Gedenken an Gustav Schneeclaus in Buxtehude
Gedenken an Gustav Schneeclaus
8.3.1992, Busbahnhof Buxtehude, später Nachmittag: Der Kapitän Gustav Schneeclaus wird von den beiden Neonazis Stefan Silar und Stephan Kronbügel schwer zusammengeschlagen, nachdem er ihnen sagte, dass Hitler „der größte Verbrecher“ gewesen sei.
Nur wenig später kommen beide noch einmal wieder, um mit einem Kantholz weiter auf ihn einzuprügeln und treten mit Springerstiefeln auf den bereits verletzten ein.
Unter den Anfeuerungsrufen „Mach ihn tot!“ von Kronbügel springt der damals 19-jährige Silar mehrmals auf Schneeclaus‘ Körper.
Gustav Schneeclaus starb in der Nacht von Samstag, dem 21.3 auf Sonntag, 22.3. aufgrund seiner schweren Verletzungen, zu denen unter anderem schwerste innere Verletzungen, ein Schädelbruch, ein abgerissener Halswirbel und vier gebrochene Rippen zählten, im Alter von 53 Jahren im Stader Kreiskrankenhaus.
Die beiden Täter wurden wegen Totschlags zu sechs beziehungsweise achteinhalb Jahren Haft verurteilt.
Stefan Silar blieb nach der Haftentlassung in der Szene aktiv: So führte er den Szeneladen „Streetwear Tostedt“ von 2005 bis zur Schließung beziehungsweise Umstrukturierung zum Onlineversand 2013 und ist führendes Mitglied der norddeutschen Kameradschaftsszene; alljährlich feiert er seinen Geburtstag in Form eines Rechtsrockkonzertes, zu dem überregionale Kader der Szene anreisen. Er war Teil der „Combat 18“- Terrorzelle in Pinneberg, der „Blood and Honour“- Struktur und baute nach deren Verbot den „Saalschutz Nordmark“ mit auf, der Rechtsrockkonzerte, bei denen er auch heute noch als Veranstalter fungiert, absichern sollten.
Obwohl die beiden Tostedter Kameradschaften „Gladiator Germania“ und „Nationaler Widerstand Tostedt“, die sich um Silars Laden herum gruppierten, heute nicht mehr offen in Erscheinung treten, ist die Tostedter Szene, die zu den gewaltbereitesten in Norddeutschland gehört, keineswegs verschwunden; vielmehr haben sie ihre Aktivitäten auf die Organisation von klandestinen Konzerten wie beispielsweise mit Mic Revolt am ersten Juniwochenende 2017 verlagert.
Diese Konzerte dienen der Festigung interner Strukturen und haben, wie Konzerte rechter Bands allgemein, eine ideologiefestigende Funktion, die interne Grenzen zwischen unterschiedlichen Gruppen überwinden und die Szene als Ganzes eint.
Eine ähnliche Funktion haben auch Kampfsportevents wie der „Kampf der Nibelungen“ am 14.10.2017, bei dem André Bostelmann, Teil der Tostedter Szene, als Kämpfer antrat.
Aber nicht nur Silar ist weiterhin aktiv geblieben; sein Mittäter Stephan Kronbügel hat am 17.12.2017 am Hamburger S-Bahnhof Veddel einen Sprengkörper deponiert, der nach Angaben der Polizei glücklicherweise nur zu Sachbeschädigung geführt hat. Zwar behauptet die Polizei, dass Kronbügel der rechten Szene nicht mehr angehöre, allerdings stellt sich die Frage, ob der versuchte Anschlag in einem migrantisch geprägten Stadtteil wie Veddel nicht vielleicht doch vor dem Hintergrund rechter Ideologie verübt wurde.
So oder so gilt: Die legal nur als „Totschlag“ zu bezeichnende Tötung von Gustav Schneeclaus ist kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine Reihe rassistisch und neonazistisch motivierter Anschläge und Morde im gesamten Bundesgebiet.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des verstärkten Rechtsrucks gilt es, den Betroffenen zu gedenken und sich gemeinsam gegen diese Entwicklung zu stellen.
Das diesjährige 28. Schneeclausgedenken beginnt um 22.03. um 18:00 am Busbahnhof Buxtehude, dem Tatort, mit einer etwa einstündigen Kundgebung am neu benannten „Gustav-Schneeclaus“-Platz, an dem ab dem 18.03. Informationstafeln zum Stillen Gedenken einladen werden.
Ab 19:00 folgt dann die Buchvorstellung des aktuellen „Jahrbuchs Rechter Gewalt“ im Buxtehuder Kulturforum.