Pressemitteilung: Freiburg: Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung +++ Baumbesetzer*innen zu 60 Tagessätzen verurteilt +++ Solidarische Prozessbegleitung durch Kundgebung, Demo und Konzert

Am 25.01.2022 fand im Freiburger Amtsgericht der Prozess gegen zwei
Aktivist*innen statt, die im November 2020 unter dem Namen „Bündnis
91/Die Grüneren“ einen Baum auf dem Platz der Alten Synagoge (PdAS) in
Freiburg besetzt hatten. Die Aktion hatte damals in Solidarität mit dem
Widerstand im Dannenröder Forst stattgefunden. Die beiden Aktivist*innen
wurden wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand
gegen Vollstreckungsbeamt*innen und Beleidigung zu 60 Tagessätzen à 10
und 20€ verurteilt.

Die Aktivist*innen hatten vom 07. bis 08. November 2020 einen Baum in
der Freiburger Innenstadt besetzt. Viele Menschen hatten die Besetzung
auf dem Platz solidarisch begleitet. Die Polizei hatte den
Aktivist*innen über die Dauer der Besetzung hinweg den Zugang zu Essen,
Trinken und Toiletten verwehrt. Als Reaktion darauf wurde den Menschen
im Baum von Unterstützer*innen ein Versorgungspaket auf die Plattform
geworfen, wobei es zu der Situation kam, auf die sich die Vorwürfe der
klagenden Polizisten beziehen. Die Aktivist*innen hätten am Seil,
welches am Paket hing, gezogen und damit Verletzungen eines Polizisten
in Kauf genommen, der das andere Ende des Seils am Boden festgehalten
und sich Rötungen an der Hand zugezogen hatte. Außerdem wurden die
Aktivist*innen beschuldigt, durch das Seilziehen Widerstand gegen den
Vollstreckungsbeamten geleistet und die anwesenden Polizisten beleidigt
zu haben.

Um den Vorwürfen nachzugehen wurden in der Verhandlung fünf Polizisten
als Zeugen gehört. Die Zeugenaussagen zum Tathergang unterschieden sich
deutlich und alle Polizisten wollen verschiedene Beleidigungen gehört
haben. Besonders widersprüchlich erschien die Aussage des geschädigten
Polizisten, der als erster Zeuge aussagte. Dieser verhielt sich
aufbrausend und leicht reizbar und musste mehrfach von der Richterin
beruhigt werden. Als es um den Auftrag seines Einsatzes ging, sagte er,
dass er nur ein Handlanger wäre und einfach ausführen würde, was ihm
gesagt wird. Außerdem sagte er im Zeugenstand zum ersten Mal aus, dass
er seine Schmerzen an die beschuldigten Aktivist*innen kommuniziert
hätte und sie gebeten hätte, aufzuhören.
Trotz aller Ungereimtheiten wurde den Zeugen geglaubt und die
Aktivist*innen nach drei Stunden Verhandlung zu 60 Tagessätzen
verurteilt. Die Staatsanwaltschaft wertete die Situation des Seilziehens
sogar als tätlichen Angriff und forderte 110 Tagessätze.

Die Aktivist*innen machten zur Sache keine Aussage, adressierten die
Ungerechtigkeit des Prozesses aber in ihrem so genannten letzten Wort,
das direkt vor der Urteilsverkündung verlesen wurde. Darin kritisierten
sie den Fokus des Prozesses, der die Gefährdung der Baumbesetzer*innen
durch den Polizisten komplett auslässt. Hierfür fanden sie folgende
Worte: "Statt danach zu fragen, warum ein Polizist ohne nachzudenken an
ein Seil springt, an dem Menschen auf einem Baum eventuell auch mit
ihren Körpern befestigt sind, wird ein weiterer Fall 'linker Gewalt
gegen Polizist*innen' bearbeitet. Wieder einmal wird sich also auf eine
vermeintliche Gewalt gegen die Polizei fokussiert, statt Gewalt durch
die Polizei zu betrachten."

Außerdem betonten die Aktivist*innen, dass sie nicht davon ausgegangen
seien, diesen Prozess juristisch zu gewinnen. Vielmehr sei ihr Anliegen
gewesen, aufzuzeigen, dass es sich bei der erfahrenen Repression um
keinen Einzelfall handle, sondern um eine systematische Kriminalisierung
der Klimagerechtigkeitsbewegung und linker Aktivist*innen. Die Polizei
als Institution halte Ungerechtigkeiten aufrecht und verstärke diese
zudem weiter.

Der Ungerechtigkeit im Gerichtssaal steht die große Solidarität während
des Prozesstages entgegen. Am Morgen trotzten circa 50 Menschen der
Kälte und versammelten sich vor dem Amtsgericht für eine
Solidaritäts-Kundgebung. Und auch am Abend brachten um die 200 Menschen
bei einer Soli-Demo unter dem Slogan "Unsere Solidarität gegen ihre
Repression" ihre Wut auf die Straße.

Am Ende des Tages ordnete die Aktivistin Robin Busch den Prozess wie
folgt ein: "Das ist ein klarer Fall von Kriminalisierung der
Klimagerechtigkeitsbewegung. Polizist*innen schützen das zerstörerische
System, verwehren Aktivist*innen Essensversorgung und andere
Grundbedürfnisse und gefährden mit dem unbedachten Sprung an ein Seil
das Leben von Aktivist*innen. In der Anklage werden dann die Tatsachen
verdreht und die Menschen verurteilt, die sich für ein gutes Leben für
alle einsetzen."

Trotz der Anklage und jetzigen Verurteilung machen die Aktivist*innen in
ihrem letzten Wort deutlich: "Die Zeit des Prozesses hat uns
verdeutlicht, wie wichtig die Werte und Ziele sind, für die wir
einstehen und wie viel Rückhalt in unserer Bewegung steckt. Wir werden
auch weiterhin für eine gerechtere Welt für alle kämpfen, egal wieviel
Repression uns und unseren Verbündeten noch um die Ohren gehauen wird.
Unser Widerstand lebt, unsere Solidarität ist ungebrochen!"

 

webadresse: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-nc-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen - nicht kommerziell