autonomer 1.Mai in Oldenburg

Event Datum: 
Dienstag, Mai 1, 2018 - 13:00
Stadt/Region: 
Utopien - leben | erkämpfen | verteidigen - Aufruf zum autonomen 1.Mai 2018 in Oldenburg - 13:00 Donnerschweer Str. / Milchstraße

Utopien
leben | erkämpfen | verteidigen


Warum Utopien?
Es mag realitätsfern und hochtrabend klingen, von Utopien zu reden. Utopia als ide-
eller gedanklicher Zufluchtsort dessen Umsetzung scheitern muss. Und doch gerade
im Angesicht der aktuellen lokalen und globalen Entwicklungen, den sicht- und vor
allem hörbaren Rechtsruck in der Gesellschaft, der Entsolidarisierung und der zuneh-
menden Rücksichtslosigkeit gegenüber Geflüchteten, Wohnungslosen, Trans*personen
oder anderen marginalisierten, nicht einer vermeintlichen Norm entsprechenden Perso-
nen, scheint nur noch eine dystopische Zukunft denkbar. Massenüberwachung, digitale
Auswertung von persönlichen Daten, eine Digitalisierung der Kriegsführung nehmen
beängstigende Züge an. Daher ist es gerade nun wichtig, aufzustehen und sich für uto-
pische Gesellschaftsordnungen einzusetzen, Freiräume und Errungenschaften nicht nur
zu verteidigen, sondern auszuweiten und ein solidarisches Miteinander mit Leben zu
füllen.

Lasst uns den dystopischen Visionen positive Bilder entgegenstellen!

In der syrischen Region Rojava zum Beispiel entwickelt und lebt die ansässige Bevöl-
kerung eine solidarische Gesellschaft, basierend auf dem Konzept des Demokratischen
Konförderalismus. Der Aufbau dieser lokalen Utopie wird konstant von nationalisti-
schen, fundamentalistischen und autoritären Kräften unter anderem aus Syrien und der
Türkei angegriffen. Von Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika im Stich
gelassen, bleibt der Bevölkerung alleine die militante Verteidigung ihrer Gesellschaft.

Militant erkämpft und verteidigt wurden in Deutschland insbesondere in den 70er bis
80er Jahren linke selbstorganisierte Zentren. Leerstehende Häuser wurden besetzt und
Freiräume geschaffen um sie mit emanzipatorischer Praxis zu füllen. Hier konnten und
können bis heute verschiedene Konzepte durchdacht, erprobt und gelebt werden. An
diesen Orten wird sich unter anderem in Theorie und Praxis mit linker Politik, Solidari-
tät, gesellschaftlichen Machtstrukturen und vielem mehr auseinandergesetzt.

Seit den G20-Protesten im Juli 2017 in Hamburg sind viele linke Zentren massiver
Repression ausgesetzt. Der auch durch die Öffentlichkeit unterstützte und legitimierte
Hass auf linke Bewegungen motiviert Polizei, Kommunen und Staat zu einem har-
ten Durchgreifen, sei es mittels Durchsuchungen von Privathäusern und Zentren, Räu-
mungsandrohungen, der Streichung von Geldern für solidarische Arbeit und dem Verbot
von indymedia.linksunten. Parallel dazu läuft die Militarisierung der Polizei auf Hoch-
touren, Pfefferspray, CS-Gas und Wasserwerfereinsatz bei Minusgraden gehört noch
zum „charmanten“ Repertoire der Demobegleitung. Auch das Sondereinsatzkommando
(SEK), bewaffnet mit Maschinengewehren und trainiert für die Aufstandsbekämpfung,
wird vermehrt zur Einschüchterung eingesetzt. Verschärfungen in der Gesetzgebung,
sowie die Gleichsetzung von legitimen Demonstrationen mit gewaltbereiten Hooligan-
Aufmärschen diskreditieren politische Meinungsäußerung und kriminalisieren politisch
Aktive. Der Einsatz von körperlicher Gewalt und vorsätzlicher Körperverletzung durch
Bereitschaftspolizei und Sondereinheiten (z.B. BFE) sowie die darauf folgende Verhaf-
tung zum Teil schwerverletzter Demonstrant*innen gehört heutzutage ebenfalls zum
linkspolitischen Alltag. Allein die Anwesenheit bei einer politischen Demonstration
kann mehrere Monate Gefängnis bedeuten, ohne das eine individuelle Handlung nach-
gewiesen werden muss.

Und wo wir schon bei repressiver Staatsgewalt sind...
Die Urteilsverkündung des NSU-Prozesses nähert sich. Auf der Anklagebank sitzen
Beate Zschäpe und andere Täter aus dem Umfeld des nationalsozialistischen Unter-
grundes. Dort fehlen jedoch diejenigen in Staat und Institutionen, wie bspw. Innenmi-
nisterien, Verfassungsschutz und Polizei, die durch gezieltes Wegschauen, finanzieren
über V-Leute, rassistische Untersuchungspraktiken, auch nachträgliche Vernichtung
von Beweismitteln, Verschleierung und vielen weiteren Anzeichen von institutionellen
Rassismus diese Taten ermöglichten. Daran hat sich auch heute – mehr als 6 Jahre nach
der Selbstenttarnung des NSU – nichts geändert.

Geändert hat sich nichts an der Tendenz zur Abschottung in der Festung Europa. Über
die Verschärfung des Asylrechts, stärkere Grenzkontrollen nicht nur an den Aussen-
grenzen Europas, erschwerter Familiennachzug, Abschiebungen in vermeintlich sichere
Herkunftsländer, geplante „Rückführungszentren“ zur Inhaftierung, bis hin zur Diffa-
mierung von Geflüchteten als Wohlstandsmigranten; die Richtung der gesellschaftli-
chen Entwicklung ist beängstigend, macht wütend und erfordert unseren gemeinsamen
Widerstand!

Eine lokale Form des Widerstands in dieser kapitalistischen Gesellschaft zeigt sich
auch in der Unterstützung und Beratung der migrantischen Fleischarbeiter*innen im
südlichen Oldenburger-Raum. Die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter*innen
betrifft dabei die Nicht-Einhaltung von Arbeitsrecht, rassistische Praktiken der Woh-
nungsvergabe, sowie der unzureichende Zugang zum Gesundheitssystem, zu Bildung
und zum sozialen Leben.

Wir glauben trotz allem daran, dass eine bessere Welt möglich ist.
Aber sie kommt nicht von allein. Steht auf gegen Rassismus, Antisemitismus und Fa-
schismus, werdet laut gegen Homophobie, Trans- und Queerfeindlichkeit! Setzt euch
ein gegen sexistische und klassistische Strukturen, bringt euch in solidarische Projekte
ein, versucht euch an gemeinsamer Ökonomie! Schließt euch Strukturen an, die den
Klimawandel bekämpfen! Es gibt viel zu tun, aber wir schaffen es nur gemeinsam!

Also werdet aktiv!
Lebt! Kämpft! Verteidigt!

 

Demonstration 13:00 Donnerschweer Str, Ecke Milchstraße

Strassenfest im Anschluss am Alhambra

 

 

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