Stellungskrieg bis 18 Uhr Eindrücke aus der ZAD

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Die große Räumung ist vorbei, es ist ruhig geworden, aber neue Termine stehen an.

Salut et bonjour aus Frankreich. Im Westen Frankreich gibt es eine Art gallisches Dorf, wo 1962 ein Militärflughafen gebaut werdem sollte. Leute haben das Gelände damals besetzt und jetzt knapp 50 Jahre gehalten.

 

Mit Macrons "Movement", einer Regierungspartei die sich ernst so nennt, als wäre Attac völllig zur Partei vergoren kommt es nun, dass neben dem immernoch geltenden Ausnahmezustand auch dieses Widerstandsnest geräumt werden soll und z.T. auch schon ist. Dat Gelände ist etwas größer als die Fusion, flach... oh und liegt wirklich auf diesem Planeten, die Atlantikküste geht ja ziemlich gerade von Süden nach Norden und macht einen Knick, und in etwa da liegt Nantes ("Noonnnt" ausgesprochen, etwa 30km ins Landesinnere nördlich et tu arrive a Notre Dames des Landes, dem nächsten Dorf zur Zone a Defendre, einer Abkürzung die dem offiziellen Namen des Flughafenprojektes entlehnt ist und sowas wie "zu verteidigende Zone" bedeutet.

 

Die Gegend ist flach es ist meist feucht und kühl und wenn die Sonne mal scheint, dann aber richtig. Eigentlich gibt es hier nur Wiesen und lauter Bäume und Büsche die die Felder eingrenzen und ab und zu sind die mit Stacheldraht durchzogen. Ok und das ist es schon es gibt kleinere Wälder und jede Menge einzelner Bauernhäuser die jeweils eigene Namen haben wie "La Grée" oder Bellevue. Jedes Haus hat einen eigenen Style und man kann grob zwischen Ökos die Landwirtschaft betreiben und einer Punk- und Obdachlosenfraktion unterscheiden. Letztere wurden bereits vor Wochen verdrängt und leben z.T. in Zimmern auf dem Gelände.

 

Am besten lässt sich das alles auf zad.nadir.org nachlesen, in der französischen Wikipedia oder in Youturbevideos, in denen es nicht nur die Riots zu sehen gibt sondern auch mal Dokumenntarfilme. Übrigens, es ist nicht so datensicher aber translate.google.de übersetzt Webseiten ganz gut.

 

Jedenfalls sind die großen Räumungen vorbei und die Fights beschränken sich nur noch auf eine Strassenkreuzung in der Mitte des Geländes, an einer Strasse die in den Westen führt. Es ist Absurd, die Bullen kommen meist früh um 6 oder 7 und fahren 18:30 wieder nach Hause, meist wollen sie nur die Barrikaden abbauen und die aufgerissene Strasse wieder befüllen und dafür verschiessen sie jede Menge Tränengas. Leider haben sie auch allerhand üblere Scheisse, wie Granaten die mehr als tennisballgroße Löcher in den Rasen sprengen, oder man jemanden ein Auge, ein Bein und leider auch mal die Wirbelsäule komplett zerstört haben. Nebenbei haben die Schweine auch umgebaute Panzer aus dem Jugoslawienkrieg und angeblich testen sie neue Granattypen.

Ach ja. Auf unserer Seite rennen viele vermummt rum, das is nett die Solidarität ist erstmal lässig und massenhaft, sie spaltet sich etwas an dem Rätseln über die Polizeitaktik. Letzten Montag war Termin für alle die sich legalisieren wollen, das sind meist die Landwirtschaftsleute die ne größere Chance haben. Andere Projekthäuschen wie die Boite Noir im Wald sind längst der Planierraupe zum Opfer gefallen. Das ist etwas hart, wenn du an Orten bist die man von früher her kannte.

