein Bock hat, ihm über den Weg zu laufen, sollte wissen, dass Sven zur Zeit in Essen Fronhausen wohnt und sich immer wieder in Berlin aufhält.

Die Intention unsres Statements ist es, Informationstransparenz zu schaffen und das immernoch vorherrschende Dogma zu durchbrechen, das Private sei nicht politisch. Sexistische Gewalt geht uns alle an! Uns ist eine Verantwortungsübernahme für Sexismus und sexualisierte Gewalt in der Szene allgemein wichtig, darum fangen wir an, in unseren eingenen Nischen daran zu arbeiten. Der Fall Wolf Down ist nur einer von vielen und zeigt, dass sowohl die linke Szene als auch Hardcore als Subkultur noch einen weiten Weg zur Überwindung des verinnerlichten Patriarchates vor sich haben. Zeigt Solidarität mit den Betroffenen und kümmert euch aktiv um die Thematisierung ähnlicher Fälle in eurem persönlichen und politischen Umfeld.

Abschließend ist es uns wichtig klar zu stellen, dass die primäre Absicht von Täterarbeit nicht sein darf, die Täter zu rehabilitieren und ihr Standing in der Szene zu sichern. Täterarbeit muss parteilich mit den Betroffenen und in ihrem Sinne stattfinden. Beispielhaft dafür sind Konzepte wie Community Accountability und Transformative Justice als Teil davon. Täterarbeit muss das Ziel haben potentiellen zukünftigen Taten vorzubeugen, sowie politische und subkulturelle Räume für alle Traumatisierten und Betroffenen von patriarchialer Gewalt zu öffnen.        

Oktober 2018

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Ergänzungen

Ich finde es gehört einiges dazu, dass ihr eure Initiative zur Täterarbeit objektiv und kritisch auswertet und zu dem ehrlichen Schluss kommen könnt, dass sie in diesem Fall gescheitert ist. Zu groß ist die Verlockung glauben zu wollen, dass die unermüdliche Arbeit und das Engagement sich doch irgendwie ausgezahlt haben müssen. Danke für euren Erfahrungsbericht.

Außerdem habt ihr Recht, wenn ihr konstatiert, dass Täterarbeit nicht die Rehabilitation des Täters gegenüber der Szene zum Ziel haben sollte. Es geht darum sexistisches und übergriffiges Verhalten abzulegen. Und Täter sollten das wollen, nicht um ihr Standing zu verbessern, sondern aus der Einsicht heraus, dass dieses Verhalten beschissen ist.

Hallo, wir sinds, die unsterblichen Überreste der Antifaschistischen Aktion Berlin [AAB]. Vor 20 Jahren haben wir schon Texte geschrieben die mehr nach vorne zeigten als das was die linke Szene* heute veranstaltet. Da uns (und allen die mit uns zusammen gearbeitet haben sowie unserer Nachfolgeorganisation) lange "Täterschutz" unterstellt wurde möchten wir hier einen Teil unseres Textes "Neue Sachlichkeit" zitieren. Wir empfehlen allen Interessierten die gesamte Debatte "Wohin mit den Vergewaltigern" zu lesen.

Zum „Täterschutz"

Der konkrete Vorwurf an unsere Gruppe war von Anfang an der des „Täterschutzes".2 Wir halten es für wenig sinnvoll alle Vorfälle des letzten Jahres noch einmal aufzuwärmen. Allerdings ist festzustellen, daß der Begriff beliebig eingesetzt wird. Diskussionen und kritische Auseinandersetzungen werden gleichgesetzt mit Abwehren und Abschirmen von Kritik. „Täterschutz" ist das bewußte Nicht-zur-Kenntnis-nehmen, das Negieren von Vorwürfen. Damit einher geht die Abwendung von Kritik an sanktions- oder kritikwürdigem Verhalten.

„Täterschutz" ist nicht eine mit dem Ziel der Einschätzung und möglicher Reaktionen geführte Diskussion eines Vorwurfs. „Täterschutz" ist auch nicht, eine kritische Auseinandersetzung mit der beschuldigten Person zu führen.

[...]

Weiterhin ist „Täterschutz" nicht, soziale Kontakte zu geouteten oder beschuldigten Personen fortzusetzen. Allein die vorrangig in der „Szene" zur  Verteidigung undifferenziertester Repressionsmaßnahmen benutzte Argumentation, mensch müsse alle potentiellen Opfer vor dem potentiellen Täter schützen, führt dies schon ad absurdum. Denn ein effektiver Schutz ist wohl kaum der Ausschluß aus „unserer kleinen Welt". Im Gegenteil unser Anspruch ist es gesellschaftliche Lösungsvorschläge zu entwickeln und anzuwenden. Deshalb sollte es nicht vorrangiges Ziel sein, die beschuldigte Person aus dem Einflußbereich auszuschließen, sondern gerade die Möglichkeiten zu nutzen und soziale Kontrolle auszuüben.

 

Neue Sachlichkeit: http://www.infopartisan.net/archive/szenedisco/sd009.html

Wohin mit den Vergewaltigern (gesamte Debatte): http://www.infopartisan.net/archive/szenedisco/index.html

 

Für alle Interessierten, über dieses blog kommuniziert S. seine erste Stellungnahme in einem offenen Brief:

http://reviewrethinkresolve.blogsport.de/