 

Vielen Anwohnenden reicht es, dass es diese Megabelagerung gab, etliche Bauern kommen nicht mehr easy auf ihre Felder um die zu pflügen und viele Leute die das auch durch die Barrikaden die sie immer wieder bauen mitzuverantworten haben, scheisschen zum Teil drauf, hauptsache gegen die Bullen - und es ist auch nicht ganz klar, ob die Bauern nicht auch geräumt werden sollen. Weiss nicht, ob man all die Leute als sozialdemokratisch diffamieren sollen, die da meinen dass es sinniger wäre die Barrikaden nicht mehr weiterzuentwickeln und unbedingt Kräfte zu schonen, denn wahr ist auch, dass viele Leute ja jederzeit "nach Hause" oder schlicht weiter reisen, so dass nicht klar ist, ob es sich in den Fights um Opferschutz handelt, oder nur um den ewigen Mythos des fortgesetzten Strassenkampfes. Kurz: für wen das gemacht wird ist nicht eindeutig.

 

Immerhin wurden am Montag, gestern, mal keine Barrikade geräumt, niemand versank im Tränengas, weil die Bullen chronisch und teilweise in echter Panik den Abzug sichern in dem sie ziellos ihr Arsenal verballern. Es ist strange, 100m hinter der Kreuzung am Waldrand warten die Leute, es regnet immer wieder diese grauen Pillen die kurz vor dem Boden aufbrechen und fünf Pucks die beissenden weissen Rauch ausstossen. Die Leute tragen Wasmasken oder Schutzmasken für Handwerker_innen, oder Schwimmbrillen nehmen die Dinger und schlagen sie mit Tennisschlägern auf's Feld oder kippen Wasser drüber. Einige werden Steine.

 

Anfangs hat das echt Style, die Siluetten der vermummten in den fluchten der Waldwegen zu sehen zwischen den Fischernetzen die Leute gespannt haben, ausgebrannte Autos auf und an den Wegen, Betonpfeiler, Wellblech, an einer Stelle sogar Strohballen mit einem Kanu drin, aber es bleibt wiegesagt überschaubar, oft knallt es je nach Granatentyp und wenn du zu der nächsten Scheune 200 Meter weiter gehst, würde es nicht mal auffallen, dass es passiert, würde nicht immer mal jemand vermummt rumrennen, sich die Augen spülen, erregter erzählen oder so. Oder wenn nicht ne Drohne die Lage ausspähen würde. 

Nicht easy, vor allem weil die ganze Action so intensiv wirkt auf viele..

 

Sonst wirst du groß angeguckt, wenn du einen vollgeschissenen Eimer aus dem Klo wegträgst, du bist immer der Ausländer, weil es immernoch ein scheiss Event für viele französische Leute ist englisch zu sprechen, so dass du nie wirklich mitbekommst was gesagt wird, selbstverständlich fällt niemandem ein rumzufragen ob übersetzt werden sollte, und dann sind da wieder Teams die nachts irgendwo Strassenpflaster aufbrechen, oder an den Barrikaden rumbauen und man hört dass man keinen Plan hätte was man macht und Person daneben auch nicht und die andere ist beschäftigt und spricht schlecht englisch aber es fehlt an Baumaterial aber erstmal ran.... Und ja, die Leute sind ja auch ausgelassen, machen ja auch Party, kochen gemeinsam, es ist halt chaotisch. Also Planvoll handeln, hmmm mag ab und zu gelingen, aber das wäre für viele schon autoritär. Vielleicht ist intensiiv allein nicht der passende Begriff. Eine Vollversammlung schien es nicht gegeben zu haben, die gab es zu einzelnen Aktionen wie dem Versuch einer neubesetzung des Ostens, Leute haben echt Hüttenteile zusammengebaut und vor Ort zusammengenagelt, aber die Bullen haben das in wenigen Stunden zerschmettert und so blieb den Leuten nur einige Beete unter Aussicht zu bepflanzen.

 

Ich fand es etwas sureal da zu sein, bin aber froh über einige Leute, die ich kennengelernt habe und über die Kritik die Leute an der linken Szene in Schland äußerten:

 

- es ist fucking deutsch, "don't like the german scene"

- die leute sind dogmatisch, ideologisch verbohrt und nicht so stark bündnisfähig

 

 

 

andererseits habe ich auch vieles an französischen Genossen_innen auszusetzen:

- ziemliche Machos mitunter

- dem Mangel an Fremdsprachen wird in der Szene nicht begegnet

- Leute rauchen rücksichtslos überall, selbst neben Leuten die pennen und keine Wahl haben. Es gibt fast keinen Raum wo sich mal ausruhen lässt ohne dass man sich erklären müsste dass man das nicht mag, es fällt den leuten garnicht auf, dass es stören könnte

- Leute wollen mega rechtbehalten und lassen sich nicht ausreden.

- Oh Gott: Leute grüßen einen unentwegt in der zad und labern, ständig ein Salut, aber schlimmer als wenn man in den Bergen wandern geht und wenn du nicht einschätzen kannst, was nun eine rhetorische Frage ist, und was nicht, ist das anstrengend. Leider scheint es ein stärkerer Teil des Umgangs zu sein als in Schland, dass man so tut als würde man einem was anbieten obwohl es nichts bringt, bis dahin dass man von blöden Hippies in eine sumpfige Gegend mitgeschleppt wird im dunkeln und wenn du was zu tun hast versucht dir jemand das aus Faulheit auszureden und es ist egal ob du dich in den Strassen Wäldern und Wiesen verirrst!

- Das schlimmste war, dass mir jemand vor Jahren in einer Lehmhütte im Osten erzählte, dass so viele junge Leute kommen die es nicht mal auf die Reihe bekommen ein Lagerfeuer zu entzünden!!!

- Obwohl das WLAN in Frankreich gut ausgebaut ist gibt es in der ZAD kaum welches ("Wifi"), Leute schieben teils starke Paranoia

- Wenig für technischen Datenschutz, mit dem Smartphone in die Actionzone, vielen Leuten waren IMSI Catcher völlig unbekannt.

- Strong Language, Leute reden schnell von Revolution und Krieg, wenn es um die  ZAD geht, immerhin war es auch vor Wochen echt hart, aber bei meinem Besuch schien mir das schlicht unangemessen, wo jeden Tag Leute abreisten.

 

 

 

Interessant ist, dass es einen radikalen Feminismus gibt der auf Frauenrechte besteht und dem US-Trend widerspricht, dass das zweiergeschlechterding lediglich relativiert werden soll.

Manchmal war es schön, dass Leute in kurzer Zeit sehr persönliche Sachen gegenüber unbekannten erzählt haben, es es war auch verwirrend, weil es Leute gibt, die Digitaltechnik ablehnen, also manche Sachen laufen echt anders, es gibt kaum Computerhacker, die sichtbar werden.

Leute haben einen Radiosender der Französischen Autobahnen gehakt, Radio Klaxon... ohhh apropos, allgemein ist im französischen Radio die Debattenkultur ausgeprägt, ich schätze das sehr im Gegensatz zu den schrecklichen Sendern in Teutonien.

Schön war, dass die Generationen gemischter waren, die das Projekt seit Jahrzehnten teilweise begleiten.

Ebenfalls spannend ist, dass das bewusstsein Teil einer neokollonialen Macht zu sein da ist, und damit globalisierter Alltag eine völlig normale Sache ist, eben weil Frnakreich immernoch Teile wie ich glaub Martinique, Französisch-Guayana hält und andere Gegenden. Ich frag mich ob man da seine sozialhilfe beziehen kann, erst fand ich das witzig und gemütlich, aber tatsächlich scheint schon da der Kollonialismus anzufangen, denn in vielen dieser Gegenden scheint es bittere Armut zu geben, in der Inlandsfranzosen deutliche Vergünstigungen bekommen!

 

 

Am 13.5. soll ein nächster Schritt in den Verhandlungen eintreten, mal sehen was dann passieren soll. Die meisten sind jetzt in Nantes oder Paris am demonstrieren, euch wünsche ich noch angenehme Zeit, macht was aufregendes, und vor allem: macht es wirklich! 

 

 

 

(A)lles Gute!

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